Gerhard Polt – hier beim Auftritt im August 2023 im Theaterhaus Stuttgart Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt ist aktuell auf seiner letzten großen Tournee unterwegs – und gastiert am 22. Juli beim Zeltspektakel in Winterbach. Im Gespräch äußert sich der 82-Jährige über die Gründe seines geordneten Rückzugs und über die Entstehungsgeschichte von „Nikolausi“.

Es ist sicher nicht übertrieben, Gerhard Polt als eine Legende des deutschen Kabaretts zu bezeichnen. Mit seiner Mitwirkung im „Scheibenwischer“, seiner TV-Reihe „Fast wie im richtigen Leben“ oder Filmen wie „Kehraus“ oder „Man spricht deutsh“ machte er Furore. Große Tourneen will sich der 82-Jährige demnächst aber nicht mehr zumuten. Der Auftritt beim Winterbacher Zeltspektakel ist einer der letzten außerhalb des Großraums München. Kurz vor seinem womöglich letzten Ausflug ins Remstal – das er dank zahlreicher Auftritte von Schorndorf bis Fellbach gut kennt – stellt er sich den Fragen unserer Redaktion.

Herr Polt, „der Bühnenabschied ist nahe“ heißt es, der Auftritt in Winterbach beim Zeltspektakel sei einer Ihrer letzten. Altersgenossen wie die Rolling Stones oder Howard Carpendale haben schon mehrfach Abschiedstourneen angetreten und sind dann doch wieder auf die Bühne gekraxelt. Werden Sie vielleicht auch rückfällig?

Das muss ich korrigieren. Ich habe nie gesagt, dass ich anschließend nicht mehr auftreten werde, um Gottes willen. Ich möchte nur die weiten Reisen nicht mehr machen, mit Entfernungen von 500 oder gar 800 Kilometern am Tag. Gelegentliche Auftritte gibt’s auch künftig, aber nur, wenn ich am selben Tag wieder zurückkehren kann – also vielleicht im Radius von 50 Kilometern rund um München. In der letzten Zeit habe ich gemerkt, diese Staus so zwei, drei Stunden irgendwo auf der Autobahn, ohne dass es einen Meter vorangeht, das tut mir nicht mehr gut. Und leider ist die Eisenbahn keine große Alternative. Die sogenannte Mobilität ist wirklich wesentlich anstrengender als das Spielen auf der Bühne.

Paul McCartney ist gut einen Monat jünger als Sie, Mick Jagger wird in wenigen Tagen 81. Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Und Deep Purple spielen einen Tag vor Ihnen auf dem Zeltfestival in Winterbach – wenn Sie ein wenig früher anreisen, könnten Sie die Hardrock-Pioniere noch anhören.

Na, das wird sich eher nicht ausgehen. Aber ich finde das toll, dass die kommen; und die Winterbacher kennen wir ja jetzt auch schon mehr als 20 Jahre, was die auf die Beine stellen, mit ihrem Zelt und dem ganzen Drumherum, voller Elan und mit großer Begeisterung, das war immer sehr sympathisch.

Sie haben ohnehin einige Verbindungen ins Remstal. Ich kann mich selbst noch erinnern, dass ich als 19-Jähriger im Februar 1982 mit dem eigens von der Manufaktur gestellten Bus von Schorndorf nach Stuttgart in die Messehalle gefahren bin, wo die „Manu“ einen „Killesberg-Abend für den Frieden“ veranstaltet hat. Und wer ist dort aufgetreten, so die Chronik? Hüsch, Wader und Polt.

An diesen Auftritt selber kann ich mich nicht mehr genau erinnern, aber Hanns-Dieter Hüsch und Hannes Wader bin ich öfter begegnet. Wir haben ja oft in Stuttgart gespielt, mit Begeisterung. Das war meistens im Theaterhaus für Werner Schretzmeier. Deshalb sind wir bis heute gern dort zu Gast.

Einer Ihrer Sketche aus jüngerer Zeit heißt „Rentner“ – den Begriff Frührentner lehnen sie darin aber vehement ab.

Na, ein Rentner bin ich schon, denn ich hab stets in die Künstlersozialversicherung einbezahlt. Ansonsten bin ich halt, wie der Dieter Hildebrandt einmal g’sagt hat, wahrscheinlich auch ein Triebtäter. Das heißt, wenn man so viele Jahre auf der Bühne war, dann möchte man immer wieder auf die Bühne zurück. Des is wie a Zirkuspferd, wenn die Musik spielt, dann geht man in die Höhe.

