Sieht viel zu tun: Kulturstaatssekretär Arne Braun auf dem Schlossplatz in Stuttgart Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

In Eschweiler ist Arne Braun aufgewachsen, in Stuttgart hat er die Lange Nacht der Museen mitbegründet, agierte als Regierungssprecher und ist jetzt Staatssekretär. Mit welchen Zielen?

Dieser Mann ist ständig unter Strom. Noch während Arne Brauns Augen mögliche Reaktionen seines Gegenübers einfangen, spürt man, wie er anderes abprüft. Auch jetzt, da er auf dem Schlossplatz in Stuttgart steht, im Herzen der Landeshauptstadt – und im räumlichen Zentrum einer seit 20 Jahren nicht eingelösten Idee. „Natürlich ist das ,Kulturquartier‘ eine Überlegung“, sagt Braun und gibt die Antwort schon vor der Frage. „Wir sind da dran“, sagt er, grüßt parallel wiederholt über den Platz – und schiebt einen für ihn typischen Satz hinterher: „Man muss es dann eben auch mal machen.“ Braun will „machen“, nicht erst, seit er am 22. September 2022 von Ministerpräsident Winfried Kretschmann als neuer Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) berufen wurde.

Getragen von „rheinischem Optimismus“

Zum Machen gehört das Durchhalten. „Ich trage den rheinischen Optimismus in mir“, sagt Arne Braun. Eschweiler ist 1965 Geburtsstadt und wird die erste Bühne, anzustoßen und umzusetzen – von der Stadtzeitungsgründung „Ringelpietz“ bis hin zu einem Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Verein. Eschweiler ist immer noch Heimat – und doch ist Arne Braun längst auch Lokalheld in Stuttgart.

Als junger Vater, so will es die mitunter mehrmals täglich wiederholte Geschichte der Stadtteilführungen im Stuttgarter Westen, ist es der frühere Chefredakteur des Stuttgarter Stadtmagazins „Lift“ (1992–2007) und Mitbegründer der in der Landeshauptstadt bis heute erfolgreichen „Langen Nacht der Museen“ leid, „im Westen“ keine Spielfläche für seinen Sohn Otto zu finden. Dabei ist ein Areal in Rufnähe. Ein weiträumiger Innenhof soll neu bebaut werden – Arne Braun und seine „Initiative Rossbollengässle“ schlagen 2004 anderes vor: die Umgestaltung zu einer Spiel- und Begegnungsfläche. Die Jahre vergehen. Arne Braun wechselt die Rolle, ist von 2007 an Berater der Grünen-Fraktion im baden-württembergischen Landtag. Die Hof-Initiative? 2012 wird das auf einem neu geschaffenen Parkhaus aufsitzende Areal offiziell eingeweiht. Arne Braun ist da bereits weggezogen. Seinen Samstags-Espresso trinkt er jedoch immer noch gern im Westen – im Café Fragola am Bismarckplatz.

Von Arne Braun initiiert: Kulturprogramm im Park der Villa Reitzenstein – 2022 unter anderem mit der Band LaBrassBanda Foto: dpa

Seit 2011 ist er Vizeregierungssprecher. Und hat eine Idee: Der Park der Villa Reitzenstein, Amtssitz des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, soll Sinnbild des erhofften Aufbruchs werden. Braun träumt von einem „offenen Raum der Kultur“. 2013 startet die Kultur-Sommerreihe.

Eigene Radioshow

„Für uns“, sagt Arne Braun, von Mai 2021 bis September 2022 Regierungssprecher, „war sofort klar, dass wir diesen großartigen Park mit der Bürgerschaft teilen wollen“. Und lachend: „Wenn, wie 2022, 1000 Menschen zur Musik von La Brass Banda tanzen, da geht einem doch das Herz auf.“ Überhaupt die Musik – Arne Braun spielt, was er gerne hört, öffentlich: Im Freien Radio Stuttgart präsentiert er bei „Radio Harakiri“ mit Moderatorin Yvy Pop und wechselweise mit Sohn Otto „internationale Neuheiten“.

Arne Braun „will bewegen“ Foto: Max Kovalenko

Welche Räume wird Arne Braun nun öffnen, da er Staatssekretär ist – und damit „echter Politiker“ wie er jüngst den „Eschweiler Nachrichten“ sagte? Traditionell kümmert sich der Staatssekretär im MWK zuvorderst um die Kultur. Die mögliche „Nur?“-Frage kontert Braun, zurück in seinem nüchtern gehaltenen Büro im sechsten Stock des Mittnachtbaus an der Stuttgarter Königsstraße, eilends: „Ein Riesenfeld“, sagt er – und meint dies ganz real.

