Hühner im Freien? Damit könnte auch in Stuttgart bald Schluss sein, sollte sich der Vogelgrippe-Verdacht bestätigen. Foto: imago/Countrypixel

Das Virus hält die Region Stuttgart in Atem. Im Kreis Böblingen gibt es schon eine Stallpflicht für Geflügelhalter, die Stadt Stuttgart bereitet wegen toter Möwen eine mögliche vor – und auch die Wilhelma trifft erste Vorbereitungen.

Hat die Vogelgrippe nun auch Stuttgart erreicht? Ein Schnelltest bei den toten Möwen, die am Wochenende an der Schleuse in Obertürkheim gefunden wurden, legt den Verdacht nahe und versetzt die Stadt in Alarmbereitschaft. „Wir haben schon die großen Geflügelhalter und die Wilhelma informiert“, sagte Harald Knitter, Sprecher der Stadt Stuttgart, am Mittwoch. Die Landeshauptstadt bereitet sich jetzt schon auf eine mögliche Stallpflicht vor. Ob die Allgemeinverfügung dazu aber wirklich kommt, hängt von den Ergebnissen des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) ab. Dorthin wurden die Proben und der Befund von den Experten des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Stuttgart geschickt, um das exakte amtliche Ergebnis zu erhalten.

Stadt Stuttgart rät zur Vorsicht

Mit einer Rückmeldung sei an diesem Donnerstag oder Freitag zu rechnen, so Knitter. „Es ist aber sicher nicht verkehrt, wenn auch private Halter bis dahin ihre Tiere vorsichtshalber drinnen halten“, betont der Sprecher. Sollte sich der Verdacht auf Vogelgrippe bestätigen, werde kein Weg an einer Stallpflicht vorbeiführen: „Das ist der beste Schutz“, sagt Knitter. Ziel ist es, jeden direkten oder indirekten Kontakt zwischen Nutztieren und Wildvögeln auszuschließen. „Ein Ausbruch bei gehaltenen Vögeln und Geflügel wurde in diesem Winter bisher in Baden-Württemberg nicht festgestellt“, sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Ministeriums für Ländlichen Raum.

Von einer Stallpflicht betroffen wären dann auch die Vögel im zoologisch-botanischen Garten der Stuttgarter Wilhelma. „Wir harren der Dinge und warten, was der Test ergibt. Parallel bereiten wir aber entsprechende Maßnahmen vor“, bestätigt Volker Grün, Fachbereichsleiter der Zoologie, der seit Wochen in enger Absprache mit dem städtischen Veterinäramt steht. „In der Wilhelma gab es noch keinen Infektionsfall, aber die Einschläge kommen ja immer näher.“ Bestätigt sich der jetzige Verdacht, werde man einige Vögel „aufstallen“, sprich: sie in Innenräume bringen.

Andere bleiben in den Volieren, über die aber Folien und feinmaschige Netze gespannt werden. „Generell steht das Tierwohl im Vordergrund, der Vogelbestand ist sehr wertvoll“, sagt Grün, der betont, dass man die Maßnahmen zum Schutz der Tiere schon seit Wochen erhöht hat. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, lautet dabei das Motto in der Wilhelma, schließlich wolle man Stress in der Brutzeit vermeiden. Müsste man zum Beispiel die Geier einfangen, wäre die diesjährige Zuchtsaison zu Ende.

Für Mitarbeiter gelten bereits strengere Hygieneauflagen. Auch Besucher, die derzeit die begehbare Voliere betreten wollen, müssen zur Desinfektion der Schuhsohlen durch entsprechende Wannen gehen. „Sollte die Stallpflicht kommen, wird dieser Bereich aber für das Publikum geschlossen“, sagt der Zoologe Grün, „wir tun wirklich alles für unsere Tiere.“ Nicht betroffen von den Schutzmaßnahmen könnten Pinguine sein. „Sie sind nicht so empfänglich für die Vogelgrippe, für sie könnte eine Ausnahmegenehmigung gelten.“

Weil die Möwen in Obertürkheim und damit in unmittelbarer Nähe zum Landkreis Esslingen gefunden wurden, hat die Stadt Stuttgart die Kollegen dort schon vorgewarnt. Noch dürfen Geflügelhalter ihre Hühner und Gänse draußen halten, „aber das kann sich aktuell ändern“, warnt eine Sprecherin des Landratsamts Esslingen mit Verweis auf das Ergebnis aus Greifswald.

Im Kreis Böblingen gilt bereits eine Stallpflicht

Im anderen Esslinger Nachbarkreis, im Kreis Böblingen, sind die Geflügelhalter bereits dazu verpflichtet, ihre Tiere im Stall zu lassen. Dort wurden zuletzt drei Ausbrüche der Vogelgrippe bestätigt: bei zwei Graugänsen in Leonberg und bei einem Turmfalken in Hildrizhausen. Infizierte Wildvögel sind auch aus dem Ostalbkreis und den Kreisen Tübingen, Karlsruhe und Lörrach bekannt, wie das Ministerium für Ländlichen Raum mitteilte. Im Kreis Reutlingen gibt es eine regionale Stallpflicht, obwohl dort noch kein Fall nachgewiesen wurde.

19 Fälle gab es insgesamt seit Jahresanfang im Südwesten. „Wir haben momentan ein hohes Risiko, dass Fälle auftreten. Das Virus kann auch in Baden-Württemberg schnell bei gehaltenen Tieren auftreten“, warnt eine Sprecherin. Um die Tiere vor einer Infizierung zu schützen, sollten die Halter laut Landesbauernverband unter anderem darauf achten, dass die Tiere selbst oder ihr Futter nicht mit Wildvögeln in Kontakt kommen können. Zudem sollten die Mitarbeiter ihre Stallkleidung in einer Hygieneschleuse anlegen und die Schuhe desinfizieren. Diese „Biosicherheitsmaßnahmen“ gelten landesweit bereits seit dem 21. Januar auch für kleinere Geflügelhaltungen mit weniger als 1000 Tieren, also auch für Hobbyhalter. Liegt ein Betrieb in einer Restriktionszone, dürfen keine Tiere oder Eier nach außen gelangen.

Übertragung vom Tier zum Mensch sehr selten

Aus den Gebieten mit einer Stallpflicht können keine Freilandeier verkauft werden. „Es gibt in der EU aber die 16-Wochen-Regelung, um den Verlust für die Betriebe etwas abzufangen“, erklärt eine Sprecherin des Landesbauernverbands. Die Eier dürfen dann 16 Wochen lang weiterhin mit Freilandhaltung gekennzeichnet werden. Zieht sich die Stallpflicht über diesen Zeitraum hinaus, müssen die Betriebe ihre Eier mit dem Hinweis auf Bodenhaltung verkaufen.

Unter der Vogelgrippe versteht man laut Robert-Koch-Institut (RKI) eine hochansteckende Erkrankung durch Influenza A-Viren bei Vögeln. Beim Menschen könne eine Krankheit zwar sehr schwer verlaufen, die Übertragung vom Tier sei jedoch nicht so leicht. In Deutschland ist bislang keine entsprechende Erkrankung bekannt geworden. „Nach bisherigen Erfahrungen scheint es nur bei engem Kontakt mit erkrankten oder verendeten Vögeln sowie deren Produkten oder Ausscheidungen zur Übertragung der Viren vom Tier auf den Menschen zu kommen“, so die Einschätzung des RKI. Wer also am Neckar unterwegs ist und tote Möwen entdeckt, sollte sie auf keinen Fall berühren.