Kein Durchkommen. Kinder stehen in einem Flüchtlingslager nahe der belarussisch-polnischen Grenze. Auf der anderen Seite des Zaunes verhindern polnische Soldaten, dass die Migranten die Grenze überschreiten. Foto: dpa/Henadz Zhinkov

Die Außenminister der Union nehmen jene ins Visier, die für das Schleusen von Migranten nach Minsk verantwortlich sind. Die Machthaber zeigen sich plötzlich zur Kooperation bereit.

Brüssel - Die Sanktionen waren noch nicht verkündet, da entfalteten sie schon ihre Wirkung. Während die Außenminister der EU-Staaten in Brüssel noch über neue Strafmaßnahmen gegenüber Minsk brüteten, verkündete die belarussische Fluggesellschaft Belavia am Montag schon ein Flugverbot auf der Route von Dubai nach Belarus für Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und dem Jemen.

Und auch Machthaber Alexander Lukaschenko zeigte sich plötzlich ganz handzahm. Man werde „aktiv“ an einer Rückführung der im Grenzgebiet zu Polen festsitzenden Migranten in ihre Heimatländer arbeiten, verkündete er. Sein Land wolle nicht, dass die Flüchtlingskrise an der gemeinsamen Grenze mit Polen zu einem „Konflikt“ eskaliere. Eine Auseinandersetzung mit Polen sei „absolut schädlich für uns“.

Eine weitere Verschärfung der Sanktionen

All diesen Bekundungen zum Trotz, haben die EU-Außenminister im Flüchtlingskonflikt mit Belarus die weitere Verschärfung der Sanktionen beschlossen. Wie der Rat der 27 Mitgliedstaaten mitteilte, stimmten sie einem erweiterten Sanktionsregime zu. „Die heutige Entscheidung spiegelt die Entschlossenheit der Europäischen Union wider, sich der Instrumentalisierung von Migranten für politische Zwecke zu widersetzen“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Der Erklärung zufolge kann die EU erstmals Verantwortliche und Organisationen mit Sanktionen belegen, die Belarus dabei helfen, „das illegale Überschreiten der EU-Außengrenzen zu erleichtern“. Die neuen Strafmaßnahmen sollen nach Borrells Angaben Fluggesellschaften, Reisebüros und andere Verantwortliche treffen, die sich am Schleusen der Migranten beteiligen. Das neue Sanktionsinstrument soll unter anderem auch gegen die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia eingesetzt werden. Diese soll künftig von europäischen Firmen, die Flugzeuge verleasen, keine Maschinen mehr nutzen dürfen. Ziel ist, dass Belavia dann nicht mehr so viele Menschen aus armen oder konfliktreichen Ländern zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus fliegen kann.

Viele Flüge nach Minsk werden gestrichen

In diesen Tagen hatte bereits die private syrische Fluggesellschaft Cham Wings ihre Flüge nach Belarus wegen der Flüchtlingskrise eingestellt. Zudem hatte die türkische Regierung Menschen aus Syrien, dem Irak und dem Jemen die Weiterreise nach Belarus verboten. Der Flugverkehr zwischen Bagdad und Minsk war bereits im August eingestellt worden. Die genaue Sanktionsliste gegen Minsk soll laut Diplomaten in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden.

Bereits unmittelbar vor Beginn des Treffens in Brüssel hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die Entschlossenheit der EU unterstrichen, die Machthaber in Minsk und deren Helfer zur Verantwortung zu ziehen. Er drohte auch offen damit, Fluggesellschaften aus Drittländern die Überflug- und Landegenehmigungen in Europa zu entziehen. Für die belarussischen Airlines hatte die EU bereits im Mai ein entsprechendes Verbot verhängt. Maas nannte daneben auch „harte Wirtschaftssanktionen unumgänglich“. Der SPD-Politiker denkt dabei laut früheren Aussagen etwa an die belarussische Kali-Industrie, die dem Land Devisen in die Kassen spült.

Positive Reaktionen auf die Entscheidung

Vertreter des EU-Parlaments reagierten positiv auf die Entscheidung der Außenminister. Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grüne/EFA-Fraktion, unterstrich: „Es ist richtig, dass die EU-Sanktionen gegen die Politik des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko ausgeweitet werden.“ Auch befürwortet er, dass die Sanktionen gezielt auf jene Exporte aus dem Land ausgedehnt werden, die dem Regime viele Einnahmen bescheren. „Die EU muss gegenüber den Provokationen Lukaschenkos die ‚Sprache der Macht‘ sprechen“, forderte Bütikofer.

Bundesaußenminister Heiko Maas verteidigte bei dem Treffen in Brüssel das oft kritisierte Vorgehen Polens in der Krise. Auf polnischer Seite gebe es genug Besonnenheit, „sich nicht in eine gewaltsame Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen“. Die Probleme an der Grenze gingen von Belarus und nicht von Polen aus, sagte Maas. Daher verdiene Polen „unsere ganze Solidarität“.

Gleichzeitig machte der Außenminister den belarussisch-polnischen Grenzgebiet feststeckenden Migranten aber keine Hoffnung, in Deutschland aufgenommen zu werden. Es sei wichtig, dass diese Menschen „wieder dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind“.

Es müsse gezeigt werden, dass die EU nicht erpressbar sei. „Und wir müssen den Menschen auch deutlich machen“, so Maas, „dass sie nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen sich zu einem Instrument der Politik von Lukaschenko machen lassen dürfen“, erklärte er mit Blick auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko.