Die Zahl der Einsätze ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Foto: dpa/Patrick Seeger

Die Einsatzzeiten verfehlen auch 2019 fast überall die gesetzlichen Vorgaben. Besonders auf dem Land bestehen Probleme. Doch auch in zwei anderen Bereichen gibt es Nachholbedarf.

Stuttgart - Seit langem gibt es Diskussionen über die Notfallrettung im Land. Das Innenministerium betont, die Bevölkerung sei gut versorgt. Doch in diversen Bereichen besteht nach wie vor Handlungsbedarf.

Probleme bei Notärzten und Rettungswagen

Seit Jahren können die meisten Retter im Land die gesetzlichen Vorgaben bei den Einsatzzeiten nicht einhalten. Sie kommen zu oft später zum Einsatzort als erlaubt. Das hat sich trotz aller Bemühungen bisher nicht geändert. Denn es wird zwar landauf, landab nachgebessert, etwa mit zusätzlichen Fahrzeugen, doch es fehlt an Personal und die Einsatzzahlen steigen. So fahren viele Retter permanent der Entwicklung hinterher.

Maßgeblich ist die sogenannte Hilfsfrist. Sowohl Rettungswagen als auch Notärzte müssen in 95 Prozent der Einsätze binnen 15 Minuten vor Ort sein. Eigentlich sieht das schwammig formulierte Gesetz sogar zehn Minuten vor, was medizinisch sinnvoller wäre. Im vergangenen Jahr haben die Rettungswagen nur in acht der 35 Rettungsdienstbereiche des Landes die 95 Prozent erreicht. Spitzenreiter war Mannheim mit 97,1, Schlusslicht Karlsruhe mit 86,6 Prozent. Bei den Notärzten sieht es noch schlechter aus: Nur in drei Bereichen wurden die Vorgaben eingehalten – in Stuttgart, Mannheim und Ludwigsburg. Karlsruhe kam auf lediglich 82,1 Prozent, Waldshut auf 82,7. In manchen Regionen gab es Verbesserungen, in anderen Verschlechterungen. Für 2020 ist keine große Änderung zu erwarten: Zwar gab es durch die Coronakrise zeitweise weniger Einsätze, dafür waren sie aufwendiger.

Die Qualitätssicherungsstelle für den Rettungsdienst in Baden-Württemberg spricht in ihrem Jahresbericht von „Strukturmängeln“ besonders im ländlichen Raum. Krankenhäuser schließen, die Anfahrtswege werden dadurch länger, die Fahrzeuge sind gebunden. Die Hälfte der 35 Rettungsdienstbereiche ist wegen auffälliger Fahrzeiten zu Stellungnahmen aufgefordert worden.

Das Innenministerium veröffentlicht die Zahlen nur noch ohne Ankündigung oder Kommentierung auf seiner Internetseite. „Die Werte haben sich in mehreren Rettungsdienstbereichen gerade bei den ersteintreffenden Rettungsmitteln positiv entwickelt“, sagt ein Sprecher. Außerdem sei die Hilfsfrist nicht der einzige wichtige Faktor. „Entscheidend für die Qualität des Rettungsdienstes ist die Betrachtung der gesamten Rettungskette.“ So spiele es in vielen Notfällen die größere Rolle, binnen welcher Zeit der Patient eine Klinik erreiche.

Gutachten für die Luftrettung

Viele Diskussionen gibt es auch um die Luftrettung im Land. Derzeit sind in Baden-Württemberg acht Hubschrauber stationiert, nur der in Villingen-Schwenningen fliegt auch nachts. Immer wieder entbrennt Streit um mögliche zusätzliche Standorte und Flugzeiten. Fakt ist: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Einsätze um 400 auf 12 950 zurückgegangen – vorwiegend, weil es weniger Flüge zur Verlegung von Patienten gegeben hat. Knapp ein Fünftel der Einsätze ist aber gar nicht von den im Land stationierten Hubschraubern absolviert worden, sondern von Bayern oder der Schweiz aus. Das entspräche ungefähr zwei zusätzlichen Standorten.

In der nächsten Woche will das Innenministerium nach Informationen unserer Zeitung die Ergebnisse eines Strukturgutachtens vorlegen. Darin geht es um die Standortwahl nach „einsatztaktischen, aber auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten“, so der Sprecher. Besonders berücksichtigt werde ferner „die Entwicklung der Krankenhausstruktur und der ländliche Raum mit seinen Herausforderungen“.

Leitstellen im Fokus

Viele Experten fordern seit Jahren, dass sich die Zahl der 35 Leitstellen im Land deutlich verringern müsse – auf acht oder neun. Dort gehen Notrufe ein und die Einsätze werden koordiniert. Tatsächlich hat das Innenministerium im Dezember 2016 das „Projekt Leitstellenstruktur in Baden-Württemberg“ aus der Taufe gehoben. Auf der dazugehörigen Internetseite findet sich zuletzt im Dezember 2017ein Eckpunktepapier, das vage bleibt und keine Zahlen nennt. Kein Wunder – jeder betroffene Landkreis dürfte gegen den Verlust seiner Leitstelle ankämpfen.

Die letzte Meldung findet sich im vergangenen September in einer Antwort auf eine SPD-Landtagsanfrage. Darin schreibt das Ministerium: „Aus Sicht des Landes ist eine gemeinsame Integrierte Leitstelle mehrerer Landkreise auch zukünftig nicht ausgeschlossen.“ Jetzt teilt man mit, das Eckpunktepapier diene „als Grundlage für künftige Standortentscheidungen“. Es konzentriere sich auf Qualität, Ausfallsicherheit, Effizienz und einheitliche Technik. Die Zahl der Leitstellen schreibe man nicht fest.