Das Anforderungsprofil für Hebammen, gerade auch die, die Hausgeburten machen, ist groß. Foto: imago images/Karina Hessland

Die Verhandlungen der Krankenkassen und der Berufsverbände über einen neuen Hebammenhilfevertrag und höhere Vergütungen sind ins Stocken geraten. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Jede gesetzlich versicherte Frau hat während der Schwangerschaft, der Geburt, dem Wochenbett und der Stillzeit Anspruch auf Hilfe durch eine Hebamme – bis zu zwölf Wochen nach der Geburt. So viel zur Theorie. Denn eine Hebamme muss erst einmal gefunden werden. Wer für die Postleitzahl 71638 über das Online-Portal Hebammensuche für eine Entbindung Mitte August eine Hebamme sucht, landet im Kreis Ludwigsburg gerade mal vier Treffer – freie Kapazitäten für besagten Zeitraum gibt nur eine der Hebammen an. Ob die anderen eine weitere Schwangere aufnehmen, zeigt sich erst bei der Kontaktaufnahme.

Der Bedarf ist groß, das Angebot zu klein. Viele freiberufliche Hebammen ziehen sich aufgrund der hohen Haftpflichtprämien aus ihrem Beruf zurück oder arbeiten nur noch wenige Stunden, um der Sozialversicherungspflicht zu entgehen. Wer dann auch noch eine Hebamme sucht, die Hausgeburten macht, hat es noch schwerer – und das bei steigenden Hausgeburten-Zahlen. Im Kreis Ludwigsburg bieten sie nur die Oberstenfelderin Nicole Breuer und eine Kollegin in Gerlingen an.

Mehr Geld für Wochenbettbesuch

Constanze Müller-Pantle, Landeskoordinatorin der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG), wundert das nicht. Das Anforderungsprofil sei immens. „Wer will das Handy auch nachts neben dem Bett haben und immer erreichbar sein?“ Die Rufbereitschaft gilt drei Wochen vor dem Geburtstermin bis zu maximal zwei Wochen danach. Aber auch finanzielle Aspekte schrecken ab. Für einen Wochenbettbesuch bekommt eine Hebamme 38,46 Euro brutto – unabhängig von der Dauer. „Kein Handwerker würde für den Stundenlohn zur Arbeit gehen“, moniert Breuer. Auch die Fahrtkostenpauschale sei zu niedrig. Pro Kilometer gibt es 0,81 Cent. 1,50 Euro sollten es sein. Fahre man zu den Müttern, entstünden durch die Kfz-Versicherung, Verschleiß, Sprit und Arbeitszeit zusätzlich Kosten. „Deshalb bevorzugen wir die Betreuung im Hebammenhaus, was aber wiederum zu mehr Stress für Mutter und Kind führt.“

Apropos Versicherung. Für die Gruppen-Haftpflichtversicherung über den Hebammenverband muss Breuer 11 508 Euro im Jahr auf den Tisch legen. „Der Betrag steigt jährlich um zehn Prozent.“ Breuers Forderungen, die sich mit denen ihrer Kolleginnen deckt: eine Erhöhung der Vergütung, „damit ein Stundenlohn rauskommt, der für Freiberufler angemessen ist“. Auch der hohe Aufwand für Verwaltung und Fortbildungen sollten eingerechnet sein. Außerdem sollten Leistungen, die von Personen mit „Schmalspurausbildungen“ – etwa von Wöchnerinnen- oder Mütterpflegerinnen – erbracht werden, nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Die letzte Erhöhung der Vergütung datiert vom Jahr 2017. Verhandlungen über einen neuen Hebammenhilfevertrag sind wegen Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern – dem GKV-Spitzenverband als zentraler Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und den Hebammenverbänden – ins Stocken geraten. Man habe mehrfach die Initiative ergriffen, einen Konsens herbeizuführen, betont die Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums Kira Nübel. Doch der sei nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Deutsche Hebammenverband (DHV) habe Klage beim Sozialgericht erhoben. Grund sei unter anderem ein Streit zwischen den Hebammenverbänden und den Verbänden der von Hebammen geleiteten Einrichtungen, ob das Netzwerk der Geburtshäuser an den laufenden Verhandlungen zu beteiligen ist.

Zu den laufenden Verhandlungen könne man keine Aussagen machen, betont Jens Ofiera, Pressereferent beim GKV. „Wir bedauern sehr, dass der Streit zwischen einem Hebammenverband und einem Geburtshausverband ein Vorankommen momentan sehr erschwert.“ Auch der DHV schweigt. Man sei immer daran interessiert, auf schnellstem Wege einen leistungsorientierten, realitätsnahen, adäquaten Vergütungsvertrag nicht nur für die im Verband organisierten Mitglieder, sondern für alle freiberuflich tätigen Hebammen zu vereinbaren, sagt die Landesvorsitzende Jutta Eichenauer.

Anforderung an die Hebammenausbildung

Studium
Die Reform des Bundesgesundheitsministeriums zur Hebammenausbildung schreibt seit Januar 2020 grundsätzlich das duale Hochschulstudium mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ für die Hebammenausbildung vor. Die bisherige schulische Ausbildung endet mit der Übergangsfrist 2022. Für Bewerber bedeutet das: Der Realschulabschluss reicht nicht mehr. Sie müssen künftig eine abgeschlossene, zwölfjährige Schulausbildung oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Pflegeberuf vorweisen, um Hebamme werden zu können. Je nach Hochschule soll das Studium zwischen sechs und acht Semestern dauern.