Malte Moos (li.) gegen Marc Stein: Gibt es das Duell Stuttgarter Kickers gegen VfB Stuttgart II in der kommenden Saison erneut nur in der Oberliga? Foto: Baumann

„Alles außer einem Abbruch der Oberligasaison ist für uns völlig unverstellbar“, sagt Oliver Dense vom FSV 08 Bissingen. Kommt es tatsächlich so, ist eine Annullierung nicht die unwahrscheinlichste Variante – was für den VfB II und die Stuttgarter Kickers denkbar schlecht wäre.

Stuttgart - Es wird viel taktiert, abgewogen und meist zum eigenen Vorteil argumentiert in diesen von der Corona-Krise geprägten Wochen. Aber es gibt auch Menschen mit einer glasklaren Meinung. Oliver Dense ist so einer: „Alles außer einem Abbruch der Saison ist für uns völlig unverstellbar“, sagt der Sportliche Leiter des Fußball-Oberliga-Siebten FSV 08 Bissingen – und schiebt noch die Einschränkung hinterher: „So lange keiner mit einem Medikament oder Impfstoff um die Ecke kommt.“ Im Prinzip weiß jeder, dass das Virus auf absehbare Zeit nicht verschwindet. „Es geht ja nicht nur um die Zuschauer, sondern auch um die Spieler. Es ist doch auch ethisch nicht vertretbar, in unserer Vollkontaktsportart zu spielen. Sobald es einen Verdachtsfall gibt, fällt das Spiel aus“, sagt Dense.

Der Aufwand für die entsprechenden Vorkehrungen wäre enorm. Experten halten diesen nur in der ersten und zweiten Liga für stemmbar, da dort dank der finanziellen Möglichkeiten eine generalstabsmäßige Planung mit eigenen Ärzten und Laborkapazitäten für Tests denkbar wäre.

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Dennoch scheut sich die Spielkommission der Oberliga Baden-Württemberg noch vor einer Entscheidung, die Spielzeit für beendet zu erklären. Dies wurde bei der Telefonkonferenz mit allen 18 Clubs am Mittwochabend klar. „Solange es noch möglich ist, die Saison 2019/20 sportlich zu beenden und Auf- bzw. Absteiger zu ermitteln, kommt ein vorzeitiger Saisonabbruch aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht“, heißt es von Verbandsseite. Die Furcht vor Schadensersatzansprüchen der Vereine spielt mit. Die Spielkommission hat sich schließlich zunächst einmal vertraglich zur Organisation und Durchführung von 34 Spieltagen verpflichtet.

Deshalb kommt auch eine Verlängerung der Saison in den Szenarien des Verbandes vor. Zur Not auch über den 30. Juni hinaus, sogar eine Fortsetzung der Saison 2019/20 im Herbst 2020 oder im Frühjahr 2021 wird nicht ausgeschlossen.

Wie würde die Saison gewertet?

Kommt es doch zum Abbruch, stellt sich die Frage, wie die Saison gewertet wird. In diesem Fall scheint sich zumindest eine leichte Tendenz zur Annullierung der Saison abzuzeichnen. Das heißt: Es würde genau mit den gleichen Clubs bei Null wieder losgehen, ohne Auf- und Absteiger. Für den aktuellen Spitzenreiter VfB Stuttgart II und die Stuttgarter Kickers (aktuell Dritter mit einem Spiel weniger) wäre das richtig bitter. Groß äußern wollen sich die beiden Clubs nicht. „Wir sind in engem Austausch mit dem WFV, werden aber keine öffentliche Stellungnahme abgeben“, teilte ein VfB-Sprecher auf Nachfrage mit. Auch die Kickers hielten sich bedeckt, der Sportliche Leiter Lutz Siebrecht sagte nur: „Wenn es die Instanzen zulassen, dann würden wir die Saison gerne auf sportlichem Weg zu Ende bringen. Auf jeden Fall wünsche ich mir eine möglichst frühzeitige Entscheidung.“

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Die könnte im Falle eines Abbruchs auch lauten, dass die Wertung nach der Tabellen der Vorrunde erfolgt. Dann hätte jeder gegen jeden einmal gespielt, für viele die fairste Lösung. In diesem Fall wäre der VfB II als Herbstmeister auf dem direkten Aufstiegsplatz, die Kickers als Zweiter auf dem Relegationsrang. Ein Club wie der SV Linx wäre über diese Variante dagegen weniger erfreut. Die Südbadener rangierten zur Halbzeit auf einem Abstiegsplatz, danach haben sie sich auf den aktuellen zehnten Platz vorgearbeitet. Logisch, dass sie sich über eine Wertung nach der aktuellen Tabelle freuen würden.

Insgesamt 15 Modelle

„Es wird immer Gewinner und Verlierer geben, aber so ist es im Sport nun mal immer“, sagt Siebrecht. Insgesamt ist beim Verband von 15 denkbaren Modellen die Rede, in Bayern hat man sich schon festgelegt: Wenn es weitergehen sollte, dann nur mit Zuschauern. „Die Diskussion mit unseren Clubs war trotz der unterschiedlichen Interessenlagen von großem Respekt geprägt“, sagt WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister zur Telefonkonferenz. Im nächsten Schritt macht sich der Verband mittels Rechtsgutachten schlau, bei welchem Szenario das Haftungsrisiko am ehesten minimiert werden kann.

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Vieles ist offen, doch eines hat der Verband schon mal auf den Weg gebracht – vorläufige Ordnungsänderungen. Die Wichtigste ist die Aussetzung der Insolvenzklausel des § 6 WFV-Spielordnung bis Ende der Saison 2019/20. Das bedeutet, es gibt keinen Zwangsabstieg im Insolvenzfall, die Spiele bleiben in der Wertung. Eine verlockende Option, sich ohne sportliche Folgen Verbindlichkeiten vom Hals zu schaffen. Auch für die Stuttgarter Kickers? Eine Stellungnahme war dazu keine zu bekommen, doch dürfte diese Variante – zumindest solange die Liquidität gewährleistet ist – für die Blauen eher nicht in Frage kommen. Dies liegt daran, dass der größte Teil der Verbindlichkeiten (zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro), neben den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, aus Darlehen von vereinseigenen Präsidiums- und Aufsichtsratsmitgliedern besteht. Beim Zweitligisten Karlsruher SC dagegen, der eine Insolvenz in Eigenverwaltung in Erwägung zieht, ist die Stadt der größte Gläubiger.