In der Esslinger Innenstadt führt Carolin Otte eine kleine Goldschmiede mit viel Leidenschaft – trotz Bürokratie und steigenden Anforderungen. Warum sie trotzdem weitermacht.
Zahlreiche Passanten schlendern gemütlich an der Goldschmiede Carolin Otte vorbei. Innen bereiten sich die beiden Inhaberinnen, Carolin Otte und Ulrike Knapp, auf Besuch vor. In der Mitte ihres Ladens befindet sich ein großer Arbeitstisch, übersät von verschiedenen Werkzeugen und Materialien. Vier Arbeitsplätze befinden sich hier gegenüber voneinander. Ein Teil des Tisches ist etwas verkratzt. „Daran arbeitet Frau Knapp seit etwa 30 Jahren“, sagt Otte lachend.„Bis mein Platz so aussieht, brauche ich noch etwas Zeit.“
Vertreter der Handwerkskammer und der Stadt Esslingen wollen den Betrieb an diesem Tag besichtigen, um einige Fragen zu klären. Vielleicht die wichtigste von ihnen: Wie steht es um das Handwerk in Esslingen?
Zwischen Handwerk und Tradition
Otte ist ursprünglich gelernte Bankkauffrau. Erste Berührungspunkte mit dem Goldschmieden bekam sie bei einem Besuch der Stuttgarter Touristik-Messe CMT. Am Messestand der Stadt Pforzheim konnte sie dort einer Goldschmiedin über die Schulter schauen. „Da dachte ich mir nur: Das ist der Beruf, den ich seit 20 Jahren suche“, sagt Otte heute. Also kündigte sie und begann eine neue Ausbildung zur Goldschmiedin in Pforzheim, bevor sie in Esslingen unter Knapp ihre Anschlusslehre begann.
Als ihr früherer Chef 15 Jahre später in Rente ging, beschlossen beide, die Goldschmiede unter neuem Namen weiterzuführen. Des Handwerks und der Tradition wegen, sagt Otte: „Es ist wichtig, dass die Stadt weiterhin eine Anlaufstelle für handgefertigten Schmuck hat.“ Seit 2020 steht die Goldschmiede Carolin Otte nun im 600 Jahre alten Gebäude in der Pliensaustraße.
Bürokratie erstickt das Handwerk
Obwohl das Goldschmieden ihr Traumjob ist, hat Otte bereits mehrmals darüber nachgedacht aufzuhören. Vor den Vertretern der Handwerkskammer sagt sie, es sei für Kleinbetriebe nicht einfach in Deutschland, denn: „Man sagt immer, dass wir in der Bürokratie ersticken. Wir sind bereits erstickt.“ Dass sie das Schmieden nicht bereits aufgegeben habe, sei vor allem der Emotionalität des Berufs geschuldet. Die Gefühle ihrer Kunden, wenn sie ihnen ein einzigartiges Schmuckstück übergebe, oder die Leidenschaft ihrer Kolleginnen würden sie zum Weitermachen motivieren.
Otte verstehe zwar, dass ein bestimmtes Maß an Bürokratie in der Wirtschaft notwendig ist, plädiert aber für eine Veränderung, was Kleinbetriebe angeht: „Es ist ein großes Problem, dass alles stets auf Großbetriebe ausgelegt ist.“ Als Beispiel nennt sie die ständigen Verordnungen. An diese wolle sie sich zwar halten, das sei aber schwer für einen kleinen Betrieb mit drei Mitarbeitern. Sie ist überzeugt, dass viele Kleinbetriebe daran scheitern. „Man hört nur noch: Das ist jetzt Pflicht, sonst gibt es eine Strafe“, erklärt Otte.
Verordnungen kosten viel Zeit und Aufwand
Wenn sie von einer neuen Verordnung erfährt, müsse sie erst recherchieren und überlegen, wie genau ihr Betrieb von dieser betroffen ist. Anschließend müsse sie Änderungen umsetzen und, je nach Verordnung, auch Schulungen besuchen. Hinzu kämen dann noch die ständige Dokumentation und zahlreiche datenschutzrechtliche Angelegenheiten. „Das ist extrem zeitfressend“, sagt Otte und fügt hinzu: „Ich komme nicht mehr zum Goldschmieden.“
Wenn sie selbst nicht weiterweiß, sucht Carolin Otte sich Hilfe bei Rechtsanwälten, Steuerberatern oder der Handwerkskammer. Doch auch das sei nicht einfach. Denn Anwälte und Berater kosten Geld. Und ihre Hilfe ist nicht immer hilfreich. Otte ließ zum Beispiel einen Arbeitsvertrag von einer Rechtsanwältin für Arbeitnehmerrecht erstellen. Als diese bei einer Nachfrage im Urlaub war, ging Otte zur Handwerkskammer. „Da hieß es dann, dass der Vertrag komplett falsch war“, erinnert sie sich.
Klare Formulierungen und Ansprechpartner
Nicht jede Verordnung sei für Kleinbetriebe umsetzbar. Mit der digitalen Arbeitszeiterfassung zum Beispiel hat Otte Probleme. Während große Unternehmen ihre Mitarbeiter digital ein- und ausstempeln lassen, muss Otte die Arbeitszeiten ihrer drei Kollegen händisch digitalisieren lassen: „Denken sie, es gibt eine Software, die das für Betriebe unter fünf Mitarbeitern macht?“
Carolin Otte fordert klare Formulierungen und Ansprechpartner, besonders für Kleinbetriebe. Denn anders als in großen Betrieben, mit gesonderten Rechts- und Finanzabteilungen, übernimmt in ihrer Goldschmiede nur sie administrative Aufgaben. Und das hinterlässt körperliche und psychische Spuren, sagt sie: „Ich bin ein gewissenhafter Mensch und möchte mich an alle Regeln halten. Aber es wird immer mehr und das frisst mich langsam innerlich auf.“
Goldschmiede Carolin Otte
Team
Seit 2020 führen Carolin Otte und Ulrike Knapp die Goldschmiede Carolin Otte. Ergänzt wird ihr Team von Marie Knapp und Julia Cortese.
Goldschmiede
Die Schmiede befindet sich in einem denkmalgeschützten Haus in der Pliensaustraße 2 in Esslingen. Sie vereinbart traditionelle Handwerkskunst mit modernen Trends.