In der Eiswerkstatt im Westen gibt’s jede Woche eine neue Sorte Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Mit immer wilderen Kreationen warten die Eisdielen der Stadt auf. Welche Sorten liegen dieses Jahr im Trend? Und wie sieht’s eigentlich mit den Eiskugel-Preisen aus? Da muss man wieder tiefer in die Tasche greifen.

Wie oft musste man als Kind auf Zehenspitzen stehen, um über die Edelstahlkante durch die große Glasvitrine schauen zu können. Was die Kinderaugen dort erblickten, ließ das Herz höher hüpfen: Schokolade, Vanille, Erdbeere und Stracciatella – Eis ohne Ende!

Früher reichten bereits 20 Pfennig, um Kinderherzen glücklich zu machen. Heute erzählen Eisdielenbesitzer, dass sie manche Kinder leider wieder fortschicken müssen, weil sie zu wenig Geld dabei haben. Bei kaum einem anderen Produkt merkt man die Preissteigerung so stark wie bei einer Kugel Eis. Kostete eine Kugel noch vor einigen Jahren 60 Cent, sind es heute mancherorts 2 Euro. Tatsächlich macht die Inflation auch vor den Eispreisen nicht Halt – viele Eisdielen haben zum Start der Saison ihre Kugelpreise um 20 Cent erhöht. So zahlt man für eine Kugel Eis in Stuttgart in der Regel zwischen 1,50 und 2 Euro.

Geschmackskombinationen aller Art neben den Klassikern

Wem jetzt ein empörtes „Wucher!“ über die Lippen kommt, der sei daran erinnert, dass Eis am Stiel mitunter noch teurer ist. Im Supermarkt kostet die Klassik-Variante eines bekannten Eisherstellers stolze 2,50 Euro – und wurde nicht von Hand gemacht.

An den Stuttgarter Eisdielen bekommt man für weniger Geld zumeist mehr Geschmack. Am besten schmeckt’s eben doch bei den Profis. Es wird mittlerweile clever kombiniert, wohl nicht nur des Geschmackserlebnisses sondern auch des Marketing wegen und dem Zwang Neues präsentieren zu müssen: von Frischkäse-Feige über Avocado-Limette-Kokos, Sesam-Honig bis hin zu griechischer-Joghurt-Sanddorn oder dem Mops-Eis (Mandarine-Orange-Passionsfrucht-Sanddorn) ist fast alles dabei. Der Schlemmer-Trend scheint hin zu exotischen Mix-Sorten zu gehen. Natürlich finden sich in den meisten Eisdielen der Stadt weiter Klassiker. Doch daneben ist genug Platz für neue Kombinationen. Dabei zeigt sich: Kinder bleiben den Klassikern treu, während Erwachsene experimentierfreudiger sind.

Bei der Eismanufaktur Claus in der Tübinger Straße dürfen sich Personal und Kunden oft selbst wünschen, was demnächst auf der Eiskarte stehen soll. An Ostern wurde dort die Sorte Rübli-Kuchen eingeführt. Aber auch Omas-Milchreis-mit-Apfelkompott wurde gewünscht, kreiert und erfreue sich seitdem bester Beliebtheit.

Immer wieder Neues

Die Eiswerkstatt im Stuttgarter Westen setzt auf Bio-Eis und ein dynamisches Sortiment. „Bei uns läuft das ganz nach dem Prinzip: Kommen, gucken was es gibt und sich überraschen lassen!“, sagt Co-Besitzer Sebastian Kern. Fast täglich ändere sich das Sortiment, da jede Woche neue Eissorten ausprobiert würden. Besonders gefragt seien Nachtische als Eis, wie beispielsweise Bienenstich oder Schwarzwälder-Kirsch. „Letztes Jahr haben wir einen Nachtisch aus Norddeutschland mit karamellisiertem Pumpernickel und Himbeermarmelade nachgemacht. Das war super lecker, allerdings war der Name des Nachtisches – Westfälische Götterspeise – für manche etwas irreführend, weil die dachten, das wäre so ein grünes Glibberzeug.“ Das bis dahin beliebteste Nachtisch-Eis Crème Brûlée konnte von der westfälischen Süßspeise nicht vom Thron gestoßen werden – wenig überraschend eigentlich.

Regionales, bio und vegan sind hoch im Kurs

Regionale Produkte sind auch bei Eisliebhabern hoch im Kurs. In der Eiswerkstatt gibt es Erdbeereis nur, wenn Erdbeeren auch tatsächlich Saison haben. Bei Vana Eis am Berliner Platz sind die Kirschen Chefsache. „Die Kirschen für unser Eis kommen direkt aus dem Garten vom Chef im Remstal. Regionaler geht’s eigentlich nicht“, schwärmt Verkäuferin Juliane Kreutz. Auch vegan lebende Menschen dürfen sich freuen: Veganes Milcheis ist eine Herausforderung, der sich in Stuttgarter Eisdielen anscheinend gerne angenommen wird. Bisher waren oftmals nur Sorbets die einzige Alternative, offenbar eignet sich aber auch Kokosmilch als Grundlage für Milcheis.

Schokolade bleibt trotzdem die beliebteste Sorte

Die unangefochtene Nummer Eins sind auch in diesem Jahr Schokoladeneis oder Joghurt-Frucht Mischungen. Der geheime Favorit scheint jedoch Karamell-Eis zu sein – gerne auch mit einer Prise Fleur de Sel. Klettert das Thermometer in die Höhe, sind Sorbets oder andere erfrischende Kombinationen wie Zitrone-Basilikum und Erdbeer-Minze besonders heiß begehrt. Um die Mittagszeit löffeln die Stuttgarterinnen und Stuttgarter gerne einen alten italienischen Klassiker aus ihren Recup-Bechern: Affogato heißt er und hergestellt wird er, indem man eine Kugel Vanilleeis mit einem frisch gebrühten Espresso übergießt. Delizioso eben!