Sehen Sie sich in Ihrer Arbeit als Perfektionist? Loriot, also Vicco von Bülow, hat seine Filme immer ganz exakt durchgetaktet und genau festgelegt, was genau die Schauspieler in welcher Betonung und mit welchen Pausen sagen müssen – nach dem Motto: Humor ist harte Arbeit und muss ganz exakt sitzen.

Nein, bei mir war das immer eher das Gegenteil vom Loriot. Ich habe immer das Schaffen im Team bevorzugt. Ich war immer angewiesen auf andere und vielleicht manch anderer auch a bisserl auf mich. Egal, ob im Film oder im Theater: Man wirft sich die Bälle zu, man fängt sie auf, man diskutiert, und aus dem Austausch von Meinungen und Sichtweisen entsteht das beste Ergebnis.

Bei vielen sind Sie ja bekannt durch einprägsame Highlights, etwa durch „Mai Ling“ oder dem deutschsprachigen Welthit, wie man sagen könnte, „Nikolausi, Osterhasi“ – ein Geniestreich. Wie kommt man überhaupt auf so etwas?

Die Osterhasi-Geschichte hab’ ich erlebt in einem Kramerladen. Das hat sich da genau so vollzogen: Der Junge war da, mit seiner Pudelmütze auf, die Mutter war da, die Kramerin hat gerade eine Wurst g’schnitten, und das Kind hat da hingedeutet, und dann kam dieser merkwürdige Dialog mit dem Osterhasi und der klägliche Versuch, dem Kind klarzumachen, worum es sich hier handelt.

„Fast wia im richtigen Leben“, wie Ihre Fernsehserie von 1979 bis 1987 hieß.

Ich kann von mir schon sagen, dass das Allermeiste, was ich erzähle, doch starke Realitätsbezogenheit hat.

Und doch gibt’s den Lauf der Zeit: Als wir in der Redaktion über das bevorstehende Interview mit Ihnen gesprochen haben, meinte ein Kollege so Anfang 30, er kenne Sie gar nicht. Der andere ist so um die 50, seit Jahrzehnten ein Polt-Edelfan und hat mir gleich den Link zu Ihrem Sketch „Leasingvertrag“ weitergeschickt.

Das ist richtig, was Sie beobachtet haben. Es geht wie alles im Leben, es gerät viel in Vergessenheit. Wahrscheinlich einer der größten Komiker ist Karl Valentin, den kennen in München nur noch wenig Leute. Der hat so tolle Sachen gemacht, da denkt man, das ist für die Ewigkeit – und dann merkt man, die Jugend kennt das kaum mehr. Oder wer kennt heute noch Wilhelm Busch, das ist eine andere Generation, die hat mit diesem Humor wenig zu tun.

Auf der Homepage der Well-Brüder, die Ihre Auftritte organisieren, heißt es: „Wir bitten um Verständnis, dass Gerhard Polt nicht auf privaten Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern auftritt und dafür auch keine Videobotschaften verschickt.“ Wenn Sie künftig keine großen Tourneen mehr machen, könnten Sie bei dieser Vorgabe doch großzügiger sein und die nächste Einladung zu Tante Traudls Geburtstag annehmen?

(Lacht) Es klingt sehr lustig, aber es ist wahr, und ich habe das öfter erlebt: Jemand ruft mich an, ich stehe ja auch im Telefonbuch, und sagt, sein Onkel habe Geburtstag, der wird 60 Jahre, und ich soll doch unbedingt kommen, ich sei doch so lustig, ich würde auch nen Kaffee kriegen und könnte meine Geschichten erzählen, weil der Onkel freut sich darüber. Dann hab’ ich gesagt, naa, i hab schon nen Kaffee getrunken. Und er: Sie können auch noch einen Tee haben oder ein Stück Kuchen. Aber nein, ich glaube, diese Einladungen werde ich auch künftig nicht annehmen können.

Ein Faible für Schweden

Ein Faible für Schweden

Herkunft
Gerhard Polt wurde am 7. Mai 1942 in München geboren. Er hat später dort Poltikwissenschaft, Geschichte und in Göteborg das Studium der Skandinavistik und des Altgermanischen absolviert. Er spricht fließend Schwedisch. Mitte der 1970er Jahre begann seine kabarettistische Karriere.

Auftritt
Zusammen mit den Well-Brüdern gastiert Gerhard Polt am Montag, 22. Juli, um 20 Uhr beim 13. Zeltspektakel in Winterbach. Angekündigt wird ein unterhaltsamer „Bairischer Abend“, fernab von weiß-blauer Weißwurstidylle und Bierseligkeit. Es gibt noch Karten (zu 42 Euro).