Israels Premierminister Benjamin Netanyahu spricht von einem „atomaren Lagerhaus“. Foto: dpa/Abir Sultan

Mit einem US-Präsidenten Joe Biden könnte der Atomdeal mit dem Iran wiederbelebt werden. Doch 300 Tonnen radioaktives Material bei Teheran könnten Verhandlungen im Weg stehen. Was steckt dahinter?

Teheran - Hinter einer sandfarbenen Mauer und einem blau gestrichenen Metalltor südwestlich von Teheran verbirgt sich ein Geheimnis des iranischen Atomprogramms. In dem Anwesen im Dorf Turkusabad haben die Iraner nach Angaben Israels in den vergangenen Jahren bis zu 300 Tonnen radioaktives Material gelagert. Iranische Medien halten dagegen: Hinter der Mauer in Turkusabad liege nichts weiter als ein harmloser Betrieb zur Reinigung von Teppichen.

Doch nun hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) die iranischen Behörden aufgefordert, überzeugende Antworten auf eine Untersuchung zu geben, die Spuren von atomarem Material in Turkusabad nachgewiesen hatte. Was Teheran bisher an Erklärungen geliefert habe, sei unglaubwürdig, heißt es in einem neuen Bericht der IAEO. Der Verdacht, der Iran baue heimlich an einer Atombombe, erhält neue Nahrung – und dafür gibt es neben dem Geheimnis von Turkusabad noch andere Gründe.

Netanyahu spricht von einem „atomaren Lagerhaus“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnet die Anlage in Turkusabad als „atomares Lagerhaus“. Ganz in der Nähe hatten israelische Agenten vor zwei Jahren das Geheimarchiv des iranischen Atomprogramms ausgehoben. Vor den UN in New York erklärte Netanjahu damals, die Iraner seien dabei, das Lager in Turkusabad zu räumen: 15 Schiffscontainer voller Material würden fortgeschafft. Als internationale Inspektoren im vergangenen Jahr dort Proben nahmen, war das Lager leer. Doch die Experten fanden trotzdem Spuren von Atommaterial.

Einige Experten nehmen an, dass in Turkusabad zum Teil altes Materials aus dem früheren militärischen Atomprogramm des Iran gelagert wurde; das Programm wurde 2003 aufgegeben. Allerdings lagert der Iran laut IAEO inzwischen zweieinhalb Tonnen schwach angereichertes Uran, obwohl er laut dem Atomabkommen nur 200 Kilogramm besitzen darf. Das Uran wird demnach auf 4,5 Prozent angereichert und damit höher als die 3,67 Prozent, die der Vertrag als Obergrenze vorsieht. Damit ist der Iran zwar weit von der 90-prozentigen Anreicherung für waffenfähiges Material entfernt, doch der IAEO zufolge haben die Iraner begonnen, leistungsfähige Zentrifugen für die Anreicherung in der Atomanlage Natanz bei Isfahan in unterirdische Bunker zu verlegen, um sie vor Luftangriffen zu schützen. Die USA werfen dem Iran vor, inzwischen Material für zwei Atombomben zusammenzuhaben.

Neue Chance auf einen Iran-Deal?

Unter Präsident Donald Trump waren die USA vor zwei Jahren aus dem Atomabkommen ausgestiegen und hatten neue Sanktionen gegen den Iran eingeführt. Mit den Verstößen gegen den Vertrag will Teheran die Europäer dazu bewegen, sich über die US-Sanktionen hinwegzusetzen. Iran-Hardliner in Jerusalem und Washington fühlen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass der Iran schon immer die Bombe wollte und der Atomvertrag daran nichts geändert hat.

Auffällig ist, dass die iranischen Verstöße gegen das Abkommen weitergehen, obwohl der designierte US-Präsident Joe Biden seine Bereitschaft zur Rückkehr in den Vertrag bekundet hat. Offenbar will man Verhandlungsmasse aufbauen. Der Nahostexperte Karim Sadjapour von der Georgetown-Universität in Washington glaubt jedoch, neue Provokationen würden die USA unter Biden weniger gesprächsbereit machen. Nur ein Einfrieren aller Atomaktivitäten sei aussichtsreich.