Robert Habeck hat seine Bewerbung um die Kanzlerkandidatur noch nicht offiziell verkündet. Foto: AFP/Odd Andersen

Der Koalitionsbruch trifft die Grünen nicht unvorbereitet – aber in einer schwierigen Phase. Wie geht es nun für die Partei weiter?

Es ist kurz vor Mitternacht, als Robert Habeck am Mittwochabend im Bundestag zwei Videos aufnimmt, nur wenige Stunden, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz das Ende der Ampel-Koalition verkündet hat. In einem steht der Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler in weißem Hemd vor einer wackelnden Kamera und spricht darüber, dass die Grünen ihre Antworten wieder schärfen wollen. „Ich baue auf euch“, sagt der Grünen-Politiker. „Wir sehen uns jetzt ganz häufig an ganz vielen Orten.“ Hochgeladen ist das Video auf dem Instagram-Account der Grünen-Bundespartei. Es ist ein Signal an die eigene Wählerschaft.

Das andere Video findet sich auf Habecks Account als Wirtschaftsminister. Er steht vor demselben Hintergrund und sieht doch ganz anders aus. Er trägt ein Sakko über dem Hemd, die Kamera ruht unbewegt auf ihm. Auch hier spricht Habeck über den Bruch der Koalition, erklärt die Rolle der Bundesregierung in Europa und der Welt. „Zweifeln Sie nicht an der Stärke des Landes“, sagt er in die Kamera und sieht dabei sehr staatstragend aus. Das hier ist ein Habeck, der sich ans Volk wendet.

Eine schwierige Lage

Es ist nicht nur ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf der Grünen. Am Abend des Koalitionsbruchs gibt sich Habeck wie einer, der Kanzler werden will und probehalber schon mal so spricht. Dass er kandidieren will, hat Habeck allerdings noch nicht offiziell verkündet – obwohl er das laut Medienberichten mal für Donnerstag geplant haben sollte. Doch dann kam der Regierungsbruch dazwischen. Das sagt viel über die Situation, in der sich die Grünen gerade befinden. Das Ende des Ampelbündnisses trifft die Grünen nicht unvorbereitet. Aber es bedeutet eine weitere Herausforderung in einer ohnehin schwierigen Lage.

Das Ampel-Aus erwischt die Grünen mitten im Umbruch. Denn die Partei steckt in einer Krise. In den vergangenen anderthalb Jahren verloren die Grünen acht Wahlen, fünf Mal flogen sie aus Regierungen, in zwei Fällen sogar aus Landtagen. In Umfragen liegen sie bei neun Prozent, vor zwei Jahren war es mehr als doppelt so viel. Nun ist es auch noch ihre Regierung zerbrochen.

Neuanfang geplant

Die Neuaufstellung war allerdings schon geplant. Kommende Woche findet der Bundesparteitag der Grünen in Wiesbaden statt, auf dem sie einen neuen Vorstand wählen wollen. Ricarda Lang und Omid Nouripour, die die Partei aktuell noch führen, hatten Ende September gemeinsam mit dem Vorstand ihren Rücktritt angekündigt. In Wiesbaden sollen die Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner und Felix Banaszak zu ihren Nachfolgern gewählt werden. Brantner stammt aus dem Realo-Lager in Baden-Württemberg, Banaszak aus dem Linken-Flügel in Nordrhein-Westfalen. Beide eint, dass sie in ihren Ländern gute Erfahrungen mit Regierungen aus CDU und Grünen gemacht haben. Das dürfte sich auf ihren Kurs auswirken. Außerdem will die Partei einen Kanzlerkandidaten aufstellen. Zwar wissen alle, dass es auf Habeck hinauslaufen wird. Um sich offiziell zu erklären, bleibt ihm jetzt noch eine Woche.

Man kann daraus ablesen, dass das Ampel-Aus die Grünen überrollt hat. Zwar ist von führenden Grünen zu hören, dass man sich auf das Szenario eines vorgezogenes Regierungsendes schon länger vorbereitet hat. Schon kurz vor der Sommerpause soll es schon mal fast zu einem Koalitionsbruch gekommen sein. Dass es nun wirklich passiert ist, überrascht die Grünen deshalb nicht. Allerdings hatte man nicht damit gerechnet, dass es die Koalitionspartner am Tag von Donald Trumps Wahlsieg zu diesem Bruch kommen lassen. Deshalb wirken einige Grüne in diesen Tagen trotz aller Vorbereitung fassungslos.

Das konnte man auch am Mittwochabend beobachten, als die Fraktion noch um halb elf zu einer spontanen Sondersitzung im Bundestag zusammenkam. Der Schock war vielen anzumerken. Bei nicht wenigen war daneben aber auch eine Art Erleichterung zu spüren. Ein bisschen sei es mit der Ampel wie mit einer toxischen Beziehung gewesen, sagte jemand vor dem Fraktionssaal. Obwohl man sich nicht guttut, fällt es schwer, sich voneinander zu lösen. Aber sobald man es geschafft hat, fühlt man, dass es richtig war.