Stadträte unterschiedlicher Couleur fordern Rathauschef Roland Klenk auf, den Vortrag des umstrittenen Historikers Daniele Ganser in der Leinfeldener Filderhalle doch noch abzusagen. Dazu haben sie einen gemeinsamen Brief verfasst.
Wird Roland Klenk, der Oberbürgermeister der Stadt Leinfelden-Echterdingen, den für Freitag, 12. Mai, terminierten Auftritt des umstrittenen Historikers und Publizisten Daniele Ganser in der Filderhalle doch noch absagen? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit viele – nicht nur in Leinfelden-Echterdingen. Fest steht: Der Druck auf den Rathauschef wächst. Nach der Informationsveranstaltung des Bündnisses „Solidarität statt Hetze“ im Oberaichener Pavillon vor einer Woche, gibt es nun weiteren Protest. Die SPD-Fraktion und die Grünen im Gemeinderat sowie Sigrid Ott und Sabine Onayli von L.E. Bürger/DiB und Anil Beşli (Linke) haben ein gemeinsames Schreiben verfasst. Darin fordern sie Klenk auf, der zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der Filderhalle ist, dafür zu sorgen, dass die Geschäftsführung der Filderhallen GmbH vom Vertrag mit der Agentur Nema Entertainment zurücktritt, sodass Daniele Ganser nicht in Leinfelden auftreten kann.
Der Publizist will am 12. Mai in Leinfelden über die Frage „Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?“ sprechen. Der Schweizer ist im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien aufgefallen, ihm wird unter anderem Holocaust-Verharmlosung vorgeworfen. Dennoch hat die Verwaltungsspitze von Leinfelden-Echterdingen seinen Auftritt mit der Begründung genehmigt, dass der Historiker „zwar Verschwörungstheorien zugewandt ist, das jedoch unter die Meinungsfreiheit fällt“.
Das Bündnis „Solidarität statt Hetze“ sieht das anders. Der breite Zusammenschluss aus Parteien, Gewerkschaften und Organisationen will den Auftritt in Leinfelden weiterhin verhindern. Das Bündnis hatte deshalb vor rund einer Woche eine Podiumsdiskussion im Oberaichener Pavillon des evangelischen Gemeindezentrums veranstaltet, an der sich auch die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Barbara Traub, Klaus Gestwa, Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen, sowie der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume, beteiligt hatten. Zu der Veranstaltung waren auch mehr als 20 ukrainische Flüchtlinge gekommen, die den Auftritt Gansers ebenfalls verhindern wollen.
Ganser-Auftritt ist das Stadtgespräch
„Nichts beschäftigt die Stadt und viele Mitbürgerinnen und Mitbürger so sehr, wie die Diskussion um den Auftritt von Daniele Ganser in der Filderhalle“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Erich Klauser am Dienstagabend am Rande der jüngsten Gemeinderatssitzung. Klauser nutze die Chance, deutlich zu machen, dass den Mitgliedern des Ältestenrats damals, als in dem nichtöffentlichen Gremium erstmals über diese geplante Veranstaltung gesprochen wurde, „die Person Ganser nicht bekannt war“.
Die Verfasser des Schreibens fordern ein, dass „aktuelle Erkenntnisse“ über den Redner dargelegt werden und künftig bei solchen Veranstaltungen der gesamte Gemeinderat einbezogen wird.
„Der Gemeinderat teilt in keiner Weise die Thesen, die von dem Referenten vertreten werden“, heißt es in dem Brief an Klenk. Die in den vergangenen Wochen stattgefundene breite öffentliche Diskussion lasse eine Schädigung des Ansehens der Filderhalle oder der Stadt Leinfelden-Echterdingen befürchten, möglicherweise sei diese bereits eingetreten. In den Geschäftsbedingungen der Filderhalle sei festgehalten, dass das städtische Tochterunternehmen dann berechtigt ist, von dem Vertrag zurückzutreten. Die Erzählung von allerlei Mythen dürfe nicht in einer öffentlichen, mit Steuermitteln finanzierten Halle erfolgen.
Erich Klauser hätte das Schreiben – das noch kein richtiger Antrag war – an diesem Abend gerne dem Oberbürgermeister Roland Klenk persönlich überreicht. Der Rathauschef war allerdings krank und konnte nicht an der Sitzung teilnehmen. Der SPD-Fraktionschef ist gespannt, wie Klenk auf den Brief reagieren wird.