Land engagiert sich für Kultur in der Fläche

Im Flächenland Baden-Württemberg spielen kulturelle Angebote im „ländlichen Raum“ eine wichtige Rolle. „Freiräume“ heißt ein Förderprogramm, das gerade in die dritte und letzte Runde geht. Das Land finanziert mit, wenn eine Apotheke in Calw zum Veranstaltungsraum wird oder ein Biergarten in Tauberbischofsheim als „Wir-Garten“ zum Ort der Begegnung. Noch ist für Arne Braun die Tour durch das Land nicht zu Ende. „Die ungemein spannende Bodenseeregion“ gilt es zu erkunden. Braun spricht von „Qualität und Vielfalt“ etwa im Hohenlohe und im Schwarzwald – und wechselt im nächsten Moment den Ton. „Solche Angebote brauchen ein Publikum“, sagt Braun. Und: „Probleme, die es vor Corona gab, werden jetzt noch offensichtlicher“.

Wo ist das Publikum?

Was das heißt? „Unsere Frage an die Kultureinrichtungen und Veranstalter ist“, sagt Braun: „Für wen macht ihr welches Programm für welches Publikum?“. Und er fügt hinzu: „Jedes Haus muss sich selbst überprüfen.“ Giuseppe Verdi etwa habe gezielt Familien in die Oper eingeladen. Es gehe aber nicht nur um Theater und Museen. „Persönlich finde ich die Clubkultur innovativ und wichtig“, sagt Braun, aber durch die Coronazeit seien jungen Menschen zwei Jahre Zugänge verwehrt geblieben – und Erfahrungen mit Kultur, die sie nicht machen konnten. „Die Frage ist doch, gehen die heute 18- bis 20-Jährigen überhaupt in einen Club?“

Eine Herausforderung: Geplante Generalsanierung des Opernhauses Stuttgart Foto: bw

Zwei Begriffe fallen immer wieder: „Fragen“ und „Erwartungen“. Fragen, die sich die Kultur stellen müsste, Erwartungen, die das Ministerium, die das Land habe. Fragen gibt es aber auch an das Land: Wie läuft es mit den großen Kulturbauvorhaben, den Sanierungen des Badischen Staatstheaters und der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe? Was wird aus der geplanten Erweiterung des Staatstheater-Areals und der Sanierung des Opernhauses in Stuttgart? „Vergessen Sie nicht das Technik-Museum in Mannheim.“ Als Warnhinweis für einen möglichen Finanzierungswettbewerb möchte Braun das nicht verstanden wissen.

Wer steuert die Opernsanierung in Stuttgart?

„Wir sind in Karlsruhe auf einem sehr guten Kurs“, sagt Braun. Spätestens hier muss der Blick wieder nach Stuttgart gehen. Was ist mit der „Jahrhundertaufgabe“, als die Ministerpräsident Kretschmann die Sanierung und Erweiterung des Staatstheater-Areals und die Generalsanierung des Opernhauses sieht? „Anfang des Jahres hat sich die Projektgesellschaft gegründet“, sagt Braun – „die Ausschreibung für die Geschäftsführung läuft und soll bis Mai entschieden werden“. Gesucht wird eine Persönlichkeit „mit Erfahrung bei Großprojekten und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen“.

Staatstheater zeigen sich als offenes Haus

Warum überhaupt eine Projektgesellschaft? „Es macht Sinn“, sagt Arne Braun. Es brauche ein solches „Schnellboot“, um Abläufe zügig und gleichzeitig transparent zu machen. Und er formuliert eine „klare Erwartung“: „Wir müssen kommunikativ aus der Ecke herauskommen!“ Auch mit der Hilfe Verbündeter aus Wirtschaft und Gesellschaft sowie der künstlerisch Verantwortlichen? „In den Staatstheatern Stuttgart gibt es das klare Signal ,Das Haus ist für alle’“, sagt Braun – Antwort und Erwartung zugleich.

Kultur ist für die Innenstädte von zentraler Bedeutung, ist Arne Braun überzeugt Foto: Max Kovalenko

Arne Braun schaut auf die Uhr. Der nächste Termin wartet. Wieder geht es in die Fläche. Kultureinrichtungen sind dort mitentscheidend für die Frage, „wie eine Stadt erhaltenswert bleibt“. „Wenn jetzt in der Region Kinos dichtmachen“, sagt Braun, „das sind alles Immobilien in zentraler Lage, Orte mit ganz wichtiger Funktion“. Werden die Räume also doch eher enger statt weiter? „Was wir brauchen“, sagt der neue Kulturstaatssekretär, „sind einfach gute Ideen und die Kraft, diese auch umzusetzen“. Die Kultur, davon ist Arne Braun überzeugt, „hat diese Kraft“. Und er selbst? „Klar“, sagt Braun, „natürlich will ich etwas bewegen“.

Knapp 600 Millionen Euro für die Kultur

Etat
Der Haushalt des von Petra Olschowski als Ministerin geleiteten Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst umfasst nach Angaben des Ministeriums Ausgaben in Höhe von rund 6,36 Milliarden Euro im Jahr 2023 und rund 6,61 Milliarden Euro im Jahr 2024. „Für die Kultur stecken da 581,7 Millionen Euro im Jahr 2023 und 599,3 Millionen Euro im Jahr 2024 drin“, gibt das MWK an.