Fährt Lastenrad statt Dienstwagen: der Heidelberger Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain. Foto: privat

Stuttgart hat bisher keinen eigenen Klimabürgermeister – obwohl einige sich das wünschen. Heidelberg dagegen hat seit vier Jahren Raoul Schmidt-Lamontain. Klappt es dadurch dort besser mit dem Klimaschutz?

In Stuttgart ist der Umwelt- und Klimaschutz auf mehrere Referate und Ämter verteilt. Heidelberg hat unterdessen 2020 einen eigenen Bürgermeister für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität eingeführt. Geht dadurch in Heidelberg mehr voran?

Herr Schmidt-Lamontain, wie wurde 2020 entschieden, dass es in Heidelberg einen Bürgermeister für Klimaschutz braucht?

Bis 2020 galt Klimaschutz in Heidelberg als Querschnittsthema, weshalb die Aufgaben über mehrere Dezernate verteilt waren. Dadurch hat teilweise der Hochdruck gefehlt, wenn die Bürgermeister andere große Themen in ihrer Zuständigkeit hatten. Man wollte dann mehr Geschwindigkeit aufnehmen und Verbindlichkeit reinbringen beim Klimaschutz.

Heidelberg war die zweite Stadt deutschlandweit, die einen Klimabürgermeister etablierte. Foto: Imago/Karl-Heinz Spremberg

Sie waren der zweite Klimaschutz-Bürgermeister in ganz Deutschland  . . .

Genau, Würzburg hatte kurz vor Heidelberg einen etabliert. Mit Martin Heilig hatte ich zu Beginn auch Kontakt.

Könnte Stuttgart etwas von Heidelberg lernen, also haben die Themen Klimaschutz, Umwelt und Mobilität durch Ihre Position mehr Schwung bekommen?

Auch vorher gab es in Heidelberg schon ein großes Bewusstsein für Klimaschutz-Themen. Aber ich habe die Kraft und Zeit, mich manchen Dingen verstärkt anzunehmen und diese voranzutreiben – wie etwa einer Fluss-Wärmepumpe oder der Standortsuche für Windenergie.

Wie sieht ein typischer Tag eines Bürgermeisters für Klimaschutz aus – fahren Sie überall mit dem Fahrrad hin?

Manchmal bin ich fast nur im Büro, habe Meetings und Videokonferenzen. Dazu kommen Gremien-, Ausschuss-, Aufsichtsrats- und Fraktionssitzungen, Bürgerbeteiligungsveranstaltungen oder Vorträge – oft abends. Hin und wieder werde ich aufgrund meines Titels zu Konferenzen eingeladen, wo ich sprechen soll. Und tatsächlich habe ich mich gegen einen Dienstwagen entschieden und für ein Dienst-Lastenrad. Damit mache ich in der Stadt alle Termine – und kann unterwegs auch noch Getränke und Lebensmittel für die Familie mitbringen. Nach Mannheim fahre ich mit der S-Bahn, nach Stuttgart und generell innerhalb Deutschlands nutze ich die Deutsche Bahn. Es kam bisher erst einige wenige Male vor, dass ich irgendwo hinfliegen musste.

Heidelberg will bereits in sechs Jahren, also 2030, klimaneutral sein. Wird das klappen?

In manchen Bereichen werden wir es wohl schaffen bis 2030, in anderen ist es schwieriger. Das wussten wir aber bereits bei Beschlussfassung. Wir haben 2022 bei einem Programm der EU teilgenommen, bei dem 100 Städte in Europa ausgewählt wurden, die sich dieses Ziel bis 2030 setzen. Heidelberg und Mannheim wurde angenommen – und in beiden Städten war klar, dass das Ziel sehr ambitioniert ist. Unser Beschluss lautet: Wir wollen es in all jenen Bereichen versuchen, die wir beeinflussen können. Eine vollständige Klimaneutralität wollen wir bis 2040 erreichen – dazu gehört dann auch die klimaneutrale Wärmeversorgung von Privathaushalten. Um den Bürgern diesen Pfad transparent zu machen, nutzen wir das Onlinetool ClimateView. Dort kann jeder genau sehen, was beim Klimaschutz wie viel bringt und wo wir momentan stehen.

Zur Person

Architekt
Raoul Schmidt-Lamontain (47) wurde 1976 in Hannover geboren. Zunächst studierte er Architektur auf Diplom, danach arbeitete er als Koordinator und Planer für Stadterneuerung bei der Stadt Hannover. Zwischen 2006 und 2010 war er Mitinhaber des Planungsbüros „Urban Agency“ in Hannover. 2015 wechselte er zur Stadt Dresden und war dort Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften sowie dritter Bürgermeister. Seit Oktober 2020 ist er Bürgermeister für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität in Heidelberg. (jub)