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Chefarzt  Jürgen Degreif vom Klinikum Esslingen und Yoga-Lehrerin Isabel Hausser über die Bedeutung von Bewegung und drängenden Fragen zu Erkrankungen.

Das Thema des  EZ-Forums „Gesund leben“ lautete in dieser Woche „Gelenke und Bewegung“. Als Experten begrüßte die Eßlinger Zeitung Professor Jürgen Degreif, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Esslingen, und Isabel Hausser, Coaching und Yoga-Lehrerin aus Esslingen. Während der eine sich vorrangig mit Menschen beschäftigt, die bereits krank sind, kümmert sich die andere um jeden, denn, so Hausser: „Yoga kann jeder.“

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Degreif kommt meist erst ins Spiel, wenn’s wehtut. Aufgaben hat er als Chefarzt viele, aber er  steht auch oft am OP-Tisch. Das hat  ihn während  seiner Chirurgenlaufbahn „nie losgelassen“ . Umso wichtiger ist es ihm, darauf hinzuweisen, dass das Chirurgen-Dasein weit über den Operationssaal hinausreicht. „Man darf nicht vergessen, dass die Beratung der Patienten – ob eine Operation überhaupt empfehlenswert ist oder über Operationsverfahren  – mindestens genauso wichtig ist wie die Operation selbst. Und die Nachsorge auch. Keine Operation ohne Nachsorge.“
Im Klinikum Esslingen verteilen sich die zu behandelnden Fälle zur Hälfte  auf Verletzungen des sogenannten Bewegungsapparates und zur Hälfte auf  Erkrankungen. Verletzungen seien in der Regel Knochenbrüche, während es bei den  Gelenkerkrankungen degenerative Probleme wie etwa Arthrose an Hüfte und Knie sind.  Bei den Frakturen seien es bei den Älteren die hüftnahen Oberschenkelhalsfrakturen, was sehr oft vorkommt. Bei den jüngeren Leuten seien es eher Sprunggelenk- und Handgelenkfrakturen, was nicht selten mit einer sportlichen Aktion in Zusammenhang stünde. 

So klingen die Fakten, aber wie ist die soziale und psychologische Wirklichkeit? Es gibt Menschen, die müssten dringend operiert werden, wollen es aber nicht, und umgekehrt gibt es solche, die wollen partout operiert werden, aber müssen es gar nicht. Es gebe Fälle, wo er sagen müsse: „Warten Sie besser nicht mehr allzu lange. Es wird Ihnen nicht erspart bleiben und durch Warten gewinnt man nichts.“ Die Arthrose mache nicht nur Schmerzen, sondern schränke auch die Bewegung ein. Und das zunehmend.  Handeln ist also zuweilen dringend nötig.

Umgekehrt herrsche zuweilen die Vorstellung, dass der Bewegungsapparat „so was Mechanisches“ sei. Daraus erwachse der Irrglaube, dass die Chirurgie eine Art Reparaturwerkstatt sei. Der Körper sei nur ein mechanisches Teil, das müsse man nur ordentlich reparieren, und dann funktioniere alles wieder besser als je zuvor. Jürgen Degreif: „Was beim Auto so sein mag, das ist beim menschlichen Körper nicht so. Das ist ein biologisches System“, in dem auch die Heilkraft der Natur eine große Rolle spiele. Im Einzelfall sei es daher tatsächlich manchmal gut, eine Operation zu vermeiden oder zu verschieben. 

Viel vermeiden lässt sich auch im Vorfeld, selbst dann, wenn man schon nicht mehr gesund ist. Das Rezept, das sowohl der Chirurg als auch die Yoga-Lehrerin ausstellen, ist denkbar einfach: bewegen! „Wir wissen heute alle, dass wir viel zu viel sitzen und uns viel zu wenig bewegen“, erklärt Hausser. „Das Sitzen ist das neue Rauchen.“

Sitzen ohne Ausgleich macht unbeweglich. Gerade bei älteren Menschen sei es häufig so, dass eine mangelnde Stabilität und der Rückgang der Muskulatur dazu  führen, das Gleichgewicht zu verlieren und hinzufallen – und sich schlimmstenfalls einen Knochen zu brechen. Hausser erklärt: „Je stabiler ich aufgestellt bin, umso größer ist die Chance, einen Sturz zu vermeiden.“ Yoga kann dabei helfen. „Hier geht es viel um Balance, um Gleichgewicht. Nicht nur auf der körperlichen Ebene, aber auch.“

Tatsächlich hat das Yoga einen anderen Anspruch als reine Gymnastik, so Hausser. Die Gymnastik oder Pilates ziele darauf, bestimmte Muskeln und Körperteile zu stärken. Im Yoga übe  man Asanas, das sind bestimmte Haltungen in Verbindung mit einem bestimmten Atemfluss. Dabei sei es wichtig, dass die Haltung sowohl stabil als auch angenehm empfunden werde. Yoga ist kein Wettbewerb im Sinne von schneller, weiter, höher, sondern eine hochindividuelle Übung, die dazu führen soll, sich einfach nur besser zu fühlen. Und zwar im doppelten Sinne: sowohl als Annehmlichkeit als auch als Selbsterfahrung. Insgesamt verfolge Yoga einen ganzheitlichen Ansatz. Letzten Endes gehe es darum, sich auf körperlicher und auf geistiger Ebene gesund zu halten und sich seinem eigenen Selbst näher zu bringen.

Was aber eigentlich ist gesund? Hier haben Chefarzt und Yoga-Lehrerin vergleichbare Gedanken. „Gesund ist ein Mensch schon mal, wenn er sich gesund fühlt, in sich selbst wohlfühlt“, antwortet Degreif. Und Hausser sagt: „Gesundheit ist, wenn man in sich ein ausgewogenes Verhältnis spürt von Körper, Geist und Seele.“

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