Denise Herrmann hat in dieser Saison einige Probleme am Schießstand, von denen man glaubte, sie seien ausgeräumt. Foto: imago/Christian Heilwagen

Die deutschen Biathletinnen kommen in dieser Saison nicht richtig in Schuss, beim Heimweltcup in Ruhpolding ist noch ein Olympiaticket zu vergeben. Die Frage lautet: Wer bekommt es?

Stuttgart - Es gab schon kunterbunte Tage in der Chiemgau-Arena in Ruhpolding. Bei der WM vor zehn Jahren etwa, als Magdalena Neuner im Sprint Weltmeisterin wurde und mit der Staffel den Titel holte. Oder im Weltcup, als oft Schwarz-Rot-Gold bei einer Siegehrung gehisst wurde. Franziska Preuß feierte 2019 ein paar Kilometer talaufwärts ihrer Wahlheimat nach langer Verletzungspause ihren ersten Weltcupsieg im Einzel, 2020 stand Benedikt Doll nach Platz drei im Sprint auf dem Podium. Doch wenn die Weltelite an diesem Mittwoch (14.30 Uhr/ZDF) mit dem Sprint der Frauen startet, könnte es passieren, dass die Deutschlandflagge bis Sonntag nicht einmal das Tageslicht erblickt.

In dieser Saison erscheinen die deutschen Skijäger seltener auf dem Podest als der Vollmond am bayerischen Nachthimmel seit Ende November – nur zweimal war dies der Fall: Denise Herrmann wurde Dritte im Einzel von Östersund, Johannes Kühn triumphierte im Sprint in Hochfilzen. Zwei Stockerlplätze in 28 Rennen. Zum Vergleich: 23 mal grüßten Franzosen auf dem Podest, 21 mal Norweger, 17 mal Schweden, und selbst Bulgarien (5) und Belarus (3) stehen vor den Winterspielen (4. bis 20. Februar) besser da als die einstige Biathlon-Großmacht Deutschland.

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Bernd Eisenbichler kennt die Zahlen, die Flinte in den Schnee zu werfen kommt für den Sportlichen Leiter Biathlon im Deutschen Skiverband (DSV) nicht infrage – er trennt im Zwischenfazit aber zwischen den Geschlechtern. Die Männer sind aus seiner Sicht gut in Schuss, „wir hatten einige starke Platzierungen, oft waren wir in Schlagdistanz zum Podium“, weil auch die Leistungen in der Loipe gut gewesen seien. Die Vorstellungen der Frauen beschreibt Eisenbichler dagegen mit dem Wort „zäh“, lediglich Vanessa Voigt, frisch ins Weltcupteam aufgerückt, macht die Ausnahme. Die 24-Jährige liefert Resultate ab, die man von einer Neueinsteigerin erwarten darf. Fünfmal kam sie unter die Top 15, die Schießleistung liegt bei respektablen 90 Prozent, nur auf der Strecke ist noch Luft nach oben. „Sie ist sehr konstant, großes Lob“, sagt Eisenbichler.

Die Arrivierten dagegen kommen so mühevoll voran wie ein Hund auf dem Eis. Denise Herrmann verlor nach gutem Auftakt ihre über Jahre schwer erarbeitete Sicherheit am Schießstand, achtmal ballerte die Ex-Weltmeisterin zuletzt in Oberhof im Verfolger daneben. Die 33-Jährige mag Sinnbild für ihre Kolleginnen sein. „Die Frauen müssen eine bessere Balance beim Schießen finden“, betont der Sportdirektor, „zwischen dem unbedingten Treffen-Wollen und der nötigen Lockerheit.“ Die Konkurrenz ist stehend wie liegend zielgenauer und vor allem fixer. Und die einstige Frontfrau Franziska Preuß fehlt.

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Die Bayerin hatte sich beim Treppensteigen in Frankreich eine Fußverletzung zugezogen, danach infizierte sie sich mit Corona – nun kämpft sie um die Rückkehr. Der Start bei Olympia ist noch in Reichweite. Bei den Männern haben Kühn, Roman Rees, Philipp Nawrath, Erik Lesser und Benedikt Doll die Norm erfüllt, bei den Frauen sind es Vanessa Hinz, Voigt, Herrmann und Preuß. Bei den Frauen ist noch ein Ticket frei, bei den Männern unter Umständen auch noch eines, wenn die DSV-Biathleten in der Weltrangliste vor Schweden bleiben. Die drei ersten Nationen erhalten sechs Startplätze.

In Ruhpolding könnten Franziska Hildebrand, Weltcupdebütantin Hanna Kebinger, Marion Wiesensarter (früher Deigendesch) sowie David Zobel das Ticket nach Peking ergattern – sie müssen dafür einmal unter den besten acht oder zweimal unter den Top 15 ankommen. Aber selbst, wenn es einen deutschen Heimsieg geben sollte, werden es keine bunten Tage in der Chiemgau-Arena. Die Fans müssen wegen Corona drunten im Tal in Ruhpolding bleiben.