In seinem Element: Hermann Wagner in der Ausstellung des Geschichtsvereins. Foto: Archiv/Bulgrin

Für Salamander schlug sein Herz, ohne ihn gäbe es Kornwestheims riesige Geschichtssammlung nicht: Der Ortshistoriker Hermann Wagner ist gestorben.

Es gibt Menschen, die gehören gefühlt so sehr zum Inventar einer Stadt, dass es kaum vorstellbar ist, dass sie irgendwann einmal nicht mehr da sein könnten. Hermann Wagner war so ein Mensch. Der Mann, aus dessen früherem Beruf als Heizungsmonteur bei Salamander eine Lebensleidenschaft erwuchs – das Sammeln und Bewahren von Objekten, die von der Geschichte Kornwestheims zeugen – , war ein Phänomen.

Wo ein Gebäude abgebrochen wurde, war Wagner zur Stelle

„D’r Wagner“, wie er manchmal in der dritten Person über sich selbst sprach, wenn er mit geheimnisumwittert gesenkter Stimme von einem neuen Fund berichtete, konnte mit den Leuten. Er kannte Hinz und Kunz, war viel zu Fuß in der Stadt unterwegs, wusste, wo Gebäude abgebrochen wurden und möglicherweise Interessantes zutage treten könnte. Viele Kornwestheimer vertrauten ihm Dinge an, die sie sonst niemandem gegeben hätten. Und so gelangte er – und damit der Verein für Geschichte und Heimatpflege, bei dem von Anfang an emsig mitmischte – an Kornwestheimer Erinnerungen, die sonst oft auf dem Abfallhaufen der Ortsgeschichte gelandet wären. Besonders schlug Hermann Wagners Herz für das Salamander-Maskottchen Lurchi. Vom Sammelfigürchen übers Kostüm bis hin zum Glücksrad oder Karussell: Wagner trug alles zusammen, dessen er habhaft werden konnte, und stellte es mit einem anderen harten Kern von Engagierten im Sprecher-Haus aus, in dem der Geschichtsverein auf mehreren Stockwerken seine Schätze aufbewahrte und in einer Ausstellung zeigte. Auch ikonische Werbeplakate von Grafiker-Stars wie Ernst Deutsch oder Otto Glaser zählten dazu.

Generationen von Besuchern, von Schulklassen über Delegationen bis hin zu Goldene-Konfirmation-Gruppe, führte Wagner durch die Sammlung, die mit vielem mehr bestückt war als mit Salamander-Devotionalien. Etwa mit Objekten zu Philipp Matthäus Hahn oder zu dem von der Landwirtschaft geprägten „Alten Dorf“ – dem historischen Kern Kornwestheims, der nicht im heutigen Zentrum der Stadt liegt. Die stadtgeschichtliche Sammlung platzte irgendwann schier aus den Nähten, ein weiteres Depot in einer nahen Scheuer barg Hunderte landwirtschaftliche Gerätschaften aus alten Zeiten. Es war aber nicht nur die Sammlung, der sich Wagner verschrieben hatte. Ob er nun eine römische Wasserleitung ausbuddelte, ob er den im 17. Jahrhundert eröffneten Alten Friedhof mit seinen verwitterten Grabsteinen und Torbögen hegte oder bei Stadtführungen seine Lieblingsecken zeigte: Wenn es um die Historie Kornwestheims ging, war der für seine Anekdotenerzählkünste bekannte Wagner tatkräftig im Einsatz.

Für seine Anekdoten war Wagner bekannt

Ziel und Hoffnung des Geschichtsvereins und Wagners: Dass die riesige Sammlung irgendeinmal Basis eines stadtgeschichtlichen Museums wird. 2018 schenkte der Verein der Stadt Kornwestheim die Sammlung – sie konnte nicht mehr im zum Abriss bestimmten Sprecher-Haus bleiben, ein Stück weit wuchs sie Hermann Wagner in ihrer Fülle wohl auch über den Kopf. Seitdem lagert sie in der früheren Bücherei. Dort wird sie inventarisiert. Manches der zigtausend Objekte wird nicht überdauern. Ob der Traum vom eigenen Museum noch einmal wahr werden wird, wird Hermann Wagner nicht mehr erleben: Vergangene Woche ist der Tausendsassa der Kornwestheimer Lokalgeschichte mit 85 Jahren gestorben.