Unsere Landsleute sorgen immer wieder für Begeisterung. Wie Timo Mayer. Der Remstäler produziert in Australien einen Spitzen-Pinot.
Schwaben sind bekanntlich Denker und Tüftler und extrem kosmopolitisch. Kein Wunder also, dass sie auch im hintersten Winkel der Welt ihre Spuren hinterlassen, was mir jedes Mal, wenn ich auf eine stoße, ein warmes Gefühl bereitet. Als mir ein Entwicklungshelfer in Mali stolz seine Spätzlespresse gezeigt hat, zum Beispiel. Oder als ich in Johannesburg in der Schwaben Butchery ein Brötchen mit Fleischsalat gegessen habe. Selbst die, die am Prenzlauer Berg ein Laugabrötle bestellen, bereiten mir Freude.
Noch glücklicher bin ich allerdings, wenn ich aus einem Glas einen Schluck genialen Spätburgunders nehme – und dieser zur Abwechslung nicht aus Württemberg kommt, sondern aus Australien. Timo Mayer macht so einen. Seine Geschichte ist so verrückt, was man ihm selbst auch nachsagt. Verrückt im positiven Sinn. Der schwäbische Kosmopolit ist im vergangenen Jahrtausend vom Remstal aus losgezogen, erst um die Welt, am Ende nach Australien. In Wagga Wagga studierte er Weinbau, arbeitete und lernte in manchen Betrieben – und gründete zur Jahrtausendwende sein eigenes Weingut im Yarra Valley. Zu einer Zeit, in der Australien in erster Linie für seine Wuchtbrummen bekannt war: viel Frucht, viel Alkohol, viel Holz. Timo Mayer gehörte schon früh zu den mutigen Erzeugern, die auf elegantere und spannendere Tropfen setzten. Die Arbeit dafür fängt im Weinberg an, weshalb sich der Winzer selbst auch als „einfachen Bauern“ beschreibt. Sein Markenzeichen beim Ausbau ist die Gärung ganzer Trauben, bei ihm kommt das ganze Gerüst in den Bottich, und dafür braucht es natürlich absolut gesundes Lesegut.
Beim Ausbau in Holzfässern legt der Weinmacher dann besonderen Wert darauf, dass diese nicht zu viel Geschmack abgeben, die Holznote ist wunderbar integriert in das Gesamtbild. Der Wein bietet ein sehr schönes Fruchtaroma mit Sauerkirsche und Johannisbeere, bleibt aber vielschichtig. In der Nase schon eine Offenbarung, im Mund dann eine Explosion. Ein teurer Wein, ja, für den ganz besonderen Moment. Aber auch beste Werbung für die Schwaben.
Das Urteil der Weinrunde:
Holger Gayer Der Wein ist wirklich spannend: ein klassischer Spätburgunder französischer Prägung, tolles Sauerkirscharoma gepaart mit Anklängen von Leder, schlank und trotzdem kräftig.
Kathrin Haasis Sehr konzentrierter, vielschichtiger Tropfen mit schönem Kirscharoma, sanften Tanninen und angenehmer Säure, der einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt (und sein Geld wert ist).
Service
The Doktor Pinot Noir 2023, 55 Euro (bei der Weinhandlung Rebenreich in Rudersberg, 0 71 83 / 93 22 60), Weingut Timo Mayer, Yarra Valley Australien, www.timomayer.com.au