Die Gräber von Opfern der Zwangsarbeit müssen im Filsgebiet bleiben, die Gemeinde darf sie nicht auf den Friedhof bei der Mauritiuskirche verlegen. Foto: Karin Ait Atmane - Karin Ait Atmane

Die Gräber von Zwangsarbeitern wollte die Gemeinde Reichenbach auf den Friedhof in der Ortsmitte verlegen. Doch das darf sie nicht, weil die Gräber unter Denkmalschutz stehen.

ReichenbachDie Lage zwischen Bahn, Bundesstraße und Landesstraße ist wenig attraktiv – außer für einen Lagerplatz, oder eine Baustoff-Recyclinganlage. Eine solche würde die Gemeinde Reichenbach gern auf einem Grundstück am östlichen Filsweg ansiedeln. Doch das ist alles andere als einfach: Sie muss den Flächennutzungsplan ändern und einen Bebauungsplan aufstellen. Und dann ist da noch der Zwangsarbeiterfriedhof, der entgegen früherer Planungen doch nicht auf den allgemeinen Friedhof verlegt werden darf – weil er inzwischen denkmalgeschützt ist.

Bereits im Jahr 2016 hatte der Gemeinderat beschlossen, den Zwangsarbeiterfriedhof in der Filsstraße aufzulösen, die Gräber auf den Friedhof zu verlegen und dort eine zentrale Gedenkstätte einzurichten. Schließlich befinden sich ohnehin einige Gräber von Zwangsarbeitern, die in dem großen Lager in Reichenbach gestorben sind, auf dem Friedhof bei der Mauritiuskirche. Sie stammen von 1944 und 1945; warum in den Jahren davor 28 Erwachsene und Kinder an der Filsstraße beigesetzt wurden, weiß man nicht. Es könnte aber durchaus einen diskriminierenden Hintergrund haben: Anstatt bei allen anderen begrub man diese Menschen irgendwo am Ortsrand. Sicher weiß man das nicht – aber unabhängig davon stufte vor vier Jahren Kreisarchivar Manfred Waßner die jetzige Lage des sogenannten Russenfriedhofs, eingezwängt zwischen Verkehrswegen, außerhalb des bebauten Bereichs und in nicht gerade ansprechendem Umfeld, als wenig pietätvoll ein.

Er hielt eine würdevolle Umbettung und eine zentrale Gedenkstätte für keine schlechte Idee. Zusammen mit einer Vertreterin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurde ein Entwurf für die neue Gedenkstätte mit mehreren Varianten erarbeitet. Gleichzeitig regte die SPD an, mit einer Art Mahnmal an die Grabstätte in der Filsstraße zu erinnern. All das ist mittlerweile hinfällig, denn offenbar wurde der Zwangsarbeiterfriedhof in der Zwischenzeit unter Denkmalschutz gestellt. „Mitten im Verfahren“, sagt Bürgermeister Bernhard Richter: „Die haben ihn in die Denkmalliste aufgenommen und uns weder informiert noch in irgendeiner Weise beteiligt.“ Die Gemeinde habe natürlich vorab geprüft gehabt, ob Denkmalschutz bestand. Das sei nicht der Fall gewesen. Von der Änderung habe sie erst erfahren, als das Regierungspräsidium aus diesem Grund die Erweiterung des Gewerbegebiets Filsstraße nach Osten ablehnte.

Über dieses Vorgehen, auch wenn es rechtens sei, ärgert sich Richter sehr. Die Gemeinde hat zudem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt. Um das Verfahren nicht in die Länge zu ziehen, geht sie aber parallel einen zweiten Weg, indem sie das betreffende Gewerbegrundstück auf 0,25 Hektar verkleinert und anders zuschneidet: Der östliche Zwickel fehlt jetzt. Damit liegt die Fläche 50 Meter vom Zwangsarbeiterfriedhof entfernt. „Ich denke, mit diesem Abstand kann man eine sehr deutliche Zäsur zum Friedhof schaffen“, sagte Richter in der Gemeinderatssitzung. Die B 10 ist jedenfalls deutlich näher an den Gräbern, nur knapp 20 Meter entfernt.

So will man die Änderung des Flächennutzungsplans durchbringen und möglichst zügig einen Bebauungsplan aufstellen. Der wäre auf ein örtliches Bauunternehmen zugeschnitten, mit dem man, so Richter, schon seit 2010 im Gespräch sei. Die Firma hatte zumindest damals Interesse, an dieser Stelle eine Recycling-Anlage für Baustoffe zu errichten: In ihr sollten Materialien aus dem Tiefbau für die Wiederverwendung aufbereitet werden. Bestimmt keine ganz leise Nutzung, aber im Zuge des Genehmigungsverfahrens werden solche Aspekte überprüft. Grundsätzlich sei das eine absolut nachhaltige Sache, sagt Richter, man spare Material und lange Transportwege und damit „richtig CO2“. Da wolle man mal wirksam Klimaschutz betreiben, und dann werde einem ein Stein nach dem anderen in den Weg gelegt. Der Bürgermeister und die Gemeinderäte hoffen, dass die Hängepartie bald ein Ende hat und die Firma noch an dem Projekt interessiert ist.