In Europa fallen Unmengen von Müll an. Mit der neuen Verpackungsrichtline soll sich das nach dem Willen der EU ändern. Die Unterhändler haben sich geeinigt, doch es droht kurz vor dem Ziel noch das Scheitern.
Europas Müllberge werden immer höher. Jeder Mensch in der EU verursacht pro Jahr im Schnitt 190 Kilo allein an Verpackungsmüll – Tendenz steigend. Die EU hat sich nun zum Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren dieses Abfallaufkommen stark zu reduzieren, bis 2040 um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu 2018. Doch die Verhandlungen gestalteten sich sehr kompliziert und dauern schon vier Jahre. Nun ist die „Packaging and Packaging Waste Regulation“ (PPWR) in der letzten Phase, denn die Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Länder haben sich am Montagabend in Brüssel auf eine gemeinsame Position geeinigt. Bestimmte Einweg-Verpackungen wie etwa für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse oder Einzelverpackungen beispielsweise für Zucker sollen ab 2030 verboten sein, teilte das Parlament weiter mit.
Papier bleibt weitestgehend erlaubt
Verpackungen aus Papier und anderen Materialien bleiben hingegen weitestgehend erlaubt. Lebensmittelverpackungen dürfen der Einigung zufolge künftig keine sogenannten ewigen Chemikalien mehr enthalten, die besonders langlebig sind und als gesundheitsschädlich gelten. Die Verhandlungsführerin des Parlaments, Frédérique Ries (Liberale), sprach von einem „großen Sieg für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher“. Die Mitgliedsländer sollen Pfandsysteme für Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen einrichten. Die Verpackungsindustrie soll zudem künftig verpflichtende Mehrweg-Quoten einhalten. Im Getränkesektor können sich dem Kompromiss zufolge jedoch bis zu fünf Unternehmen zusammenschließen, um die Ziele gemeinsam zu erfüllen.
„Diese Reform ist ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Zukunft für Europa. Sie bedeutet mehr Umweltschutz, weniger Müll“, betont die umweltpolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, Delara Burkhardt. Ganz zufrieden ist sie allerdings nicht. „Ich hätte gerne noch mehr erreicht. Doch vor dem Hintergrund des enormen Lobbydrucks und den auseinanderklaffenden Interessen der Mitgliedstaaten bin ich froh, dass wir einige sehr wichtige Punkte auf den Weg bringen werden.“
Es habe sich im Laufe der Verhandlungen gezeigt, dass jedes Land beim Thema Verpackungen seine ganz eigenen Befindlichkeiten habe, sagte die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler im Vorfeld der Abstimmung in Brüssel. So ist es Spanien ein Dorn im Auge, dass Salatgurken nicht mehr einzeln in Folie verpackt werden sollen. Das Problem: das mindert die Haltbarkeit – ein wichtiges Argument beim Export.
Einflussnahme über Lobbygruppen
Die Politiker versuchten, nicht nur dem Umweltschutz und den Lebensgewohnheiten der EU-Bürger Rechnung zu tragen, sondern auch die Einwände der florierenden Verpackungsindustrie sinnvoll zu berücksichtigen. Die verzeichnet jährliche Umsätze von 355 Milliarden Euro und versuchte natürlich, über unzählige Lobbygruppen Einfluss auf das EU-Gesetz zu nehmen. Aber selbst die Wirtschaft und insbesondere die Entsorgungsbranche hoffte auf einheitliche EU-Vorgaben, denn die Regelungen sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Das führe zu Wettbewerbsverzerrungen.
Kurz vor dem Ziel droht der Verpackungsverordnung nun aber aus einem anderen Grund das Ende. Denn die FDP hat signalisiert, mit der Regelung nicht zufrieden zu sein. Das heißt, es könnte erneut zu einem sogenannten „German Vote“ kommen. Wenn die Bundesregierung sich nicht auf eine Position einigen kann, müsste sich Deutschland bei der EU-Abstimmung enthalten, was einem Nein gleichkäme. Der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese erklärte dazu, dass ein Gerücht die Runde mache, dass es eine Absprache zwischen dem deutsche FDP-Finanzminister Christian Lindner und Rom gebe. Italien habe sich bei der Abstimmung für die Lieferketten auf die Seite von Deutschland geschlagen, nun unterstütze im Gegenzug Berlin die römischen Wünsche in Sachen Verpackung.