In Sachen Bildungschancen werden die Weichen schon früh gestellt. Foto: dpa/Sven Hoppe

Die Gemeinschaftschule Deizisau bleibt für Kinder bis Klasse vier eine Halbtagsschule. Bildungspolitische Kritik an der Entscheidung ist zwar berechtigt. In der jetzigen Form hat jedoch jedes Modell für den Ganztag seine Kehrseite, meint unser Autor Valentin Schwarz. 

Bei der Ganztagsbetreuung kommt den Kommunen ein enormer bildungspolitischer Einfluss zu. Dieser Verantwortung scheint man sich in Deizisau bewusst, dafür sprechen die Befragung der Eltern und die intensive Debatte im Gemeinderat. Die Entscheidung, die bisherige Grundschulform mit Halbtag und ergänzenden Angeboten beizubehalten, ist jedoch im Sinne der Chancengerechtigkeit problematisch.

Wenn Eltern weder die Betreuung bezahlen, noch sich schon ab mittags ausschließlich ihren Kindern widmen können, zieht das einen Rattenschwanz nach sich. Für die betroffenen Kinder können in diesem Fall leicht Bildungsrückstände entstehen. Die wiederum sind nur schwer wieder aufzuholen in einem Schulsystem, das schon früh ausdifferenziert – siehe die in Baden-Württemberg wohl bald wieder bindende Grundschulempfehlung. Dass die Mehrheit der Familien in Deizisau scheinbar kein Problem damit haben soll, die Kosten zu stemmen, ist in diesem Kontext kein Argument. Denn in der Bildungspolitik sollten immer auch diejenigen mitgedacht werden, die sich finanziell unter dem Durchschnitt bewegen.

Psychische Belastung für Grundschulkinder

Andererseits weist der Weg des verpflichtenden Ganztags ebenfalls eine Kehrseite auf. In einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung, die ab der dritten Klasse ansetzte, gaben 20 Prozent der Befragten an, sich in der Schule nicht wohlzufühlen. Für alle, die mit dem sozialen Umfeld im Klassenzimmer oder auf dem Pausenhof zu kämpfen haben, stellt es eine psychische Belastung dar, dort schon ab einem jungen Alter mehr Zeit als bisher verbringen zu müssen.

Nötig wäre also ein Modell, das Familien für eine freiwillige Betreuung keine zusätzlichen Kosten aufbürdet. Angesichts klammer Kassen allüberall scheint diese Forderung zwar naiv. Wenn es um Chancengerechtigkeit geht, werden die Weichen allerdings schon früh gestellt. Wer es damit ernst meint, muss alle verfügbaren Mittel lockermachen: von Bundes- bis Kommunalebene.