Nach 41 Jahren geben Günther und Hannelore Okos die Leitung des Freundeskreis Sucht ab – und blicken auf einen langen Weg der Selbstheilung zurück. Für ihr Engagement wurden sie mit dem goldenen Kronenkranz der Diakonie Deutschland ausgezeichnet.
„Alles hat seine Zeit“, sagt Günther Okos, faltet seine Hände im Schoss und lässt sich tiefer ins Sofa sinken. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Er wirkt zufrieden. Seine Frau Hannelore nickt zustimmend. Diese Einheit und Ausgeglichenheit gab es aber nicht immer im Leben der Familie. Sie blicken auch auf düstere Jahre zurück . . .
„Ich war hochbegabter Trinker“
Über 41 Jahre lang hat sich das Ehepaar ehrenamtlich engagiert und den Freundeskreis Sucht geleitet. Dabei handelt es sich um ein aktives Netzwerk für und von Menschen mit Suchterfahrungen und ihre Familien. Für ihren Einsatz wurde den Okos am Freitag in der Diakonischen Bezirksstelle nun der goldene Kronenkranz der Diakonie Deutschland überreicht. Im kleinen Kreis, still und heimlich, wurden Hannelore und Günther damit sozusagen in ihren wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.
Dabei ist heimlich und leise so gar nicht das Ding des Ehepaars Okos. Nicht weil sie gerne im Mittelpunkt stehen, sondern weil sie selbst wissen, dass man mit einer Suchterkrankung offen umgehen sollte. Wieso sie das so gut wissen, stellt Günther Okos gleich zu Beginn des Gesprächs knallhart klar: „Ich war hochbegabter Trinker.“
Konsum im Verborgenen
Im Grunde genommen habe alles schon während seiner Lehre angefangen, so der heute 79-Jährige: „Zwei Flaschen Bier nach Feierabend.“ Da war er natürlich nicht gleich Alkoholiker, doch über die Jahre entwickelte sich das weiter. Günther Okos gesteht sehr schüchtern gewesen zu sein, mit Alkohol fühlte sich vieles besser und leichter an. Dennoch, in der Öffentlichkeit trank er nicht über seinen Durst: „Ich habe mich nie bei Festen voll laufen lassen.“ Aber dafür dann im Verborgenen und eben daheim.
Irgendwann merkte seine Frau, sie hatten im Alter von 19 und 21 Jahren geheiratet, dass etwas nicht stimmt. Zwei Kinder hatte das Ehepaar zu diesem Zeitpunkt schon, zwei weitere sollten folgen. Für die Familie begann eine schlimme Zeit. Hannelore Okos machte im Grunde instinktiv alles richtig. Sie wusste: Ohne Hilfe von außen schaffen sie es nicht. Also suchte sie nach Unterstützung, was Ende der 1970er Jahre nicht einfach war. Sie fand Ansprechpartner in der Diakonie, redete mit ihrem Mann und beide waren sich irgendwann einig: „Wir wollen das in den Griff bekommen.“
Die Kinder und Partner brauchen selbst oft Hilfe
Noch vor Therapiebeginn – die Okos mussten über ein halbes Jahr auf einen Platz in der Suchtklinik warten – versuchte er mit dem Trinken aufzuhören und erlitt etliche Rückfälle. „Das war die schwierigste Zeit“, erinnert sich das Paar. Doch mit Beginn der Therapie gingen die Probleme dann erst richtig los. „Da beginnt die Arbeit mit sich selbst“, so Günther Okos, der damals Heizungsbaumeister mit eigener Firma war: „Die Abhängigkeit steckt in einem drin. Man muss sehr selbstkritisch sein und sich mit nüchternen und vor allem realistischen Augen sehen.“
Nach einem halben Jahr in der Fachklinik, suchte Okos 1981 einen Freundeskreis auf. „Der Klinikleiter sagte: ‚Gebt weiter was ihr erfahren habt’“, so Okos. Mit seiner Frau gründete er deshalb 1982 einen eigenen Freundeskreis. Von Beginn an war dem Ehepaar wichtig, dass die Gruppe für die gesamte Familie ist. „Es müssen Partner und Kinder mit einbezogen werden. Alle brauchen Hilfe,“ sagt die 76-Jährige. Sie weiß ja wovon sie spricht. 20 Jahre lang war ihr Partner vom Alkohol abhängig. Und es war ein langer Weg.
„Suchthilfe heißt Lebenshilfe“
Weitere schwere Wege ist das Ehepaar in den vergangenen vier Jahrzehnten auch mit den Suchtkranken aus dem Freundeskreis gegangen. Beide erinnern sich an schöne, aber auch zahlreiche schlimme Momente zurück. Den einen oder anderen hätten sie leider verloren, aber mit vielen steht das Ehepaar noch immer in Kontakt. „Suchthilfe heißt Lebenshilfe“, sagt Hannelore Okos.
Das können Susanne und Arndt Voltin aus eigener Erfahrung bestätigen. Die beiden treten die Nachfolge der Okos an: „Das ist ein Lebensstück. Hanne und Günther sind wie Eltern für uns.“ Arndt Voltin kam 2002 das erste Mal zur Gruppe, wurde 2010 rückfällig bis zum totalen Zusammenbruch und kam zwei Jahre später mit seiner Frau wieder. Zwischen den Paaren entwickelte sich eine tiefe Verbindung. Noch werden sie den Weg gemeinsam gehen, denn in diese großen Fußstapfen zu treten ist mehr als Arbeit. „Es steckt viel Leid dahinter und es ist unglaublich wie Familie Okos alles gemeistert hat,“ weiß auch der Diakon und Geschäftsführer der Bezirksstelle Marbach, Rainer Bauer.
Günther Okos möchte abschließend noch eins mit auf den Weg geben: „Ich habe viel Zeit gebraucht so zu sein, wie ich jetzt bin. Denn ich bin, wie ich bin, und das muss jeder für sich selbst herausfinden.“