Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

Wer in Herrenberg aus der S-Bahn steigt, gerät in die Zwickmühle. So heißt das Kunstwerk von Ingrid Hartlieb, das vor dem Bahnhofsgebäude steht. Mit verschmolzenen Eisenblöcken hat die international gefragte Künstlerin, die in Stuttgart lebt, ein Symbol gegen Gewaltanwendung und Zwang geschaffen. Ihr Werk ist Teil des Skulpturenpfads, den engagierte Herrenberger Kunstfreunde in der Stadt angelegt haben. „Jerg-Ratgeb-Skulpturenpfad“ heißt das ungewöhnliche Bürgerprojekt, das moderne Kunst in den öffentlichen Raum bringt. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad sind die Kunstwerke zu entdecken, die an markanten Stellen zwischen dem Bahnhof und dem Schlossberg aufgestellt sind.

Wegweisendes Bürgerprojekt

Die Bürger haben sich zum Ziel gesetzt, das Erbe des Malers und Bauernkriegskanzlers Jerg Ratgeb auf eine ganz besondere Art und Weise zu bewahren. Deshalb haben sie zeitgenössische Künstler eingeladen, einen Beitrag zu diesem spannenden Projekt zu leisten. 25 Kunstwerke, die aus Spenden finanziert wurden oder die aus Nachlässen gestiftet worden sind, haben die Kunstfreunde zusammengetragen. Dieser avantgardistische Duktus hat viel mit den Zielen des Namensgebers gemein. Jerg Ratgeb schuf um 1480 bis 1526 den Herrenberger Altar, der zu den bedeutendsten Arbeiten der Kunst Anfang des 16. Jahrhunderts zählt. Dieses sakrale Kunstwerk gehört heute zur Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart.

Kunst lädt zum Verweilen ein

Die Objekte unter freiem Himmel laden alle Generationen zum Betrachten und zur Reflexion ein. Helmut Eraths „Kalligraphische Skulptur“ aus Edelstahl steckt in einem Gerüst aus Metall, das im Freien rostet. Daneben spielen Kinder auf der grünen Wiese. Die Eltern sitzen unter schattigen Bäumen und betrachten das eigenwillige Werk.

Bei der Stiftskirche an der Ecke Kirchgasse hat der Künstler Lutz Ackermann den Jerg-Ratgeb-Altar mit Spiegeln ganz neu inszeniert. Die faszinierende Skulptur zieht viele Blicke in den Bann. In einer gut bebilderten Broschüre, die bald auch in mehreren Fremdsprachen erscheinen soll, haben die Bürger die Stationen des Skulpturenpfads dokumentiert. Darin finden sich auch griffig auf den Punkt gebrachte Informationen über die Biografien der Künstler, die alle einen Bezug zur Region haben.

Wer durch die schöne Herrenberger Altstadt mit ihren Fachwerkbauten und der Stiftskirche schlendert, wegen ihrer ungewöhnlich breiten Kirchturmform und der barocken Turmhaube mit Zwiebel auch „Glucke vom Gäu“ genannt, merkt schnell, dass die Stadt viel für ihre Präsentation und fürs Marketing tut. Ein historischer Rundgang ist ebenso ausgeschildert und mit Schautafeln anschaulich beschrieben wie der Fachwerkpfad. Die Rundgänge führen zwar immer wieder bergauf, sind aber nicht zu anstrengend.

Beim Streifzug durch die Herrenberger Altstadt sollte man das Fahrrad unbedingt stehen lassen, denn sie lässt sich am besten zu Fuß über die zahlreichen Staffeln erkunden. Deshalb wurden die Herrenberger früher im Volksmund auch „Stäffelesrutscher“ genannt. Auf dem Schlossberg gibt es einen Aussichtsturm, der erst 1957 errichtet wurde. Er wurde auf dem Stumpf des ehemaligen Pulverturms errichtet. Das Hagtor ist das einzige erhaltene Tor der Stadtbefestigung. Die Stadtmauer entstand mit der Stadtgründung um 1200.

