Dietlinde Ellsässer und Jakob Nacken lieben große Gefühle. Foto: Kerstin Dannath - Kerstin Dannath

In schwäbischer Mundart philosophieren die beiden Künstler über Liebe, und reißen dabei das Publikum besonders mit ihren Inszenierungen bekannter Lieder mit.

KöngenIst die Liebe wirklich nur ein Wort? Nicht für Dietlinde Ellsässer und Jakob Nacken. Das Traumpaar des schwäbisch-rheinischen Frohsinns ließ den ganz großen Emotionen in ihrem jüngst mit dem Förderpreis des Kleinkunstpreis Baden Württemberg 2020 ausgezeichneten Programm „Schubi-Dam-Dam“ in der Eintrachthalle zu „Kenga“ passend zum Valentinstag freien Lauf.

„Da war ein Traum, der so alt ist wie die Welt“ – das wusste schon „Der Junge mit der Mundharmonika“ Bernd Clüver 1973. Die große Liebe suchen noch immer 70 Prozent der Deutschen und hinter jeder Emotion steckt aber mehr als ein unverwechselbarer Gesichtsausdruck. Nicht nur die Liebe ist ein großes Gefühl, auch Eifersucht, Neid, Wut und Hass im Rosenkrieg haben im Reigen der Emotionen ihren festen Platz. Aber egal welche Gefühle - sie lassen sich perfekt durch Gesang ausdrücken.

Wobei man über manche Lieder schon mal sprechen muss, findet der Kölner Jakob Nacken, der sich nebenbei für die Reinkarnation von Elvis Presley hält. Eben über jenen Jungen mit der Mundharmonika – wie kann es zum Beispiel sein, dass der gleichzeitig singt und spielt? Ellsässer hingegen treibt seit nunmehr fast 50 Jahren der Begriff „Barke mit der gläsernen Fracht“ um – die ja letztlich, wie Nacken ergänzt, „in sternklarer Nacht, der Traurigkeit entflieht.“ Schon fast mystisch sei das Lied, sind sich die beiden einig und nur über die emotionale Schiene überhaupt zu verstehen. Denn: „Der Schlager kann der Pfad zur Erleuchtung sein – wenn man sich drauf einlässt“, findet Nacken.

Und dass sich das Publikum in „Kenga“ (Ellsässer: „Do semmer vorher no nie gwä“) befähigt sieht, sich auf die ganz großen Gefühle einzulassen, dafür legen sich Ellsässer und Nacken an diesem Abend mächtig ins Zeug. Doch zuerst müssen die beiden erst mal „vorfühla“, wie textsicher das Publikum eigentlich ist. Gekonnt greift Nacken in die Tasten seines schwarzen Klaviers und gibt den ersten Teil eines Satzes vor, den die Zuhörer blitzsauber vervollständigen.

Mehr Erotik im ländlichen Raum

„Weine nicht, wenn der Regen fällt dam dam.“ Auch „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ ist für die Köngener kein Stolperstein – auch wenn Ellsässer findet, die Interpretation höre sich arg nach Kirchenchor an. Immerhin, das Potenzial für einen Abend großer Gefühle sei durchaus vorhanden. „Aber wir müsset das Publikum ganz vorsichtig in Schwingung brenga – und nicht ins kirchliche überschwappa lassen“, lautet die Devise.

Das inbrünstig von Nacken vorgetragene „Merci Cherie“ von Udo Jürgens (Ellsässer: „Ich hab jetzt Pause, i ben ja scho in Altersteilzeit.“) gibt die Überleitung, dass es bei den Leuten in Sachen Liebe aber auch leider nur allzu oft nicht mehr rund läuft. Vor allem wenn die Sache schon eine Weile währt. „Im Alter wird dr’ Schwoab dröge“, begründet Ellsässer. Abhilfe soll hier die von ihr gegründete „Initiative Landlust“ schaffen – ins Leben gerufen für mehr Erotik im ländlichen Raum. Dabei räumt die resolute Schwäbin allerdings gleich mit einem großen Wunschdenken der Städter auf: „Schäferstündchen im Heuschober? Vergessats. Stroh schtupft – da geits glei a riesigs Malheur.“ Und rät, stattdessen lieber in diverse Kleinwagen auszuweichen.

Doch was wenn die Liebe aller Liebesmüh zum Trotz doch den Bach runter geht? „Es vergessat loider viele, dass noch dr Heirat eine Ehe kommt“, sagt die kecke Dietlinde und rät Betroffenen, zur Scheidung einfach nochmal alle Hochzeitsgäste einzuladen und ein eigenes Ritual daraus zu machen. Fast schüchtern demonstieren die sich hartnäckig „Frau Ellsässer“ und „Herr Nacken“ nennenden Künstler sich plötzlich duzend, wie so was aussehen könnte. Und intonieren gleich die passenden Stücke – „Und wenn ich geh, dann geht nur ein Teil von mir“.

Melancholie sei ja auch das Vergnügen traurig zu sein, meint Nacken und fängt an über in eine weitere Auffälligkeit der Schlagertexte zu philosophieren. Es seien hauptsächlich Frauen, denen allen Stars voran der „König Koschta“ unzählige Lieder gewidmet habe. Von Anita über Ramona und Mary Lou, Alice bis hin zur kleinen Eva – nur die arme Dietlinde habe noch keinen Song. Dabei hätte sie es ja mehr als verdient. Er nimmt sich dem Dilemma sofort an, sammelt im Publikum Stichworte zu Orten, Getränken sowie passende Verben und Adjektive. Aus dem Stegreif zaubert der Reimliebhaber mit rheinischem Migrationshintergrund ein Liebeslied, bei dem kein Auge trocken bleibt. Auch nicht das von „Frau Ellsässer“, die sich nach dem Finale furioso sicher ist: „Hier in Kenga send die Herza jetzt valentinesk aufgespannt, es geht jetzt atemlos durch die Nacht.“ Und toniert zusammen mit ihren kongenialen Partner als wirklich letzte Zugabe des Abends „My endless Love“ – und letztlich hat jeder „Kengener“ an diesem Abend eines gelernt: Man kann „Verliebt in die Liebe sein“, aber dabei gilt stets „Tränen lügen nicht“.