Wer etwas auf oder am Herzen hat, darf das EZ-Forum zum Thema „Herz und Kreislauf“ nicht verpassen. Der Talk mit den Herzspezialisten Matthias Leschke aus Esslingen und Christian Herdeg aus Ostfildern ist per Video abrufbar und geht über das Herz hinaus.

Esslingen - Für sie war es eine Herzensangelegenheit: Professor Matthias Leschke, Chefarzt für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie am Klinikum Esslingen, und sein Kollege Christian Herdeg, Chefarzt für Innere Medizin, Herz- und Kreislauferkrankungen an der Medius Klinik Ostfildern-Ruit, sprachen unter der Moderation von EZ-Chefredakteur Johannes Maria Fischer über Menschliches, Maßnahmen, Medizin und Marketing. Die Überschrift über dem virtuellen EZ-Forum lautete „Herz und Kreislauf“ – doch der Begriff Herz wurde sehr weit gefasst und ging über seine Funktion als Körperorgan weit hinaus.

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Keine Heile-Welt-Wölkchen

Der himmelblaue Hintergrund auf seinem Bildschirm war nicht echt. Die Marketing-Abteilung des Klinikums Esslingen hatte ihn für den Online-Auftritt von Matthias Leschke während des EZ-Forums kreiert. Doch rosa Heile-Welt-Wölkchen ließen er und Christian Herdeg nicht aufsteigen. Beide Professoren sprachen von einer zunehmenden Bürokratisierung, der Bindung von Manpower durch Dokumentationen, belastende Situationen und den täglichen Kampf um Zeit für die Patienten. Eine Botschaft aber war beiden Medizinern wichtig: Wenn dieser so oft zitierte „Vernichtungsschmerz“ im linken Brustbereich meist wie aus dem Nichts auftritt und auf die Umgebung ausstrahlt, dann muss sofort die Notambulanz gerufen werden. „Das ist oft, wie wenn eine Faust in die Brust gerammt wird“, präzisierte Matthias Leschke. Betroffene sollten auch nicht mit dem Privatauto zum Krankenhaus gefahren werden, warnte Christian Herdeg. Sanitäre Rettungsfahrzeuge hätten bei Notfällen entsprechende Geräte wie Defibrillatoren an Bord. Zeit bedeute bei einem Herzinfarkt Leben. Gerade Frauen würden Symptome herunterspielen: „Die schwäbische Oma räumt noch den Keller oder den Kühlschrank auf, damit der Mann etwas zu essen hat, bevor sie ins Krankenhaus geht“. Ein Ignorieren der Anzeichen aus falscher Rücksichtnahme könne fatal sein: „Lieber zehn mal umsonst die Ambulanz rufen als einmal zu spät.“

Mittel gegen Herzkrankheiten

Früh ansetzen, lautet die Devise. Dem Herzen kann es nur gut gehen, wenn es in Harmonie mit dem restlichen Körper lebe, betonte Matthias Leschke mit Blick auf die Verhinderung von Herz- oder Kreislauferkrankungen. Innere Balance, eine positive Lebenseinstellung und seelisches Gleichgewicht würden zur Gesundheit beitragen. Eine viel zitierte Studie aus Würzburg habe auch gezeigt, dass Verheiratete eher 100 Jahre alt werden als Ledige. Das solle aber kein Plädoyer für die Ehe sein. Und Sport allein mache nicht gesund: „Ohne das Gefühl von Happiness bringt Sport gar nichts.“ Mit Blick auf die Prävention „muss man keine neue Sau durchs Dorf treiben“, meinte Christian Herdeg. Die alten Regeln gelten auch neuerdings noch: Rauche nicht, trinke wenig, achte auf Gewicht, Ernährung und Bewegung.

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Berufliche und persönliche Harmonie – nach eigenen Angaben können beide Gesprächspartner diesen Idealzustand für sich in Anspruch nehmen. „Es ist eine Gnade, sich mit Menschen beschäftigen zu können“, erklärte Christian Herdeg. Es sei wichtig, sich Zeit für diese Menschen zu nehmen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten sei wichtig. Oft sei es eine heilende Beziehung. Darum müsse der Mediziner für die Kranken da sein – vor allem nach einer belastenden Diagnose. Gerade Männer müssten hier unterstützt werden: „Sie sind emotional nicht so gut gerüstet für solche Ängste.“

Verunsicherung wegen Corona

Ängste treten nach der Erfahrung von Matthias Leschke auch in anderer Hinsicht auf: „Querdenker“ und ähnliche Meinungsgruppen würden gerade in den sozialen Medien die Verunsicherung schüren. Die Folgen: Viele Menschen würden Warnsignale für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung aus Angst vor einer Corona-Infektion im Krankenhaus ignorieren. Die Zahl der Herzinfarkte sei deutlich zurückgegangen. Nicht weil die Menschen vernünftiger leben würden, sondern wegen frühzeitiger Todesfälle ohne eine entsprechende medizinische Diagnose. Es würde auch keine Beweise dafür geben, dass eine Anti-Corona-Impfung zu Komplikationen am Herzen führen würde.

Keine Rituale, aber Routine

Die Arbeit am Herzen ist eine Arbeit für das Leben. Oder auch dagegen. Wie können die Mediziner mit ihrem hohen Maß an Verantwortung umgehen, wollte Johannes Fischer im Online-Talk wissen. Konzentration auf die Arbeit, Erfahrung, Training, Schulungen, ein gutes Team oder im Bedarfsfall das Hinzuziehen von Kollegen seien hilfreich, meinten beide Ärzte. „Die Ehrfurcht vor dem Geschöpf Mensch ist wichtig“, betonte Matthias Leschke. Und sein Kollege ergänzte, dass ein Arzt eben nicht bis in die Puppen jeden Abend mit den Kumpeln ein Bier trinken gehen könne. Ausgeschlafenheit und das Achten auf die eigene Person seien ebenfalls unerlässlich. Und beide Professoren verrieten, dass sie vor Operationen keine Rituale pflegen würden. Atem anhalten, Augen schließen oder auf Holz klopfen gibt es nicht. Doch wenn jemand etwas auf oder am Herzen hat, dann wollen beide helfen.

Das Video zum EZ-Forum ist unter www.esslinger-zeitung.de/es-tv abrufbar.