Im Supercup gegen RB Leipzig hat Neuzugang Sadio Mané den ersten Titel mit dem FC Bayern gewonnen. Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Der FC Bayern will in der neuen Saison mehr als die Meisterschaft gewinnen – muss sich aber ein Stück weit auch neu erfinden. Gelingt das dank der großen Investitionen?

Als Julian Nagelsmann im Laufe der Vorbereitung auf die kommende Saison über die Ziele für sein zweites Amtsjahr sprach, setzte sich der Trainer des FC Bayern selbst unter Druck. „Es sollte besser werden als in der vergangenen Saison“, sagte Nagelsmann. Da hatte es zu einem Titel gereicht, der zehnten deutschen Meisterschaft in Serie, das absolute Pflichtprogramm also. Im DFB-Pokal setzte es allerdings ein Aus in der zweiten Runde durch ein 0:5-Debakel bei Borussia Mönchengladbach. In der Champions League war ebenfalls früher als intern erwartet Schluss. Im Viertelfinale verabschiedete sich der FC Bayern aus Europas Elite, der FC Villarreal aus dem 50 000-Einwohner-Städtchen erwies sich als cleverer.

Noch immer sprechen sie beim FC Bayern mit Verärgerung über das Aus gegen Villarreal, weil es ihr Selbstverständnis massiv erschütterte. Ein Aussetzer wie in Mönchengladbach, das könne an einem schlechten Abend ausnahmsweise passieren, so sahen sie das zunächst. Doch sich in zwei Spielen nicht durchsetzen zu können gegen den FC Villarreal, das nagt weiterhin sehr an den Münchnern. Nagelsmann weiß, dass sie auch von ihm mehr erwarten. „Man hat immer Druck, als Bayern-Trainer sowieso. Ich hoffe, dass wir stabiler sind als in der vergangenen Saison“, sagt er. Bereits im April hatte er angekündigt, er wolle in der kommenden Saison „mehr zu feiern haben als die Meisterschaft, das ist das Ziel“. Jeder wolle „sich verbessern, das wollen wir auch“, sagte er. Das klang ein bisschen, als spreche er von sich in der Wir-Form.

Große Investitionen

Die Vereinsführung äußert sich noch deutlich offensiver. Sowohl Präsident Herbert Hainer als auch der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn geben als Ziel bei jeder Gelegenheit an, möglichst alle Titel zu gewinnen, also auch den der Champions League. Nagelsmann weiß zwar, dass er weiterhin als Fußballlehrer sehr geschätzt wird, darüber hinaus auch durch sein eloquentes Auftreten, mit welchem er manch heikles Thema in der vergangenen Saison nach außen moderierte. Aber zugleich ahnt er, dass die Nachsicht seiner Vorgesetzten in seinem zweiten Amtsjahr beim FC Bayern geringer ausgeprägt sein könnte als in seinem ersten.

Kahn kritisierte Nagelsmann zuletzt bereits öffentlich, als dieser seine Verwunderung über die vielen Investitionen des eigentlich hoch verschuldeten FC Barcelona zum Ausdruck gebracht hatte. Für Verwunderung sorgte Nagelsmann wiederum auch intern damit, dass er sich auf eine Beziehung zu einer bisherigen Bayern-Reporterin der „Bild“- Zeitung eingelassen hat. Die private Angelegenheit enthält durchaus eine berufliche Brisanz und Relevanz.

Beim FC Bayern sind sie allerdings zuversichtlich, auf dem Transfermarkt die personellen Voraussetzungen für künftige Erfolge gelegt zu haben. Vor allem in Offensivspieler Sadio Mané (30) vom FC Liverpool und in den als Abwehrchef eingeplanten Matthijs de Ligt (22) von Juventus Turin setzen die Münchner große Hoffnungen. Zudem wurden von Ajax Amsterdam der sehr talentierte Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch (20) und Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui (24) verpflichtet. Hinzu kommt das französische Sturmtalent Mathys Tel (17), von dem sich die Münchner mittel- und langfristig ebenfalls sehr viel versprechen. Sogar kurzfristig hofft Nagelsmann in dieser Saison auf zehn Tore von Tel. Den Abgang von Weltfußballer Robert Lewandowski zum FC Barcelona werden aber vorerst andere kompensieren müssen – und zwar mit vereinten Kräften.

Was ändert sich ohne Lewandowski?

Es ist die wohl spannendste Frage dieser Saison bei den Münchnern, wie ihre Mannschaft ohne Lewandowski agieren und funktionieren wird. Seit dem Bundesliga-Aufstieg mit Gerd Müller 1965 war der FC Bayern immer ein Mittelstürmer-Verein. Ohne eine dominante Fachkraft fürs Angriffszentrum der Startelf zogen die Münchner nie in eine Saison, stets war das Spiel des FC Bayern auf einen Abschlussspieler vorne drin zugeschnitten. Nach allem, was sie kundtun, könnte das nun erstmals nicht der Fall sein und ein klassischer Mittelstürmer in der Stammelf fehlen.

„Die Art und Weise, wie wir spielen werden, wird sich verändern“, sagte Nagelsmann auf der Werbetour durch die USA. „Es ist ein neues Bayern München. Es wird eine Herausforderung – und ich mag Herausforderungen.“ Statt mit einer zentralen Sturmspitze ließ Nagelsmann zuletzt mit zwei Angreifern spielen. Weniger ausrechenbar und flexibler könnte der FC Bayern in einem 4-4-2 oder 3-5-2 künftig agieren. Ob Mané und Serge Gnabry, die voraussichtlich hauptsächlich die Doppelspitze bilden werden, es wenigstens zusammen auf Lewandowskis zuletzt stets deutlich mehr als 50 Torbeteiligungen in allen Wettbewerben pro Saison bringen werden, muss sich zeigen. Und damit auch, ob die Bayern national erneut so dominant auftreten wie seit der Saison 2012/2013, als ihre erdrückende Meisterserie begann.

Und falls ihr personeller und taktischer Umbruch nicht reibungslos verlaufen sollte? Kahn gibt sich betont gelassen. „Ich habe überhaupt keine Sorgen, dass die Saison schiefgeht“, sagt er. Natürlich könne es mal Schwierigkeiten geben. „Aber das werden wir dann gemeinsam moderieren“, verspricht Kahn. Auch das wäre neu in Nagelsmanns zweitem Amtsjahr.