Diorama der Heuneburg im Keltenmuseum Heuneburg in Herbertingen. Foto: Wikipedia commons/LepoRelloCC BY-SA 3.0

Der einstige Fürstensitz Heuneburg an der Donau gilt als die älteste frühstädtische Siedlung nördlich der Alpen. Archäologen haben an dem Ausgrabungsort im Kreis Sigmaringen eine prunkvolle keltische Grabkammer geborgen. Wer waren die geheimnisvollen Kelten. Eine Spurensuche.

Herbertingen - Eine frühkeltische Prunkgrabkammer aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus ist am Dienstag (6. Oktober) auf einem Acker nahe der Heuneburg bei Herbertingen im Landkreis Sigmaringen geborgen worden. Die Ansiedlung gilt als zentraler frühkeltischer Ort an der oberen Donau.

Wer waren die Kelten, die Mitteleuropa fast 700 Jahre beherrschten? Eine historische Spurensuche.

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Tollkühne Kriger, erfolgreiche Händler

Sie waren Berserker, die in der Schlacht tollkühn über ihre Feinde herfielen und den Besiegten die Köpfe abschlugen. Die kriegerischen Kelten waren aber auch geniale Handwerker, die ihre Toten mit reichen Grabbeigaben - Wagen, Goldschmuck und Waffen - für die Reise ins Jenseits ausstatteten. Von rund 800 bis 50 v. Chr. beherrschten die Kelten, die erstmals im 6. Jahrhundert in der abendländischen Überlieferung auftauchten, weite Teile Mitteleuropas.

Die Kelten waren kein einheitliches Volk oder eine Art europäische Ur-Nation, sondern lebten während der Eisenzeit in zahlreichen unabhängigen Stammesgruppen. Vom 7. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. waren sie auch in Baden-Württemberg die vorherrschende Bevölkerungsgruppe.

Das zeigen die reichen archäologischen Funde, wie das im Dezember 2010 geborgene Fürstinnengrab bei der Heuneburg nahe Herbertingen im Kreis Sigmaringen. Keine Nation, sondern Kulturgemeinschaft

Keltische Kultur im Südwesten

„Gerade in Baden-Württemberg ist die keltische Kultur ein Highlight.“ So hat es der 2015 verstorbene Archäologe Jörg Biel, einer der besten Kenner der Keltenzeit im Südwesten, beschrieben. „Es gibt Tausende Grabhügel und eine unglaublich reiche Fundlandschaft, dazu kommen die Fürstensitze in Heuneburg und auf dem Hohenasperg mit ihren stadtähnlichen Anlagen.“

Als früherer Landeskonservator hatte Biel selbst lange Zeit nach keltischen Artefakten gesucht und 1978 das unversehrte Grab des Keltenfürsten von Hochdorf (um 550 v. Chr.) im Eberdinger Ortsteil Hochdorf ausgegraben.

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Eine Kulturgemeinschaft – kein Volk

Die Kelten waren eine Kulturgemeinschaft, die durch eine eigene indogermanische Sprache, ähnliche materielle Kultur, Gebräuche, Glaubensvorstellungen und Lebensweise geprägt wurde. Aus den bronzezeitlichen Kulturen Mitteleuropas bildeten sich die beiden klassischen keltischen Epochen der Hallstatt- (650-70 v. Chr.) und der La-Tène-Kultur (470-50 v. Chr.) heraus.

Im Lauf von 600 Jahren wurden auf den Plateaus von Hügeln und Anhöhen Fürstensitze errichtet, die wie die Heuneburg mit Mauern aus Holz und Erde befestigt waren. Später wurden sie durch eine Stein-Lehm-Mauer ersetzt. Zugleich entstanden große stadtähnliche Siedlungen. Die Außensiedlung der Heuneburg umfasste 100 Hektar und beherbergte einige Tausend Menschen.

Die Handelsbeziehungen der keltischen Stämme reichten bis in den Mittelmeerraum. Der Archäologe Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen hat auf der Heuneburg zahlreiche Importstücke aus Südeuropa ausgegraben – zum Beispiel Amphoren aus dem damals griechischen Marseille. Auch mit den Etruskern in Italien und mit griechischen Stadtstaaten gab es regen Handel.

Cäsar beendete die große Zeit der Kelten

Baden-Württembergs Boden ist übersät mit Zeugnissen aus der Eisenzeit. Im Boden stecke ein enormes Potenzial, so Denkmalpfleger Bofinger. Allerdings wird nicht alles, auf was man stößt, auch ausgegraben. Vielfach werden die keltischen Funde in der Erde belassen, weil sie dort am besten konserviert werden.

Neben der Heuneburg gab es Fürstensitze auf dem Hohenasperg und dem Berg Ipf nahe des Nördlinger Ries bei Bopfingen. Daneben entdeckten Archäologen weitere unzählige Fürstengräber und Grabhügel, Ringwälle und Hunderte Viereckschanzen – rechteckige Areale mit Wall und Graben, die auf eine Besiedlung schließen lassen – sowie Überreste von Ansiedlungen. Allein im Umkreis von zehn Kilometern um den Hohenasperg gab es rund 400 keltische Siedlungen.

Heuneburg – keltisches Zentrum nördlich der Alpen

Die Kelten besaßen ein hoch entwickeltes Wirtschaftsleben. Die in Baden-Württemberg aufgefundenen Gräber zeugen vom Reichtum ihrer Oberschicht. Die Stämme waren berühmt für ihre Metallarbeiten, Schmuckstücke aus Silber und Gold sowie ihre Waffenproduktion. Das Eisenerz bauten sie in bis zu 100 Meter tiefen Bergwerken ab.

Seit 1950 wird bei Herbertingen nach Zeugnissen der keltischen Kultur gegraben. Die Heuneburg gilt als älteste Stadt nördlich der Alpen. Zwischen 620 und 470 v. Chr. entwickelte sich hier ein Machtzentrum der späten Eisenzeit, das durch eine nördlich der Alpen einmalige Lehmziegelmauer geschützt wurde.

Die mittelmeerische Herkunft dieser im Freilichtmuseum Heuneburg zum Teil rekonstruierten Wehranlage lässt auf griechische Baumeister schließen. Irgendwann im sechsten Jahrhundert wurde die Ansiedlung erobert, eingeäschert und wieder aufgebaut.

Um 400 v. Chr. wurde die Heuneburg dann von einer Feuerbrunst verwüstet. Von ihren Bewohnern verlassen, verfiel sie. „Wir haben keinen konkreten Anhaltspunkt“, erläutert Bofinger, „warum Anfang des fünften Jahrhunderts dieses blühende Zentrum schlagartig aufhörte zu existieren.“