In dieser Welt gibt es keinen Ort, keinen Flecken, keinen Zentimeter Boden, an dem der Mensch Gott nicht begegnen kann. Das gilt für die digitale Welt genauso wie für die reale Wirklichkeit.
„Let’s talk about God!“ – Lassen Sie uns über Gott reden. Immer ein sinnvoller und inspirierender Gedanke, zumal zu Anlässen wie der Fastenzeit. Über Gott – den Allmächtigen, Allwissenden, Ewigen, Unendlichen, Unergründlichen. Mit solchen Attributen umschreibt die Theologie seit Tausenden von Jahren das göttliche Mysterium. Heute werden diese göttlichen Eigenschaften noch mit etwas ganz anderem assoziiert: dem Cyberspace. Jenem virtuellen Kosmos, in dem Fiktion und Realität zu einer einzigartigen Welt verschmelzen.
Cyberspace – moderne Form von Transzendenz
Was Glaubende seit Menschengedenken mit der Idee Gottes verbinden, ist heute in den unendlichen Weiten der digitalen Enzyklopädien zu finden. Der Cyberspace ist eine moderne Form von Transzendenz – des Überschreitens aller Grenzen des Wissens und der Erfahrung. Jederzeit und überall mit einem Mausklick abrufbar, ansprechbar, verfügbar.
Das Internet sieht und schluckt alles, was der menschliche Geist hervorbringt - und vergisst nichts. Aus den ständig eingespeisten Informationen kreiert und kombiniert das World Wide Web immer neues Wissen und wird so zu einem virtuellen Perpetuum mobile. Längst hat diese menschliche Schöpfung die Grenzen des für den Menschen Begreifbaren und Fassbaren überschritten.
So wie der Glaubende sich in seinen Glauben flüchten und in der Spiritualität verlieren kann, kann auch der User - der Netz-Nutzer - die reale Welt um sich herum vergessen, sie ihrem Elend überlassen und nur noch in virtuellen Sphären kreisen.
„Gott finden in allen Dingen“
Ignatius von Loyola (1491-1556), der spanische Begründer des Jesuitenordens (Societas Jesu, SJ), dem auch Papst Franziskus angehört, war nicht nur ein großer Reformer des kirchlichen, sondern auch des geistigen Lebens. Ein Satz prägt von ihm wie kein zweiter seine Frömmigkeit: „Gott finden in allen Dingen“.
Diese Maxime des großen Basken war damals und ist heute genauso fundamental wie revolutionär. Denn sie bedeutet nichts anderes, als dass es in dieser Welt keinen Ort, keinen Flecken, keinen Zentimeter Boden gibt, an dem der Mensch Gott nicht begegnet.
Für gläubige Menschen wie Ignatius ist die Sache mit Gott ganz einfach: Gott, der Omnipräsente - also der Allgegenwärtige - ist überall. In der Natur, in Tieren, Pflanzen - und im Menschen. Egal, ob der sich gerade freut oder trauert, flucht oder betet, im Netz surft oder schläft.
Glaube 2.0
Wenn Gott allpräsent ist, muss er in der virtuellen Welt genauso gegenwärtig sein und Spuren hinterlassen wie in der realen. Und das heißt folglich: Gott ist online.
Glaube 2.0 ist die Suche nach Gott und die Begegnung mit anderen Glaubenden im Netz, ein spiritueller Akt im Zeitalter des Digitalen. Ein Klick auf „Amen.de“, „Sacred Space.ie“, „@twomplet“, „App2Heaven.de“ oder „Funcity.de“, und schon ist man im Kosmos der Frommen. Hier kann man alleine oder gemeinsam beten, Segenskerzen anzünden, Glockengeläut lauschen, Fürbitten twittern oder Gebetsanliegen teilen.
Gott und Cyberspace – ähnlich und doch unähnlich
Es gibt indes einen fundamentalen Unterschied zwischen Gott und dem Netz. Eigenschaften wie Allwissenheit (Omniszienz) oder Allmacht (Omnipotenz) können nicht in derselben Weise auf Gott angewendet werden wie auf den Menschen oder von ihm Erschaffenes. Denn das göttliche ist vom menschlichen Sein radikal verschieden.
Alle Attribute können nur analog, im Sinne einer Ähnlichkeit Verwendung finden. Gemäß dem Grundsatz des IV. Laterankonzils von 1215: „Von Schöpfer und Geschöpf kann keine Ähnlichkeit ausgesagt werden, ohne dass sie eine größere Unähnlichkeit zwischen beiden einschlösse.“ Im (wunderbaren) lateinischen Original lautet dieses fundamentale Axiom christlicher Gotteslehre: "Quia inter creatorem et creaturam non potest tanta similitudo notari, quin inter eos maior sit dissi‐ militudo notanda."
Man kann Gott tatsächlich in allen Dingen finden. In der Natur genauso wie im Nächsten, in der Realität genauso wie in der Virtualität. Doch Gott ist immer größer als alles, was in Worten, Wissen und Welten gesagt, gewusst und eingefangen werden kann.