Thorsten Hussfeldts Hände am Haar eines Models Foto: Simon Granville

Welche Frisuren trenden aktuell? 450 Friseurinnen und Friseure lassen sich im Ludwigsburger Forum bei einer opulenten Show von Meistern ihres Fachs inspirieren.

Emine und Thorsten Hussfeldt sind in ihrem Element. Auf einem Laufsteg im Ludwigsburger Forum wirbelt das Friseur-Ehepaar – von Scheinwerferspots angestrahlt und von E-Sounds im Rhythmus gehalten – vor rund 450 Kolleginnen und Kollegen mit Scheren, Kämmen, Sprays, Modellierwachs und Volumencremes um gutaussehende junge Männer herum und verpasst ihnen neue Looks. Lockenmähnen werden umgestylt, aus langem Glatthaar wird lässig-zauseliger Dutt, aus Prinz-Eisenherz-Frisur eine coole Lang-Kurz-Kombi. „Es ist so genial, nach zwei Jahren Stillstand wieder bei Euch zu sein“, ruft Thorsten Hussfeldt. Applaus brandet auf.

Friseurinnen und Friseure aus ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus sind am Dienstag ins Forum gepilgert: Bei der „Glynt Hairfashion Tour“, die zuvor schon in Berlin, Hamburg und Köln Station machte, lassen sie sich von Trendsettern und Visionären aus der Branche inspirieren.

Musik-Bombast und Sektlaune

Die Hussfeldts, die als „Capelli Group“ in einer Jugendstilvilla in der Ludwigsburger Friedrichstraße einen Salon betreiben, zählen dazu: Zusammen mit den angesagten Wiener Frisurkreateuren von Bundy und dem französischen Präzisionsschnittkünstler Pascalain Gianello bestreiten sie im Forum ein zweistündiges Programm, in dem Frisuren- und Stylingtrends eingebettet sind in Musik-Bombast, Sektlaune und eine Show, bei der laszive Models in fantasievollen Kostümen, japanisch angehauchter Unisex-Couture und manchmal auch nur in Negligées den Catwalk entlangstöckeln oder -stapfen. Und bei der am Ende keine Frisur mehr aussieht wie zu Beginn, denn zwischendurch sind immer wieder die Meisterinnen und Meister ihres Fachs am Werk.

Auf zwei Großleinwänden lässt sich bis ins Detail verfolgen, was sie an den Köpfen der Models bewerkstelligen. Da wird im wahrsten Sinn mancher alte Zopf abgeschnitten. Und mancher kunstvoll aufgeschichtete Frisurenturm hat beim Schlingen, Winden, Kneten und Toupieren unter Intensiveinsatz von Stylingprodukten eher die Anmutung von Modelliermasse als von Haar.

„Wir wissen, wer in der Branche einen guten Ruf hat“

Wer bei der Show als Trendsetter auftreten darf? „Wir wissen ja, wer in der Branche einen guten Ruf hat. Mit vielen Salons arbeiten wir schon lange zusammen“, sagt Organisator und Moderator Frank Eulerich vom Haarkosmetikunternehmen Glynt, das die „Hairfashion-Tour“ veranstaltet. Das Unternehmen siedelt sich im höherwertigen Segment an und kommt ursprünglich aus der Dermatologie. „Bei der Tour sollen sich unsere Gäste nach der langen Corona-Abstinenz entspannt zurücklehnen, sich überwältigen und bei einem thematischen Streifzug inspirieren lassen“, sagt Eulerich.

Die Konzepte sind durchaus unterschiedlich. Während Pascalain Gianello findet, „egal was gerade Mode ist: man sollte einer Kundin nicht die Frisur machen, die in Mode ist, sondern die, die das Beste aus ihrem Kopf macht“, kreieren die Hussfeldts jedes Jahr eine neue Kollektion und vereinen nach der Maxime „Living in a Style” Schnitt-, Farb- und Stylingkonzepte mit Mode und Make up als Gesamtpaket. Dieses Jahr mit den Typen „Pure“, „Rebel“ und „Avantgarde“.

Im Lockdown ging mancher Selbstversuch gehörig schief

Auch wenn es die gezeigten Schnitte und Stylings wohl nicht gleich an seiner Kundschaft anwenden wird: Spannend und anregend findet das Publikum den Abend auf jeden Fall. „Manchmal frisst uns der Alltag. Da ist diese Show mit kreativen Leuten, die einen ermutigen, auch mal verrückt zu sein und was zu wagen, motivierend“, sagt Elisabeth Bernhardt, die einen Salon in Ellwangen hat. „Außerdem trifft man Leute. Und für die Kunden ist es interessant, wenn du etwas über so eine Veranstaltung auf deinen Account stellst.“ Silvia Zobel, ebenfalls Saloninhaberin, freut sich, dass bei der Show ihrem Beruf, den sie als Berufung bezeichnet, gehuldigt wird: „Er ist kreativ und abwechslungsreich, ein top Job.“ Dass er viel mehr sei als „ein bisschen Geschnippel“, das habe die Kundschaft spätestens im Lockdown erlebt, sagen die beiden. Denn da seien „ziemlich viele Selbstexperimente ziemlich schief gegangen“.

Corona- und Energiesorgen

Schwierige Lage
 Den Friseur- und Kosmetiksalons im Ländle geht es nicht sonderlich gut: Der Fachkräftemangel habe sich in den Jahren der Pandemie noch stärker bemerkbar gemacht, erklärt der Fachverband Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg. Das Land habe 2019 bis 2021 fast 3000 Beschäftigte in der Beautybranche verloren. Die Azubizahlen sanken im gleichen Zeitraum um 500 junge zukünftige Fachkräfte.

Finanzielle Sorgen
 Die Teuerungsrate, die gestiegenen Energiepreise und zu erwartende Rückzahlungsaufforderungen der Corona-Soforthilfe, die Betriebe an die L-Bank zurückzahlen müssen, obwohl sie mit einem einmaligen Zuschuss gerechnet hatten, machen der Branche zu schaffen. Der Verband fordert eine Deckelung der Energiekostenspirale und die verminderte Umsatzsteuer für die Friseurbranche.