In „Ghost of Tsushima“ kämpft der Spieler als Samurai gegen die mongolische Invasion Japans. Foto: Sony Interactive Entertainmen

Der Lebenszyklus der Playstation 4 neigt sich seinem Ende zu. Mit „Ghost of Tsushima“ ist jetzt der vermutlich letzte große Exklusivtitel der erfolgreichen Konsole erschienen. Wir haben das Spiel getestet.

Stuttgart - Lange erwartet und mit viel Vorschusslorbeeren bedacht, liegt „Ghost of Tsushima“ nun seit einigen Tagen auf den Downloadservern und in den Elektronikmärkten zum Verkauf. Es ist der letzte große Exklusivtitel, der für die Playstation 4 veröffentlicht wird. Das Nachfolgemodell Playstation 5 ist angekündigt und soll voraussichtlich zum Jahresende erscheinen. Ist „Ghost of Tsushima“ der allseits erhoffte krönende Abschluss der PS4-Ära geworden?

Worum geht es?

In „Ghost of Tsushima“ übernimmt der Spieler die Rolle des Samurai Jin Sakai, der sich im Intro des Spiels gemeinsam mit anderen Kämpfern seiner Zunft im Japan des Mittelalters der mongolischen Invasion des Kaiserreichs entgegen stellt. Es ist ein Kampf, dessen Ausgang gewiss ist: Den übermächtigen Invasoren stehen nur einige Dutzend Samurai gegenüber, die folgerichtig bis fast auf den letzten Mann niedergemetzelt werden. Jin Sakai ist einer der wenigen Überlebenden und macht sich auf, eine schlagkräftige Truppe aufzustellen, mit der er die Mongolen wieder aus seiner Heimat vertreiben kann.

So kurz und klischeehaft ist die Hintergrundgeschichte von „Ghost of Tsushima“. Diese Klischees sind allerdings gewollt: Die Macher von Sucker Punch sehen ihren jüngsten Wurf ganz in der Tradition des japanischen Filmregisseurs Akira Kurosawa und dessen Werken, darunter vor allem „Die sieben Samurai“. Das geht so weit, dass der Spieler den „Kurosawa-Modus“ wählen kann, um das Spiel komplett in Schwarzweiß und mit dem blechernen Ton (am besten in japanischer Vertonung) alter Röhrenfernseher zu erleben. „Ghost of Tsushima“ ist voll mit solchen liebevollen Details, doch dazu später mehr.

Sehen Sie hier den Story-Trailer zu „Ghost of Tsushima“:

Nach dem Intro entfaltet sich nach und nach eine offene Welt, in der der Spieler durch japanisch anmutende Landschaften reitet, mongolische Gegner, aber auch Verräter aus den eigenen Reihen in ästhetisch schön inszenierten, aber blutstrotzenden Kämpfen massakriert und zwischendurch sogar Zeit findet, Haikus zu verfassen, in Heilbädern auszuruhen und kleine oder auch größere Heiligtümer zu verehren.

Das hat alles durchaus einen Sinn: Ruhephasen in Heilbädern erhöhen die Gesundheit, die Verehrung von Schreinen und Tempeln bringt Talismane ein, für Schwerter und Rüstungen werden Eisen, Leinen und Tierfelle gesammelt. Für die unerlässlichen Technikpunkte gilt es allerdings das Schwert zu schwingen und in den Haupt- und Nebenmissionen voranzukommen.

Stärken

Sucker Punch nimmt den Spieler in „Ghost of Tsushima“ mit in eine schön gestaltete offene Welt aus einem Guss. Da rieseln Kirschblütenblätter in der Abendsonne zu Boden, Tempeldächer funkeln in der Ferne und aus heißen Heilbädern steigt der Dampf empor. Vor allem in der japanischen Vertonung sorgt das Spiel für Gänsehautmomente, die Hintergrundmusik passt sich dem Spielverlauf an und signalisiert so zum Beispiel frühzeitig, wenn ein Kampf bevorsteht.

Die Schwertkämpfe sind das Herz des Spiels und toll animiert. Wer sich die nach und nach zu erlernenden Schlag-Kombos einprägt, pflügt schließlich in schönster Martial-Arts-Manier durch die Gegnerhorden, dass es eine Freude ist. Aber Vorsicht: Einmal auf den falschen Knopf gedrückt und aus der geplanten ausweichenden Parade mit anschließendem Schwertschlag wird eine doppelte Rolle seitwärts ins Gebüsch.

Weil im Kampf gegen die Mongolen jedes Mittel recht ist, lernt Samurai Jin auch einige Hinterhaltfähigkeiten. Wer also mag, kann ein mongolisches Lager entvölkern, in dem er sich vors Tor stellt und einen Krieger lauthals herausfordert, oder aber mit Pfeil und Bogen und der Attentat-Attacke einen Gegner nach dem anderen still und heimlich ausknipst.

Einen Sonderpreis hat sich Sucker Punch für die Orientierung verdient: Wo anderswo eine schnöde Minimap und Pfeile auf dem Bildschirm oder gar eingefärbte Routen den Weg weisen, weisen in „Ghost of Tushima“ der Wind und Tiere, wie Vögel und Füchse, den Weg. Sehr hübsch und fast poetisch!

Schwächen

„Ghost of Tsushima“ belegt schlanke 37 Gigabyte auf der Festplatte. Wer da an Download-Monster wie „Red Dead Redemption 2“ denkt, das immerhin 100 Gigabyte verspeist, weiß gleich: Irgendwo fehlen die Bits und Bytes. Und siehe da: Es ist vor allem die Grafik, die bei „Ghost of Tsushima“ den Spieler ein wenig ratlos zurücklässt.

Das Spiel wirkt einerseits optisch wunderschön: Gräser wiegen sich im Wind, die Abendsonne scheint goldgelb durchs Laub und auch bei den Animationen gibt’s fast nichts zu meckern. Aber es ist eine malerische und keine fotorealistische Inszenierung, aus der Nähe wirken Details und einzelne Elemente wie Sträucher, Leitern und andere Gegenstände erstaunlich flach und detailarm. Weil das Grafikkonzept in sich schlüssig ist, ist das nicht weiter schlimm, aber Grafikboliden wie „Red Dead Redemption 2“ oder The Last of Us 2“ stößt man damit nicht vom Thron.

Kleinere Punktabzüge gibt es für sich wiederholendende und redundante Elemente wie Häuser, Türme und mongolische Rundzelte, die bald doch alle sehr ähnlich aussehen, und die künstliche Intelligenz der Gegner, die sich zwar in direkten Kämpfen ganz gut behaupten, sich aber bei verdeckten Attacken in Lagern manches Mal reichlich dumm anstellen.

Fazit

Getreu der Faustregel, dass ein Spiel mit offener Welt den Spieler dazu motivieren sollte, abseits der Missionen auf Entdeckungsreise zu gehen, macht „Ghost of Tsushima“ alles richtig. Die von Anfang an verfügbare Schnellreisefunktion bleibt immer mal wieder ungenutzt, weil es einfach zu viel Spaß macht, durch die Landschaft zu traben und Mongolen zu vermöbeln. Auch die Haupt- und Nebenmissionen sind geschickt mit der Welt verwoben und entfalten ein atmosphärisch dichtes Panaroma der mittelalterlichen Samuraiwelt Japans.

„Ghost of Tsushima“ ist exklusiv für die Playstation 4 erhältlich und kostet je nach Version ab 60 Euro aufwärts.

Grafik 3 von 5 Sternen

Spielmechanik 4 von 5 Sternen

Atmosphäre 5 von 5 Sternen