Alina Grijseels führt im deutschen Team Regie und hat auch ihre Qualitäten beim Torabschluss. Foto: Imago//Marco Wolf

Auf Alina Grijseels ruhen im Team der deutschen Handballinnen große Hoffnungen bei der kommenden EM. Die Spielmacherin hat eine rasante Entwicklung hinter sich – musste aber auch einen Schicksalsschlag verkraften.

Alina Grijseels wirkt locker und entspannt. Bei dem virtuellen Medientermin vor der Europameisterschaft sitzt sie im Trainingsanzug vor einer Werbewand des Deutschen Handballbundes (DHB) und gibt bereitwillig Auskunft. Auch Fragen zu der großen Unruhe im Frauenhandball blockt sie nicht ab. „Es ist erschütternd, was passiert ist“, sagt sie zu dem Thema, das der „Spiegel“ mit „Psychoterror im Frauenhandball“ überschrieben hatte. Diese Schlagzeile des Schreckens bezog sich auf ihren ehemaligen Trainer bei Borussia Dortmund. „Ich war persönlich nicht betroffen“, sagt die Spielmacherin, „aber es ist schlimm und muss definitiv aufgearbeitet werden.“

Kleinigkeiten fehlen zur Spitze

Viel mehr will sie dazu nicht sagen – schließlich steht die EM vor der Tür. An diesem Samstag (20.30 Uhr) geht es in Podgorica/Montenegro los gegen die Polinnen. Es folgen die Vorrundenspiele gegen Montenegro (7. November, 18 Uhr) und gegen Spanien (9. November, 20.30 Uhr). Liebend gerne würde Alina Grijseels mit der DHB-Auswahl erstmals nach 15 Jahren wieder um eine Medaille bei einem großen Turnier mitspielen. „Es fehlt nicht viel zu diesem letzten Schritt zur Spitze, es sind Kleinigkeiten“, sagt die 26-Jährige.

Sie ist gemeinsam mit Emily Bölk die Anführerin im Team von Bundestrainer Markus Gaugisch. Beide üben gemeinsam die Rolle der Kapitänin aus. „Wir sind komplett gleichberechtigt, die Zusammenarbeit mit Emi klappt bestens und macht viel Spaß“, sagt die Rechtshänderin. Bölk wird gerne als das „Glamour Girl des deutschen Handballs“ bezeichnet, Grijseels’ Auftritte auf und abseits des Handballfeldes sind eher leiser Art, sie hat auch keine Mama, die Handball-Weltmeisterin war wie Andrea Bölk 1993, sondern einen niederländischen Vater, der in der Randsportart Rollhockey ein Ass war.

Autorität durch Leistung

Die in Wesel am Niederrhein geborene Rückraumspielerin kommt beim Handball ohne Inszenierungen aus, ihr Spiel auf Rückraum-Mitte hat dank ihrer famosen Spielübersicht und Torgefahr an guten Tagen Weltklasseniveau, wirkt immer sachlich. Genauso führt sie auch das Team. Es ist ihre Leistung, die ihr die nötige Autorität verleiht.

Ihr Aufstieg verlief rasant. Innerhalb von vier Jahren schaffte sie es vom Oberligisten TV Aldekerk in die Nationalmannschaft. Im Alter von 21 Jahren debütierte Grijseels im März 2018 in der A-Nationalmannschaft unter dem damaligen Bundestrainer Henk Groener, der künftig in Dortmund ihr Coach sein wird. „Auf Alina ist immer zu 100 Prozent Verlass. Sie ist sehr reflektiert und lebt Handball“, sagt Markus Gaugisch. Überhaupt ist sie ein Sportfreak, schaut neben Handball auch gerne Biathlon, andere Wintersportarten – und Fußball.

Kein Wunder, dass sie sich im Januar 2022 über ein persönliches Glückwunschvideo bei ihrer Vertragsverlängerung bis 2024 von BVB-Nationalspieler Marco Reus („Von Kapitän zu Kapitänin“) besonders freute. Besser dotierte Angebote aus dem Ausland hatte sie abgelehnt. Das Umfeld in Dortmund verlieh ihr Sicherheit, zudem sprach ihr Studium an der TU Dortmund – mit dem Berufsziel Grundschullehrerin – gegen einen Wechsel.

Schicksalsschlag 2021

Alina Grijseels geht ihren Weg. Dabei musste sie auch einen schweren Schicksalsschlag im vergangenen Jahr verkraften. Ihr Lebensgefährte, der Sponsor und Sportlicher Leiter beim BVB war, starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Gut einen Monat nach seinem Tod machte Grijseels dann im Mai 2021 mit ihrem Team den Gewinn der deutschen Meisterschaft perfekt. Tragik und Triumph lagen sehr nah beieinander. Der Handball hat ihr damals sehr geholfen, daraus schöpfte sie Kraft. Sie hielt sich an den durchgetakteten Strukturen fest, die der Alltag einer Profisportlerin mit sich bringt. So konnte sie ihre tiefe Trauer am besten verarbeiten.

Nun aber geht ihr Blick zur EM nach Slowenien, Nordmazedonien und Montenegro. Weitere Fixpunkte danach stehen aber bereits fest. „Die Olympischen Spiele 2024 in Paris zu erreichen sind natürlich ein großes Ziel“, sagt Grijseels. Danach folgt 2025 mit der Heim-WM ein weiteres Highlight. Das Schöne daran: Alina Grijseels, die stille Anführerin, befindet sich dann immer noch im besten Handballalter.