Der Dozent Rolf Schmidt (rechts) erläutert der leitenden Schulamtsdirektorin Corina Schimitzek, der Schulleiterin Ulrike Pisching und dem Bürgermeister Ingo Hacker (von links) einen Versuchsaufbau für die Hector Core Courses. Foto: Tim Kirstein

In den Grundschulen in Neuhausen soll es für besonders talentierte Kinder künftig während der Ganztageszeiten Kurse der Hector-Kinderakademie geben.

Die Schullandschaft in Neuhausen hat sich in den vergangenen Jahren verändert. 2017 wurde der Bau einer neuen Grundschule zur Entlastung der Mozartschule beschlossen. Kurz nach ihrer Fertigstellung 2023 wurde aus der neuen Anton-Walter-Grundschule und der Friedrich-Schiller-Gesamtschule in diesem Jahr die Schule am Egelsee. Doch auch die Situation der Eltern habe sich verändert, sagt Neuhausens Bürgermeister Ingo Hacker. Gerade bei der Kinderbetreuung würden die Kommunen immer stärker in die Verantwortung genommen, an der Schule am Egelsee sowie an der Mozartschule gebe es seit einigen Jahren deshalb auch Ganztagesangebote.

Raus aus dem Eltern-Dilemma

Nach längeren Überlegungen sei nun der Entschluss gefolgt, neben dem regulären Betreuungsangebot der Ganztagesschule auch sogenannte Hector Core Courses anzubieten. „Es geht darum, talentierten Kindern zusätzliche Unterstützung und Förderung zu geben, die so nicht in der Schullandschaft abgebildet werden kann“, sagt Hacker. Das Schulamt Nürtingen sei eines der wenigen in der Region, die eine Hector-Kinderakademie haben, sagt die leitende Schulamtsdirektorin Corina Schimitzek. Momentan müssten jedoch viele Eltern mit ihren Kindern lange Strecken auf sich nehmen, um zu einem der Kurse zu gelangen. „Wenn wir im Ganztag drin sind, kommen wir ein Stück weit aus dem Eltern-Dilemma raus“, sagt Schimitzek. Die Kinder seien schließlich sowieso bis zum Ende der Betreuungszeit in der Schule.

Auch für die Bildungsgerechtigkeit sei es ein wichtiger Schritt, fügt Dominik Kesenheimer, Konrektor der Schule am Egelsee, hinzu. „Es gibt auch Eltern, die es sich nicht leisten können, ihre Kinder nachmittags herumzufahren“, sagt er. Die Kurse an den beiden Grundschulen sollen nach den Herbstferien beginnen. Die Schulen stellen hierfür eigene Räume bereit. Der Fokus der Kurse liege darauf, ein zusätzliches Angebot zur Schule zu bieten, sagt Katrin Kunz. Die Doktorandin an der Universität Tübingen begleitet das Projekt und war an der Erarbeitung der Kurse und der Inhalte beteiligt. Insgesamt fließt in jedes Angebot etwa ein Jahr Entwicklungszeit. „Dann schauen wir erstmal mit Kindern, ob der Kurs so funktioniert“, sagt sie. In begleitenden Studien würden Faktoren wie Wirksamkeit oder Skalierbarkeit des Kurses betrachtet. „Diese hohen Qualitätsstandards machen die Kurse so besonders“, sagt Kunz.

Es geht um Kenntnisse über Algorithmen und Automaten

Die Kursinhalte bei Hector gehen von Naturwissenschaften wie Chemie oder Physik über Informatik bis hin zum Komponieren von Musikstücken. In der Schule am Egelsee wird es künftig Kurse zum Thema Informatik geben. „In der Grundschule ist dieses Feld in Baden-Württemberg bislang kein Thema“, so Kunz. Die Kinder sollen in Kursen wie beispielsweise „Planeten der Informatik“ durch Bastelarbeit erste Kenntnisse über Algorithmen und Automaten erlernen.

An der Mozartschule wird Dozent Rolf Schmidt Kurse für Chemie- und Physikbegeisterte anbieten. „Im Pneumatik-Kurs arbeiten wir mit Druckluft“, erklärt Rolf Schmidt. Nach und nach sollen die Kinder die einzelnen Elemente verstehen und nutzen. „So geht es dann immer weiter, bis man eine komplexe Schaltung hat“, sagt Schmidt. Die Kurse würden oft zu interessanten Gesprächen führen. „Es ist auch eine Gelegenheit für die, die bereits ein sehr gutes Wissen haben, sich auszutauschen“, erklärt er.

Die Termine sollen noch angepasst werden

Die Kurse werden in Kleingruppen durchgeführt. Teilweise gebe es bis zu 75 Anmeldungen auf zehn Plätze, sagt Ingar Oppermann, Geschäftsführerin der Kinderakademie. Die Teilnehmer werden zuvor im Laufe des ersten Schuljahres von ihren Lehrern für das Programm nominiert. „Etwa zehn Prozent der Klassen passen in das Raster“, sagt Oppermann. Unter ihnen seien oft auch hochbegabte Kinder. Die Teilnehmer an den Neuhausener Schulen stehen bereits fest.

Jeder der Hector-Kurse besteht aus bis zu zehn Terminen. „In diesem Schuljahr wird es drei davon geben“, sagt Ulrike Pisching, Schulleiterin der Schule am Egelsee. „Das ist noch die große Stellschraube“, sagt Oppermann. Dauer und Termine seien mit dem Schuljahr noch nicht ganz kompatibel und müssten gegebenenfalls noch angepasst werden. „Ich bin froh, dass wir hier starten“, sagt Schimitzek. Das Projekt „Hector-Kinderakademie im Ganztag“ sei modellhaft für den gesamten Landkreis. Künftig könne es als wertvolles Zusatzangebot auch in anderen Gemeinden platziert werden.

Kurse an 69 Standorten

Kinderakademie
Im Landkreis Esslingen gibt es insgesamt 69 Standorte der Hector-Kinderakademie. Normalerweise finden die Kurse in den Räumlichkeiten der Partner wie Volkshochschulen, Unternehmen oder Schulen statt. Über 1400 Kinder nehmen im Landkreis an Kursen der Kinderakademie teil, sagt Ingar Oppermann.

Dozenten
Bei der Einstellung von Dozenten für die Kurse werde vor allem auf Qualifikation und Erfahrung geachtet, sagt Oppermann. Personen ohne vorherige Pädagogikerfahrung können an Grundkursen teilnehmen, um die Qualifikationen zu erhalten.

Neubau
Das Gebäude der Anton-Walter-Grundschule erhielt dieses Jahr den Preis für „Beispielhaftes Bauen im Landkreis Esslingen“. 30 Millionen Euro hatte die Gemeinde in den Neubau mit Mensa investiert. Nachdem es jedoch keine Bewerber für das Rektorat gab, wurde kurz nach der Einweihung bereits der Schulverbund mit der Friedrich-Schiller-Schule beschlossen.