Die Kritiken sind herausragend, die Besucherzahlen stark. Als bester deutscher Film ist „Cranko“ in 106 Kinos angelaufen. Der SWR will Regisseur Joachim Lang trotzdem die Verantwortung für Spielfilme entziehen. Im Streit um die Änderungskündigung ist der Gütetermin gescheitert.
Dass der erste Spielfilm über den 1973 verstorbenen Ausnahme-Choreografen John Cranko auch außerhalb der Ballettstädte so hervorragend anläuft, hatten selbst die Produzenten nicht für möglich gehalten. Am ersten Wochenende des Kinostarts wollten 28.000 Besucherinnen und Besucher den „bewegenden Musikfilm mit Tanzszenen auf Weltklasseniveau“ (so schreibt der „Spiegel“) sehen. Damit ist „Cranko“, was die Kartenverkäufe angeht, auf Platz eins der deutschen Produktionen – nach „Joker“ und „Die Fotografin“ aus Hollywood und England. Bisher war der Film in 106 deutschen Kinos zu sehen – in der nächsten Woche kommen weitere hinzu, dann sind es 122.
„Der Film bewegt die Menschen sehr“
Simon Erasmus, der Chef vom Atelier am Bollwerk in Stuttgart, sagt, so einen erfolgreichen Film habe er seit zehn Jahren nicht mehr gehabt. Täglich vier bis fünf Vorstellungen sind fast immer ausverkauft. „Die Geschichte bewegt die Menschen sehr“, berichtet Erasmus, „nach dem Film stehen selbst Männer mit Tränen in den Augen an der Kinotheke und sagen, so etwas Berührendes hätten sie schon lange nicht mehr gesehen.“
Regisseur Lang, der seit 1986 beim SDR bzw. SWR arbeitet, trage wesentlich zum Renommee des Senders bei, findet Sidar Carman, Geschäftsführerin des ver.di Bezirks Stuttgart. Umso unverständlicher sei es, dass der SWR, der den Film „Cranko“ mitfinanziert hat, so einen erfolgreichen Angestellten kaltstellen wolle. Im Rechtsstreit von Lang versus SWR ist am Montag der Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart gescheitert. Der SWR lehnte einen Vergleich ab und war zu keinem Kompromiss bereit. Damit muss die Kammer bei einem weiteren Termin ein Urteil fällen.
Der Sender hatte am 11. Juli dem renommierten Regisseur am Tag der Premiere seines Films „Führer und Verführer“ betriebsbedingt für seinen bisherigen Posten gekündigt. Begründet wurde die Änderungskündigung mit dem Sparkurs des Senders, der keine weiteren Spielfilme vorsehe. Auch nach seinen jüngsten Erfolgen soll es dabei bleiben, obwohl Lang Anfang 2026 in den Ruhestand geht und der SWR ihn auch in dieser absehbaren Zeit nicht mehr auf dem bisherigen Posten belassen will. Liegt dies an einem lange zurückliegenden Metoo-Fall, bei dem sich der Regisseur für die betroffene Kollegin und gegen die SWR-Oberen gewehrt hatte?
„Der SWR verhält sich menschlich enttäuschend“
„Nach der Vorgeschichte um die Missbrauchsvorfälle und deren Entschädigung ist die kompromisslose Haltung des SWR menschlich enttäuschend“, erklärt verdi-Geschäftsführerin Sidar Carman. Der Sender habe in den Verfahren gegen Joachim Lang und gegen die ebenfalls beim SWR tätigen Dramaturgin Sandra Dujmovic „seine Schutz- und Sorgfaltspflicht als Arbeitgeber verletzt“. Ihre Vermutung: Der Arbeitgeber schiebe die angeblich notwendigen Sparmaßnahmen bei Spielfilme nur vor, um zwei in Ungnade gefallene Mitarbeiter von ihren bisher wichtigen Posten zu unwichtigen abzuschieben.
Lang will ein Film über Theresienstadt drehen
Auch der verdi-Landesbezirksleiter Martin Gross übt heftige Kritik am SWR und verweist darauf, dass der Sender „extern etliche Filmprojekte vergeben“ habe. Dies zeige, dass es bei Lang in Wahrheit gar nicht ums Geld gehe. „Leidtragende dieser sturen, harten und inhaltlich nicht nachvollziehbaren Haltung des SWR“ seien nicht nur Joachim Lang und seine Redaktionsleiterin Sandra Dujmovic, erklärt Gross. Denn als Folge der Änderungskündigung werde auch der geplante und ausgeschriebene Spielfilm über Theresienstadt gestrichen, den der Autor als nächstes angehen will
„Damit wird die Kündigung zu einem Politikum, denn nach ,Führer und Verführer’, dem Täterfilm, sollten mit diesem Werk die Opfer in den Mittelpunkt gerückt werden“, sagt Martin Gross. Der Auftrag des SWR, findet der verdi-Mann, müsse „gerade in diesen Zeiten sein , unsere Demokratie gegen alle Gestrigen zu verteidigen“. Die SWR-Spitze um Intendant Kai Gniffke müsse endlich erkennen, dass „der SWR die Summe der Arbeit aller seiner Beschäftigten“ sei, ohne deren „täglichen professionellen und hoch motivierten Einsatz“ sei er nichts.
SWR will sich aktuell zum Rechtsstreit nicht äußern
Zum gescheiterten Gütetermin und zu den Vorwürfen der Gewerkschaft will sich der SWR auf Anfrage unserer Redaktion nicht äußern. Unternehmenssprecherin Stefanie Zenke verweist auf das, was sie vor einigen Wochen zu dem Streit mit Lang öffentlich erklärt hat. „Zum aktuellen Zeitpunkt ist dem nichts hinzuzufügen“, schreibt sie am Dienstag. Die Änderungskündigung, hatte sie zuletzt erklärt, sei erforderlich, „da der SWR die von ihm geleiteten Spielfilmsonderprojekte im Rahmen notwendiger Einsparmaßnahmen aufgibt“.
„Das ist ein Armutszeugnis für den SWR“
Kinochef Simon Erasmus freut sich derweil auf weitere ausverkaufte Vorstellungen von „Cranko“ und hält es für ein „Armutszeugnis“, wie der SWR mit Joachim Lang umgehe. „Der Sender müsste doch stolz auf ihn sein und ihn nicht ausbremsen“, findet Erasmus. Lang sei als Filmemacher aber so überragend gut, „dass er den SWR doch gar nicht mehr braucht“, sagt der Chef des Ateliers am Bollwerk.