Der Besuch der Stiftskirche gehört dazu, weil dort das Glockenmuseum sein Domizil hat. In der Glockenstube unter dem Kirchturm sind mehr als 30 läutbare Bronzeglocken. Glocken aus zwölf Jahrhunderten und aus vielen Teilen des deutschsprachigen Raums, Glocken, die eine abgestimmte Tonleiter über fast drei Oktaven bilden, wurden im Turm der Stiftskirche aufgehängt. Es sind keine Museumsstücke, die außer Gebrauch gekommen sind. Ihr Läuten ist ein besonderes Erlebnis. Die Glocken werden nach einer festgelegten Läuteordnung in wechselnder Zusammenstellung geläutet. So können die Besucher das Läuten einzelner oder auch mehrerer Glocken hören.

Nach der herausfordernden Tour durch die Altstadt lohnt ein Besuch auf dem Marktplatz mit dem Löwenbrunnen. Da laden Gastronomen zum Kaffee und Kuchen, zum Vesper und zum Essen ein. Wer bei der Tagestour noch schnell seine E-Mails checken möchte, kommt in der touristenfreundlichen Stadt schnell über das kostenlose WLAN ins Internet. Das ist auch für Ausflügler praktisch, die schnell ein Erinnerungsfoto vor dem schönen Ensemble mit Stiftskirche und Rathaus an die Lieben daheim verschicken möchten.

Früher als geplant geschlossen hat das Naturfreibad im Längenholz. Wegen erhöhter Keimbelastung musste das erst im Mai 2014 eröffnete Bad am Montag vorzeitig die Saison beenden. Nach den Worten von Bürgermeister Gabrielle Gezeny waren die Werte an zwei Stellen so hoch, „dass wir den Badebetrieb beenden mussten“. Vor allem Badegäste, die ein geschwächtes Immunsystem haben, könnten da gesundheitliche Probleme bekommen.

Offenbar gibt es in der neu gebauten Anlage mit Sandstrand, Kletterfelsen und einem Sprungbecken Probleme mit dem Filter, der nun bereits in der zweiten Saison nach der Eröffnung erneuert werden muss. Wer seinen Ausflug nach Herrenberg mit Schwimmen beenden will, darf im benachbarten Hallenbad seine Bahnen ziehen.

Tipps und Informationen

Anfahrt: Herrenberg ist gut mit der S-Bahn zu erreichen. Die S 1 zwischen Kirchheim und Herrenberg wird noch bis 10. September durch die Baustellenlinie S 31 ersetzt; das heißt, Fahrgäste aus Wendlingen, Plochingen oder Esslingen müssen ein Mal umsteigen. Die Fahrt dauert von Esslingen eine gute Stunde. Bis auf die frühen Morgenstunden darf in der S-Bahn auch das Rad kostenlos mitgenommen werden. Damit lässt sich die Umgebung Herrenbergs noch besser erkunden. Mit dem Auto ist Herrenberg über die A 8 in Richtung Karlsruhe und dann über die A 81 in Richtung Singen zu erreichen.

Stadtinformation: Wer mehr über Ausflugsmöglichkeiten in Herrenberg erfahren möchte, findet auf der Homepage der Stadt eine Fülle von Informationen. Dort lässt sich auch die deutschsprachige Broschüre zum Jerg-Ratgeb-Skulpturenpfad herunterladen. Da die Stadt kostenloses WLAN anbietet, lassen sich der historische Stadtrundgang und die Fachwerkroute auch mit dem Tablet aufrufen.

www.herrenberg.de

Kostenlose Führungen: Wer die Stadt mit kompetenter Führung erkunden möchte, findet auf der Homepage Termine für kostenlose Themenführungen: Morgen um 14.45 Uhr Glockenmuseum; Sonntag 14. August, 14.45 Uhr, Glockenmuseum für Kinder sowie Sonntag, 21 August, 15 Uhr, Tour zum Fachwerkpfad.