Man dürfe den Klimawandel in der aktuellen Krise nicht vergessen, sagt die Stuttgarterin Nisha Toussaint-Teachout von Fridays for Future. Foto: privat/Ben Engelhard

An diesem Freitag ruft Fridays for Future zum fünften globalen Klimastreik auf. Wie sieht dieser Streik in der Corona-Krise aus? Und was bedeutet die Pandemie überhaupt für die Klimabewegung?

Stuttgart - Die Corona-Krise ist seit Wochen das alles beherrschende Thema. Doch der Klimawandel dürfe nicht vergessen werden, warnte vor kurzem Greta Thunberg. An diesem Freitag, den 24. April, ruft Fridays for Future zum fünften globalen Klimastreik auf – im Netz. Auch in Stuttgart sind Aktionen geplant. Wir haben mit Nisha Toussaint-Teachout von Fridays for Future Stuttgart gesprochen.

Noch vor wenigen Monaten haben Sie als Fridays-for-Future-Aktivistin jeden Freitag auf den Straßen für mehr Klimaschutz demonstriert. Was hat sich durch die Corona-Krise verändert?

Wir haben unser Engagement von der Straße vor allem ins Internet verlegt. Immer freitags posten wir Bilder von uns mit einer Botschaft dazu. Als klar wurde, dass die Corona-Krise nicht nach ein paar Wochen vorbei ist, haben wir uns natürlich auch überlegt, wie wir die Zeit nutzen können und weiter aktiv bleiben. Da spielt sich ganz viel vor dem Laptop ab: Wir machen virtuelle Treffen oder riesige, globale Video-Konferenzen. Außerdem haben wir die bundesweite Initiative „Wir bilden Zukunft“ gestartet, bei der es darum geht, sich mehr Wissen anzueignen. Für mich hieß das, auch Webinare zu moderieren. In den öffentlichen Onlinekursen hatten wir zum Beispiel schon Prominente wie Eckardt von Hirschhausen zu Gast, Henning May von der Band AnnenMayKantereit, den Klimaforscher Johan Rockström oder Vanessa Nakate, eine Klimaaktivistin aus Uganda. Es gibt aber auch interne Webinare, zum Beispiel dazu, wie man einen Podcast oder Pressearbeit macht.

Verliert die Bewegung dadurch nicht auch an Anhängern, an Zuspruch?

Natürlich fehlt auch ein Teil, weil ganz viel Schwung durch die Menschen kam, die auf die Straße gegangen sind. Und natürlich schaffen wir es nicht, bei den Aktionen im Netz alle 1,4 Millionen Menschen mitzunehmen, die beim globalen Klimastreik im September dabei waren. Das ist okay, und es ist auch okay, dass unsere Themen oder wir als Bewegung momentan nicht ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Ich habe keine Sorge um die Bewegung. Es gibt uns immer noch, und eigentlich auch stark wie immer. Wir haben es uns ja nicht ausgesucht, die Klimakrise auf die Agenda zu setzen. Das Thema setzt sich schon selbst. Spätestens durch den Hitzesommer, der sich ankündigt, oder durch Stürme und Brände werden die Menschen wieder daran erinnert werden. Nur weil wir jetzt eine gesundheitliche Krise haben, heißt das nicht, dass die Klimakrise in Quarantäne ist. Meine Hoffnung ist, dass wir lernen, beide Krisen zusammen anzugehen.

Ist die aktuelle Krise Bedrohung oder Chance für den Klimaschutz?

Ich habe schon Angst davor, dass alle Ambitionen für Klimagerechtigkeit jetzt über den Haufen geworfen werden. Es gibt ja bereits Vorstöße, die Klimaziele auszusetzen. Das wäre fatal. Wir sehen aber auch, dass ganz viel passieren kann, wenn ein Thema so ernst genommen wird wie die Corona-Krise. Plötzlich wird auf die Wissenschaft gehört, plötzlich wird die Krise als Krise behandelt, plötzlich zeigt sich Solidarität.

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Es ist richtig, dass jetzt drastische Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Wir fordern solche drastischen Maßnahmen aber auch für die Klimakrise. Beides sind existenzielle Probleme, aber in ihrer Dimension ist die Klimakrise noch größer. Was bringt es, wenn wir jetzt die Corona-Krise überstehen, dann aber die Klimakrise nicht? Die Zeit jetzt muss dazu genutzt werden um zu überlegen, wohin wir zurück wollen und wohin nicht.

Könnte es da einen Lerneffekt geben?

In dieser Zeit jetzt wird uns klar, was wirklich wichtig ist. Die Menschen sind draußen in der Natur. Viele merken wie gut es tut, mehr Zeit zu haben. Viele Fragen stellen sich neu, zum Beispiel: Wie viele Konferenzen, wie viele Flüge brauchen wir wirklich? Welche Jobs sind wirklich relevant? Klimagerechtigkeit bedeutet ja auch Entschleunigung und ist Kritik an unserem System, das immer nur auf Wachstum aus ist. Da gibt es gerade auf jeden Fall Potenzial für einen großen Lernprozess - wenn wir hinschauen.

An diesem Freitag, den 24. April, findet der fünfte globale Klimastreik statt, dieses Mal unter dem Motto „Netzstreik fürs Klima“. Was ist geplant, auch hier in Stuttgart?

In Berlin wird es eine große Aktion geben, bei der tausende Plakate ausgelegt werden: Plakate, die statt den Menschen streiken. Dazu gibt es Online einen großen Livestream mit Reden, Musik und Zuschaltung(?) aus verschiedenen Orten in Deutschland. Wir wollen aber auch von zuhause aus laut werden für Klimagerechtigkeit und das Thema auch hier in Stuttgart auf die Straße bringen. Zum Beispiel mit Kreidezeichnungen überall in der Stadt.

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Wir rufen auch dazu auf, Poster oder Banner aus dem Fenster zu hängen – dazu haben wir extra einen Bannerlieferservice organisiert. Und wir schlagen eine Route vor, auf der man irgendwann im Laufe des Freitags durch die Stadt zu spazieren und an bestimmten Stellen Spuren hinterlassen kann.