Für erhitzte Gemüter sorgt der Bundestagswahlkampf nicht nur in Berlin, sondern auch im Wernauer Gemeinderat. Bürgermeisterin Christiane Krieger hat jetzt die Veröffentlichung der Haushaltsreden im Amtsblatt verhindert – und sich damit gegen die Räte gestellt. Das sind die Hintergründe.
Der Bundestagswahlkampf kollidiert mit der Wernauer Haushaltsdebatte. Denn während die Ratsfraktionen wie gewohnt ihre Haushaltsreden im Amtsblatt veröffentlichen möchten, warnte Bürgermeisterin Christiane Krieger vor einem Verstoß gegen die Neutralitätspflicht vor Wahlen: eine solche Veröffentlichung sei während der „Karenzzeit“ nicht erlaubt. Es ist allerdings nicht gesetzlich geregelt, wie lange diese Sperrzeit dauert. Häufig setzen Gemeinden sie auf drei Monate an. Die Fraktionen wollten sie diesmal auf drei Wochen verkürzen, um ihre Reden im aktuellen Amtsblatt zu publizieren, und stimmten allesamt für einen entsprechenden Antrag. In der Konsequenz habe sie dem Beschluss widersprechen müssen und das den Fraktionen am Tag nach der Sitzung mitgeteilt, erklärt die Bürgermeisterin auf unsere Nachfrage. Folglich werden die Reden bis zu einer erneuten Beschlussfassung nicht veröffentlicht.
Darüber hinaus stimmte das Gremium gemäß einem Antrag der Bürgerliste (BL) mehrheitlich dafür, im Amtsblatt wieder über Diskussionen im Gemeinderat zu berichten, wenigstens über ein Thema pro Sitzung. Denn gedruckte Informationen seien für all jene, die weder gut zu Fuß noch digital unterwegs seien, sehr wichtig.
Neuer Standort für St. Lukas?
Im Hinblick auf ein neues Pflegeheim wird womöglich eine Extra-Runde mit neuen Untersuchungen eingelegt. Das bestehende St. Lukas darf nur noch mit Ausnahmegenehmigung bis Sommer 2027 betrieben werden, der Neubau einer Einrichtung auf dem Katzenstein hat sich zerschlagen, weil der Investor ausstieg. Nun forderte die BL, erneut nach einem Standort nahe St. Lukas Ausschau zu halten. Das sei schon vor Jahren geprüft worden, erinnerte die Bürgermeisterin, sie sehe dort kein verfügbares Grundstück und der Gemeinderat habe sich doch bei seiner Klausurtagung auf ein anderes Vorgehen geeinigt. Sie fand kein Gehör, der Antrag wurde mehrheitlich beschlossen, trotz der Gegenstimmen der CDU, die sich zum Standort Katzenstein bekannte, und der Freien Wähler, die befürchteten, „dass uns die Zeit davonläuft“, so Alfred Freistädter (FW). Der Verwaltung sei allerdings nicht klar, was genau nun ihr Arbeitsauftrag sei, so die Bürgermeisterin im Nachgang gegenüber unserer Zeitung. Sie werde das noch mit dem Gemeinderat klären.
Eine geplante Hausmeisterstelle für Flüchtlingsunterkünfte und andere städtische Liegenschaften, wird auf Antrag der BL auf drei Jahre befristet – auch wenn das nicht gerade die Chancen verbessere, sie zu besetzen, wie Krieger anmerkte. Ob Poller an den Zufahrten zum Stadtplatz angebracht werden (Antrag BL) soll geprüft werden, sobald geklärt ist, was das kostet und was es für den Lieferverkehr bedeutet. Ähnliches gilt für eine erweiterte Weihnachtsbeleuchtung, die die BL ansprach: so wie jüngst sei es vielen Bürgern doch zu wenig. Die Neugestaltung der Bahnhofsunterführung, von den Jungen Bürgern (JB) beantragt, plant die Bahn mit Unterstützung der Stadt ohnehin; sie war im Juni bereits Thema im Gemeinderat. Neue Informationen dazu gebe es zurzeit noch nicht, so Krieger.
Grüne legen Bebauung grundsätzlich ab
Was tun gegen die finanzielle Not? Während die CDU sich klar fürs neue Gewerbegebiet im Neckartal aussprach, um Mehreinnahmen zu generieren, lehnen die Grünen eine Bebauung an dieser Stelle „grundsätzlich ab“. Einig waren sich alle, dass ein anderes System zur Finanzierung der Gemeinden in Deutschland notwendig ist – und dass diese nicht immer mehr Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich übernehmen können.
Freie Wähler fordern Sparmaßnahmen
Solange sich diese Grundlage nicht ändere, „können wir hier im Prinzip alles abschaffen, was Wernau ausmacht, und werden keinen ausgeglichenen Haushalt hinkriegen“, stellte Christiane Krieger fest. Die Freien Wähler heben trotzdem auf Sparmaßnahmen ab und die Mehrheit im Gremium stimmte ihrem Antrag für ein „Konzept zur Ausgabenminderung“ zu. Die BL will konkret die Kostendeckung beziehungsweise die Eintrittspreise in der Wellness-Landschaft anschauen.
Mehrheit sieht Schulden als Hypothek für künftige Generationen
Man müsse sich auf die Pflichtaufgaben konzentrieren, betonten SPD, FW, CDU und Grüne und nannten Kindergarten-Sanierungen, den Ausbau zur Ganztagsschule oder auch den Campus Katzenstein mit der Verlegung des Jugendhauses Kiwi – wobei letzteres tatsächlich keine Pflichtaufgabe der Stadt ist. Neue Schulden sehen diese Fraktionen kritisch, sie seien eine Hypothek für nachfolgende Generationen. Worauf der jüngste Haushaltsredner, Matthias Steimer von den Jungen Bürgern, zu einer differenzierteren Betrachtung aufforderte. „Es gibt Momente, in denen Schulden kein reines Problem sind, sondern eine Investition in die Zukunft“, sagte er.
Absage an gestaffelte Kita-Gebühren
Weitere Haushaltsanträge
Angenommen wurden Anträge auf ein neues Konzept für die Vereinsförderung (JB), auf Förderung von Demokratie-Projekten (JB) oder auf mehr Würdigung des Ehrenamts in der Stadt (JB, FW), ebenso der Vorschlag der Grünen, der Initiative „Klimapostive Städte und Gemeinden“ beizutreten. Abgelehnt wurde der Antrag der Freien Wähler, die Kita-Gebühren nach Einkommen zu staffeln.
Haushaltsbeschluss
Im Anschluss an die Debatte hat der Gemeinderat den Haushalt 2025 als Satzung beschlossen. Dagegen stimmte die beiden Vertreter von Grüne/Unabhängige, weil sie das Gewerbegebiet Neckartal III und damit auch die dafür bereitgestellten Planungsgelder ablehnen. Uwe Pfeffer (BL) enthielt sich, weil er den Sperrvermerk für die Planungsrate für eine neue Sporthalle ablehnt, der im Haushalt steht.