Renate Krispin ist mit der Heimatmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet worden. Sie ist die erste Geehrte, deren Wurzeln im Kulturkreis der Banater Schwaben liegen.
Im Alter von 13 Jahren kam Renate Krispin 1976 zusammen mit ihren Eltern aus Rumänien nach Deutschland, und zwar nach Wendlingen. Zwei Jahre später verlieh das Land Baden-Württemberg erstmals die Heimatmedaille. Mit dieser Auszeichnung werden Menschen geehrt, die sich besonders um Heimat- und Brauchtumspflege des Landes verdient gemacht haben.
Jetzt hat auch Renate Krispin die Heimatmedaille erhalten – als erste Preisträgerin, die dem Kulturkreis der Banater Schwaben entstammt. Bei den Landesfesttagen in Neresheim wurde sie zusammen mit neun weiteren Menschen aus Baden-Württemberg von Petra Olschowski, der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, ausgezeichnet.
1988 hat Renate Krispin zusammen mit Theresia Teichert in Wendlingen die Trachtengruppe der Banater Schwaben im Kreisverband Esslingen gegründet. Als langjährige Leiterin koordiniert sie seitdem die Kinder-, die Jugend und die Erwachsenengruppe der Banater Schwaben, ist mit federführend bei zahlreichen Auftritten der Tanzgruppen im In- und Ausland, betreut ausländische Gruppen und kümmert sich obendrein um die Trachten- und Brauchtumspflege sowie um die originalgetreue Trachtenanfertigung.
Im Mittelpunkt zu stehen, ist Renate Krispin indes eher unangenehm. „Ich finde es toll, dass unsere Arbeit ausgezeichnet wird. Aber ich hatte auch immer wieder großes Glück, dass ich Menschen gefunden habe, die mir helfen“, betont die 61-Jährige. Neben ihren vielen Aufgaben steht sie zusätzlich seit 24 Jahren jeden Freitag im Vereinsraum der Wendlinger Gartenschule und kümmert sich um die Kindergruppe der Banater Schwaben. Derzeit sind es 18 Kinder, die mit Begeisterung die traditionellen Volkstänze lernen. „Wir sind offen für alle Nationalitäten“, betont Krispin. So sind beispielsweise auch türkisch-, russisch oder ukrainischstämmige Kinder dabei. Gesprochen wird dabei deutsch, was vor allem den ausländischen Kindern hilft, sich einzuleben. „Tanzen ist Integrationsarbeit“, davon ist Krispin überzeugt. „Als ich damals nach Deutschland gekommen bin, hätte ich mir so ein Angebot gewünscht.“
Natürlich seien es meist die Mädchen, die zum Tanzen kämen, aber es gebe immer wieder Überraschungen – auch bei den Älteren: Etwa, wenn die Banater Schwaben am kommenden Wochenende wieder beim Cannstatter Volksfestumzug mitlaufen – da lassen sich auch die Männer nicht lumpen und werfen sich stolz in die Tracht. „Je älter unsere Gruppen werden, desto mehr setzen sie sich mit dem geschichtlichen Hintergrund auseinander. Das ist das Schöne dabei“, erzählt Krispin. Häufig sei der konkrete Auslöser eine der vielen Auslandstourneen, auf denen auch Heimatmuseen besucht würden. „Dann fangen viele an, darüber nachzudenken, wo sie eigentlich herkommen.“
Wie wichtig diese Arbeit ist, betonte auch Petra Olschowski in ihrer Laudatio: „In seiner Heimat verortet zu sein, ist ein großes Glück. Es bringt auch Verantwortung mit sich, die die Bürgerinnen und Bürger, die mit der Heimatmedaille ausgezeichnet werden, dank ihres Engagements in vorbildlicher Weise tragen. Sie sind Botschafter eines Gefühls, einer Erinnerung, einer Sehnsucht oder Haltung und bringen uns den Begriff Heimat in seiner schönsten Bedeutung näher. Sie schaffen Orte, Begegnungsräume, Dialogmöglichkeiten, sorgen für Verständnis von historischen Strukturen und Prozessen der Gegenwart. So stärken sie auch den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“
Ihr Engagement, für das sie bereits 2016 mit der Ehrennadel des Arbeitskreises Heimatpflege ausgezeichnet worden war, ist Renate Krispin wichtig: „Ich bin überzeugt, dass das Ehrenamt unsere Gesellschaft trägt, und habe das Glück, dass es hier in Wendlingen gut funktioniert.“ Ans Aufhören denkt die Mutter zweier erwachsener Söhne noch lange nicht: „Dafür lasse ich mich jedes Mal aufs Neue zu sehr von der Begeisterung der Kinder und Jugendlichen anstecken.“
Die Banater Schwaben
Historie
Die historische Region Banat liegt länderübergreifend im Grenzgebiet zwischen Ungarn, Rumänien und Serbien. Auf Anweisung des habsburgischen Reichs wurden die Vorfahren der heutigen Banater Schwaben im 18. Jahrhundert aus dem gesamten süddeutschen Raum, dem Elsass und aus Lothringen dorthin umgesiedelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg litt die Bevölkerung im Banat zunehmend unter staatlichen Repressalien. Viele wanderten aus.
Neue Heimat
Die Banater Schwaben gingen überwiegend nach Deutschland und Österreich. Sie werden in Deutschland durch die Landsmannschaft der Banater Schwaben und den Verband der Banater Schwaben in Österreich vertreten. Die Dachverbände gliedern sich in unzählige Ortsgemeinschaften, die sich der Pflege des Brauchtums und ihrer Mundart widmen und die wenigen in Rumänien Verbliebenen ideell und finanziell unterstützen.