Kerzen und Blumen am Ort der Tat.. Foto: Andreas Rosar/Fotoagentur-Stutt - Andreas Rosar/Fotoagentur-Stuttgart

War es eine Psychose, die Ende Juli zur Bluttat im Fasanenhof führte - oder spielte auch ein salafistischer Hintergrund eine wichtige Rolle? Neue Details bergen hohe politische Brisanz.

StuttgartIssa M. ist von Stammheim ins Vollzugskrankenhaus Hohenasperg verlegt worden – wegen „psychischer Auffälligkeiten“, wie es heißt. Für die Ermittler im Mordfall im Stadtteil Fasanenhof ist das vorerst eine Randnotiz. Die Nachforschungen um den grausamen Mord vom 31. Juli, bei dem der Tatverdächtige seinen 36-jährigen Bekannten mit einem Samuraischwert auf offener Straße niedermetzelte, sind weitgehend unter Dach und Fach. Die Beweise sind eindeutig und gesichert, der Mann sitzt.

Doch hinter den Kulissen rumort es. Nicht alle sind mit der bisherigen These zufrieden, dass es sich wohl um eine Tat eines psychisch Kranken gehandelt hatte. Dass die Polizei schon einen Tag nach der Bluttat erklärte, dass es „keinerlei Erkenntnisse auf einen islamistischen oder politischen Hintergrund“ gebe und alles wohl nur im privaten Bereich zu suchen sei – das löst sogar innerhalb der Polizei Widerspruch aus.

Dass Issa M. gar kein 28-jähriger syrischer Flüchtling ist, wie er im Februar 2015 bei seiner Einreise angab, sondern, wie auf seiner Facebook-Seite nachzulesen ist, ein 30 Jahre alter jordanischer Palästinenser aus dem Bereich Irbid, Amman, in Jordanien, ist ein höchst brisanter Punkt. Und er spielt vor allem Asylkritikern in die Karten: „Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt für Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab er an, dass sein Pass sowie sein Personalausweis ins Meer gefallen seien“, antwortet Innenminister Thomas Strobl auf einen Antrag des AfD-Abgeordneten Daniel Rottmann, der unserer Zeitung vorliegt. Die Einträge des Issa M. in den sozialen Netzwerken, in denen der Mann salafistisches Gedankengut verbreitete und seine wahre Herkunft offenbarte, seien „erst nach der Tat bekannt“ geworden.

Identität nicht geklärt

Aus Strobls Angaben geht außerdem hervor, dass die vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin erteilte Aufenthaltserlaubnis nur bis 3. November 2018 gültig war. Danach hätte sein Status eigentlich von den Behörden überprüft werden müssen. Doch dazu kam es nie. Issa M. wohnte von Juni 2018 bis April 2019 in einem Wohnhauskomplex in der Fasanenhofstraße – zusammen mit dem 36-Jährigen, der am Abend des 31. Juli sein Opfer wurde. In seinem Facebook-Auftritt findet sich eine Flut von einschlägigen Bildern und salafistische Äußerungen – doch ein möglicher religiöser Hintergrund spielt offenbar nur eine Nebenrolle in den Ermittlungen der Kripo. Ein psychiatrischer Gutachter soll dem Motiv auf die Spur kommen. Wer Issa M. wirklich ist, bleibt unsicher: Die wahre Identität des Mannes lasse sich „nicht abschließend klären“, sagt Polizeisprecher Johannes Freiherr von Gillhaußen. Weitere Ermittlungen in Jordanien seien nicht vorgesehen, auch „aus diplomatischen Gründen“.

Angesichts der Zusammenarbeit Deutschlands mit Jordanien, wo die Bundeswehr in Al-Asrak sogar ihre Luftwaffe stationiert hat, verwundert diese Aussage freilich. Offenbar erwarten die Mordermittler aber keine weiterführenden Ergebnisse. Wohl auch nicht von der Erforschung der religiösen Hintergründe. In Staatsschutzkreisen wundert man sich. „Das kann man sauber aufbereiten“, sagt einer. Seit wann ist der Betroffene religiös? Wann ist das stärker, fanatischer geworden? Welche Suren zitiert er, spricht er von Ungläubigen?

Oft bleibt nur die Religion als Anker

Die Regionen Irdib und Ajloun, an der Grenze zu Israel gelegen, zählen viele salafistische Aktivisten. Das Umfeld des jordanischen Palästinensers soll auch in Israel aktenkundig sein. Die Leute dort haben eine gewisse Perspektivlosigkeit, trotz Studiums keinen Job. Da gibt es oft nur die Religion als Anker.

„Erkenntnisse zu einer Beteiligung von Issa M. am Jihad des sogenannten Islamischen Staats liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht vor“, stellt Innenminister Strobl fest. Fehlende Erkenntnisse, weil gar nicht nachgeforscht wurde? Das lässt das Innenministerium unbeantwortet. „Die Polizei führt generell eine umfassende Beweiserhebung durch“, sagt Sprecher Renato Gigliotti, „über einzelne Ermittlungsschritte können wir keine Auskunft geben.“

Das Regierungspräsidium Stuttgart prüft die Ausweisung von Issa M., die nach der „zu erwartenden erheblichen strafrechtlichen Verurteilung“ und vor dem Haftende erfolgen soll. Das mit Jordanien müsste dann aber geklärt sein. Das BAMF hat laut Innenminister Strobl den Widerruf des Schutzstatus eingeleitet. Das Bundesamt hätte den Status Ende 2018, nach drei Jahren, ohnehin überprüfen müssen. Theoretisch. Denn die Behörde hat, wie Sprecher Christoph Sander feststellt, bis zum Jahr 2020 insgesamt noch 770 000 Verfahren zu überprüfen.