Die Bundesregierung will künftig hartnäckigen Jobverweigerern zeitweise komplett das Bürgergeld streichen. Ist das richtig so? Und: Wie wird das Bürgergeld eigentlich berechnet? Das Wichtigste in Fragen und Antworten.
Es ist ein politisches Thema, mit dem sich Emotionen verbinden wie mit kaum einem anderen: das Bürgergeld. Zum Jahresbeginn ist der Regelsatz um etwa 12 Prozent erhöht worden. Zugleich plant die Bundesregierung, Jobverweigerer mit härteren Sanktionen zu belegen. Ist das gerecht? Ist der Abstand zwischen denen, die arbeiten, und jenen, die von Sozialleistungen leben, groß genug? Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Bürgergeld – und leuchten die Hintergründe aus.
Was plant die Bundesregierung? Wer sich hartnäckig weigert, einen Job anzunehmen, soll härtere Sanktionen fürchten müssen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gibt Jobcentern die Möglichkeit an die Hand, in solchen Fällen das Bürgergeld bis zu zwei Monate komplett zu streichen. Nur Miete und Heizung sollen weitergezahlt werden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Das wäre eine deutliche Veränderung zur bisherigen Rechtslage. Bislang können Sanktionen von höchstens 30 Prozent verhängt werden.
Wäre diese Änderung verfassungsgemäß? Davon ist auszugehen. Denn Heil orientiert sich bei der Regelung, die er nun vorgelegt hat, an den Vorgaben des Verfassungsgerichts. Dieses hat zwar im Prinzip entschieden, dass bei Pflichtverletzungen – das sind in der Praxis oft Terminversäumnisse – eine Kürzung von höchstens 30 Prozent von der existenzsichernden Leistung möglich sein soll. Es machte aber eine Ausnahme: Wenn die Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit abgelehnt wird, ist auch eine Streichung des kompletten Regelsatzes möglich. Die Idee dahinter: Wer eine Arbeit angeboten bekommt, kann sich selbst die menschenwürdige Existenz sichern. „Die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme muss tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden“, ist der Fall im Gesetzentwurf umrissen, den das Bundeskabinett nun auf den Weg gebracht hat.
Ist bereits sicher, dass die Änderung kommt? Hubertus Heils Plan ist Teil des Entwurfs für das Haushaltsfinanzierungsgesetz. Die Änderungen beim Bürgergeld sind ein Teil des Einsparbeitrags, den das Arbeits- und Sozialministerium erbringen muss. Änderungen sind im parlamentarischen Verfahren noch möglich. Sowohl vom linken Flügel der SPD als auch von den Grünen gibt es Kritik. Die FDP steht dagegen an der Seite des sozialdemokratischen Ministers, der das Bürgergeld mit der Änderung wieder aus der öffentlichen Diskussion herausholen will. Die Union und auch die Liberalen hatten in den vergangenen Monaten immer wieder betont, es sei entscheidend, den Abstand zwischen denen, die arbeiten, und jenen, die es nicht tun, zu wahren.
Bleibt der Kern der Bürgergeldreform erhalten – auch wenn es jetzt schärfere Sanktionen geben sollte? Ja. Der Kern der Bürgergeldreform ist die Abschaffung des sogenannten Vermittlungsvorrangs. Das bedeutet: Ein Langzeitarbeitsloser muss nicht zwingend in ein bestehendes Jobangebot vermittelt werden, sondern es kann genauso gut eine Aus- oder Weiterbildung in Betracht kommen. Damit wollte die Ampelkoalition Drehtüreffekte vermeiden: also, dass jemand in einen Job vermittelt wird, aber kurze Zeit später wieder arbeitslos ist. Dieser Ansatz gilt auch weiter. Damit ist auch klar: Die Zahl derer, die von der härtesten Sanktion – also der zeitweisen Streichung des kompletten Bürgergelds – betroffen sein könnten, wird sehr niedrig sein. Denn am Ende bleibt es dabei, dass zunächst lange Anstrengungen unternommen werden, um die richtige Lösung für den Einzelnen zu finden.
Das Bürgergeld ist gerade um 12 Prozent erhöht worden. Wie kommt das zustande? Es ist nicht die Regierung, die jedes Jahr aufs Neue festlegt, wie hoch das Bürgergeld sein soll. Das Bürgergeld wird berechnet. Die Regelsätze werden mithilfe eines Mischindexes fortgeschrieben, der zu 30 Prozent die Entwicklung bei den Löhnen und zu 70 Prozent die Preisentwicklung berücksichtigt. Das war schon zu Zeiten von Hartz IV so. Das Problem dabei: Die Daten zur Preiserhöhung waren teils sehr alt und reichten bis zu eineinhalb Jahre zurück. Ein Zustand, der in der Krise zum Problem wurde – weil der Regelsatz mit den stark steigenden Preisen nicht Schritt hielt. Beim Bürgergeld haben sich Ampel und Union darauf geeinigt, dass in einem zweiten Berechnungsschritt mit den aktuellsten verfügbaren Daten noch einmal nachgesteuert wird. Die CDU kritisiert dieses Verfahren jetzt heftig, auch die FDP stellt es infrage. Zugestimmt haben sie ihm bei der Einführung des Bürgergelds aber alle.
Lohnt sich es sich überhaupt noch zu arbeiten? Regierungspolitiker verweisen stets darauf, dass Geringverdiener, denen kein Bürgergeld zusteht, von anderen staatlichen Leistungen wie etwa dem Kinderzuschlag profitieren können. Dadurch bleibe das Lohnabstandsgebot auf jeden Fall gewahrt. Klar ist: Die Höhe der Sozialleistung ist das eine, die des Mindestlohns das andere. Die Erhöhung auf 12 Euro im Jahr 2022 durch die Ampel war dringend notwendig, ist aber von der Inflation weitgehend aufgefressen worden. Die derzeit festgelegten Erhöhungsschritte sind überschaubar, weil die Arbeitgeber in der Mindestlohnkommission die Gewerkschaften überstimmt haben.