Wie das Miteinander zwischen Israelis und Arabern klappt, zeigten Theatermacher aus beiden Kulturen in Esslingen mit ihrer Fassung von Shakespeares „Romeo und Julia“.
Metallbarrikaden trennen die verfeindeten Familien Montague und Capulet in Dori Engels Inszenierung von William Shakespeares Klassiker „Romeo und Julia.“ Mit dem arabisch-hebräischen Theater aus Tel Aviv-Jaffa liest der israelische Künstler die Tragödie aus dem 16. Jahrhundert. „Das Stück trifft in vieler Hinsicht unsere Lebenswirklichkeit“, sagte der israelische Regisseur beim Publikumsgespräch zum Gastspiel im Podium der Esslinger Landesbühne. „Arabisch-israelische Paare gibt es, doch sie haben es im Leben sehr viel schwerer.“
Der 80-jährige Volkmar Clauß, früher Intendant an verschiedenen deutschen Theatern wie Heidelberg und Ulm, pflegt seit Jahren Kontakte mit Bühnen in Israel. Mit Mitteln des Goethe-Instituts und der Landeskulturstiftung hat er die Gruppe nach Esslingen geholt. Das Gastspiel kam durch die Kontakte mit WLB-Intendant Friedrich Schirmer zustande. Nun war es am Rande des Festivals „Theaterwelten“ zu sehen.
Das Miteinander klappt
Im Theateralltag der arabisch-hebräischen Gruppe klappt das Miteinander. „Doch sowohl von arabischer als auch von israelischer Seite werden wir angefeindet“, sagte Eran Boehm, der Julias Vater Capulet spielt, im Gespräch mit dem Publikum. Die Barrieren in den Köpfen einzureißen, das sei schwer, bestätigt auch sein arabischer Kollege Mohammed Kundus. Der Darsteller des jungen Liebenden Romeo leitet eine zweisprachige Schule. „Viele meiner Schüler und Pädagogen haben die Vorstellungen gesehen.“ Doch dass der Staat solche Projekte fördert, das hält er für schwer vorstellbar. „Könnten Sie sich vorstellen, mit einem arabischen Mann zusammen zu sein?“ fragte eine Zuschauerin Adi Lev, die Darstellerin der Julia. Für die junge Israelin wäre das gut vorstellbar. Als sie ihre Mutter auf dieses Thema angesprochen habe, habe die ihr aber gesagt, dass sie nicht wolle, dass es die Tochter später im Leben so schwer hat. „Das hat mich traurig gemacht“, sagt Adi Lev. Solche Vorurteile auch in ihrer eigenen Familie zu spüren, findet die junge Frau erschreckend.
Junge Menschen zum Umdenken bewegen
Nicht nur vor Erwachsenen spielte das arabisch-israelische Ensemble, auch eine Schülervorstellung stand am Freitag auf dem Plan. Geschichte so hautnah zu erleben, das war für die Jugendlichen im Publikum spannend. Regisseur Dori Engel hofft, „dass wir mit der Inszenierung viele junge Menschen erreichen“. Sie zum Umdenken zu bewegen, führe vielleicht langfristig dazu, dass die verfeindeten Nationen einander wieder auf Augenhöhe begegnen.
Wichtig war es dem Regisseur, dem Publikum „die Situation so zu zeigen, wie sie ist“. Das zeigt sich schon in der Konzeption der Rollen. Die Familie Capulet ist mit Ensemblemitgliedern aus Israel besetzt. Sie machen aus ihrer sozialen Überlegenheit keinen Hehl. Die Palästinenser haben weniger Besitz. Das spiegelt sich in den Kostümen von Frida Shoham, die auch das schlichte Bühnenbild mit den Barrikaden geschaffen hat.
Um die unüberbrückbaren Differenzen zu zeigen, sprechen die Spielerinnen und Spieler jeweils ihre eigene Sprache. In seiner Bühnenfassung beschönigt Engel die Wirklichkeit nicht, legt die Gräben zwischen den Menschen schonungslos offen. Immer schlägt die nackte Gewalt durch.
Das Festival Theaterwelten geht am Wochenende an unterschiedlichen Spielorten weiter: https://theaterwelten.info/