Ministerpräsident Kretschmann eröffnete den Gasgipfel mit einem düsteren Statement. Foto: dpa/Marijan Murat

Ministerpräsident Kretschmann betont beim Gasgipfel in Stuttgart, es gehe jetzt um alles, auch um unsere Freiheit und „um das Jahrhundertwerk des vereinten Europa“. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichten sich Politik und Wirtschaft zum Gassparen.

Der Gasgipfel im Stuttgarter Neuen Schloss hat begonnen – gut 40 Personen aus Politik und Wirtschaft wollen sich dort bis etwa 12.30 Uhr austauschen, um sich auf einen Winter vorzubereiten, „der zu einer Zerreißprobe führen könnte“, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seinem Eingangsstatement sagte. Ergebnisse sollen anschließend auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden.

Kretschmann übte sich in seiner Rede in einem ungewöhnlich harschen und dramatischen Ton, der fast einer Kriegsrhetorik glich. Es stehe jetzt „unsere Freiheit, unserer innerer Frieden, unser wirtschaftlicher Wohlstand und unsere soziale Sicherheit auf dem Spiel“, sagte er. Man müsse dem Despoten Putin zeigen, dass die Gesellschaft zusammenstehe und gemeinsam die Krise bewältige.

Kretschmann: Es kommt auf jeden Einzelnen an

Der Ministerpräsident räumte ein, dass Baden-Württemberg das Heft des Handelns nicht in der Hand habe – dieses liege beim Bund. Aber der Gasgipfel solle dazu dienen, alle Institutionen so vorzubereiten, dass sie „im Winter standhalten“; zugleich wolle man den Menschen Orientierung geben. Es gehe aber auch konkret darum, Vorschläge und Beiträge zu sammeln, wie man die Krise bewältigen könne. Und es gehe um „ein klares Signal nach außen, dass es auf jeden Einzelnen ankommt.“

Er betonte aber, dass die Fliehkräfte in der Gesellschaft größer als bei Corona sein würden, wenn die Gasmangellage tatsächlich eintrete. Kretschmann beschwor die Anwesenden aber, alles dafür zu tun, um zu zeigen, wie stark dieses Land sei und wie groß die Kraft der Demokratie. Es sei jetzt auch „unser Patriotismus gefragt, für unser Land, für unsere freiheitliche, soziale Ordnung und für das Jahrhundertwerk des vereinten Europa.“

Das gesamte Landeskabinett ist da

Unter den Teilnehmenden war die gesamte Ministerriege des Landes, also der Ministerpräsident und zehn Ministerinnen und Minister. Aus der Wirtschaft war etwa Frank Mastiaux, der Chef der EnBW, gekommen, ebenso Vertreter der Netze, von Südwestmetall oder etwa der Handwerkerschaft. Die Gewerkschaften waren vertreten, soziale Verbände, der Städte- und der Gemeindetag oder die Verbraucherzentrale. Der DGB entrollte vor Beginn des Gipfels vor dem Neuen Schloss ein Transparent, auf dem zu lesen war: „Solidarisch durch die Energiekrise – Entlastung für die Menschen“.

Am Ende des Gasgipfels soll eine gemeinsame Erklärung stehen, die unserer Zeitung vorliegt. Man verpflichte sich, möglichst viel Gas einzusparen und mit möglichst vollen Speichern in den Winter gehen zu können, heißt es darin.

Sparprogramm ist geplant

Dazu wollen Land und Kommunen, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Handwerk und Energieversorger sowie Verbraucherinnen und Verbraucher in Baden-Württemberg „ein kurzfristig wirksames Sparprogramm“ umsetzen. Wie dies genau aussehen soll, wird in der Erklärung allerdings nicht näher ausgeführt. Jedes Unternehmen und jede Einrichtung soll, unterstützt von ihren Spitzenverbänden, Sparpotenziale identifizieren und so die Verbräuche senken. Zentrales Ziel aller vorgestellten Maßnahmen ist es, Gas und auch Strom zu sparen, auch etwa, indem Betriebe schnell Genehmigungen erhalten, um auf Öl umzustellen. Es geht also beispielsweise nicht darum, mehr Gas zu bekommen – dies ist Aufgabe des Bundes.

Ziel sei es, den Kostendruck für private Haushalte, Kommunen und Wirtschaft zu reduzieren. Das werde allerdings in einer Mangellage nicht ausreichen. Man müsse deshalb auch Hilfen bereitstellen für jene Bevölkerungsgruppen, die die gestiegenen Kosten nicht stemmen könnten, heißt es weiter.

Daneben hat sich die Landesregierung während des Gasgipfels zu einem eigenen Fünf-Punkte-Programm verpflichtet, mit dem in den Behörden und Einrichtungen des Landes der Wärme- und Stromverbrauch gesenkt werden soll. Die Raumtemperatur in den Behörden soll, sofern der Bund es genehmigt, auf 18 Grad gesenkt werden. Warmwasser werde es in den Sanitärbereichen nicht mehr geben. Klimaanlagen sollen außer an Hitzetagen abgeschaltet werden.

Bundesnetzagentur gibt keine Entwarnung

Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, unterstrich in seinem Lagebericht zu Beginn des Gipfels: „Die Lieferung der Nord-Stream 1 auf dem Niveau von 40 Prozent wie vor der Wartung dürfte eine weitere Befüllung der Speicher ermöglichen.“ Das bedeute aber keine Entwarnung: „Die Lage ist weiterhin angespannt, da wir deutliche Einsparungen und zusätzlichen Gasbezug brauchen, um in den nächsten beiden Wintern eine Gasnotlage zu vermeiden.“