Mit ihrem erfrischenden Lachen motiviert Ursula Zitzler die Gäste des Deutsch-Stammtischs im Treffpunkt Ruit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Sprachbarrieren lassen sich leicht abbauen, wenn alle etwas Geduld mitbringen und einander zuhören. Foto: Ines Rudel

Für den Ehrenamtspreis der Esslinger Zeitung nominiert ist der Freundeskreis Asyl in Ostfildern. Die Vorsitzende Ursula Zitzler strickt ein Programm für alle Generationen.

Mit ihrer kommunikativen Art baut Ursula Zitzler leicht Brücken zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. „Wichtig ist, dass man die Unterschiede nicht verwischt, sondern lernt, einander zu akzeptieren“, sagt die Vorsitzende des Freundeskreises Asyl in Ostfildern. Mit einem Mentoring-Projekt, mit gezielten Hilfen für Schulkinder in Zeiten der Pandemie und mit einem internationalen Deutsch-Stammtisch tut die Initiative viel, um geflüchtete Männer und Frauen in die Stadtgesellschaft zu integrieren.

Mit 70 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Ostfildern sind Flüchtlinge im Ankunftszentrum Körschtal optimal betreut worden. „Das zeigt, dass den Menschen hier deren Schicksal nicht egal ist“, lobt Zitzler die Solidarität in der Stadt mit 36 000 Einwohnern. Menschen zu motivieren, das fällt der Vereinschefin nicht schwer. Die Journalistin ist Vorsitzende des Freundeskreises Asyl, ihr Stellvertreter ist Thomas Hüsson-Berenz. „Bei uns findet jeder Möglichkeiten, zu helfen“, sagt Zitzler.

Mit Sprachpraxis lässt sich viel bewegen

Der wichtigste Schlüssel zur Integration sei die Sprache. „Obwohl viele der Asylsuchenden eine sehr gute Ausbildung haben, hapert es mit der Verständigung. Da setzt das Angebot des Freundeskreises an. „Vielen fehlen deutsche Muttersprachler als Gesprächspartner“, hat Zitzler von Menschen erfahren, die der Freundeskreis betreut. „Sie bleiben isoliert, fühlen sich fremd und einsam in der neuen Heimat auf Zeit.“ Mit etwas Sprachpraxis lasse sich da viel bewegen.

Deshalb hat die Vorsitzende mit ihrem Team den Deutsch-Stammtisch ins Leben gerufen, der regelmäßig im Treffpunkt Ruit in der Scharnhauser Straße 25 stattfindet. Da kommen Geflüchtete aus Ghana, Afghanistan oder der Ukraine ungezwungen mit Ostfildernern ins Gespräch. Dieses „niederschwellige Angebot“ ist offen für alle. An den Tischen wird viel gelacht, auch wenn es mit der Verständigung oft nicht so einfach ist. Dass der Austausch klappt, ist der Initiatorin mit dem ansteckenden Lachen zu danken.

Kontakte auf Augenhöhe

Ursula Zitzler wünscht sich, dass auch die deutschsprachigen Gäste profitieren. „Durch die Menschen aus anderen Ländern bekommt man interessante Einblicke in deren Kultur“, schwärmt sie von den Kontakten auf Augenhöhe. Dass dennoch viele Menschen in Ostfildern Berührungsängste mit Asylsuchenden haben, sei auf vielen Ebenen zu spüren. Daher sieht sie es als Aufgabe an, zu vermitteln und Vorurteile abzubauen. Das Café Syria ist ein weiteres Angebot, das kulturelle Grenzen überwinden will. Syrische Familien kochen im Wechsel im Ruiter Gemeindehaus für Gäste aus Ostfildern, machen sie mit Gerichten aus ihrer Heimat vertraut. Beim Essen plaudern alle nicht nur über das Wetter oder über den Familienalltag. Immer wieder ist da auch die Erfahrung der Flucht Thema. Solche Gespräche helfen, die Situation der Mitmenschen zu verstehen.

Traurig ist die Chefin des Freundeskreises darüber, dass sie gegenüber Menschen aus afrikanischen und arabischen Ländern sehr viel mehr Vorbehalte spürt. Viele hätten ihre Wohnungen nicht an Asylsuchende aus diesen Kulturkreisen vermietet. „Bei den Menschen aus der Ukraine, die vor dem Krieg geflüchtet sind, ging das dann aber doch.“ Für sie sind alle Geflüchteten gleich. Daher sieht sie noch viel Aufklärungsarbeit vor dem Freundeskreis Asyl liegen.

Barrierefreier Zugang zum Unterricht

Die ehemalige Pressesprecherin der Universität Stuttgart betrachtet Bildung als einen Schlüssel zur Integration. Deshalb hat der Verein gerade in der Pandemie Schulkinder unterstützt, damit sie am Online-Unterricht teilnehmen können. „Zunächst war es wichtig, WLAN in alle Unterkünfte zu bringen“, sagt Zitzler. Das sei nicht einfach gewesen. Mit den Experten aus dem Freundeskreis habe es dann aber doch geklappt. Firmen spendeten iPads und Laptops, die den Kindern und Jugendlichen Zugang zum Unterricht ermöglicht haben.

Damit die Kinder Sprachbarrieren überwinden, stehen ihnen bei den Hausaufgaben Mentorinnen und Mentoren zur Seite. Gemeinsam zu lernen, das macht nicht nur Spaß. „Wenn es Probleme gibt, klären wir die im Gespräch.“ Die 59-jährige Ilka Kriwet gehört zu dem Team, das sich liebevoll und kompetent um Erst- und Zweitklässler in der Erich-Kästner-Grundschule kümmert. „Ich lade die Kinder auch zu mir nach Hause ein“, sagt die Mentorin. „Es ist für sie schön, zu erfahren, wie wir in Deutschland leben.“ Wichtig ist es ihr, Mütter oder Väter einzubinden.

Mit dem Mentoring-Projekt für Erwachsene hat der Freundeskreis weit über die Grenzen Ostfildern hinaus von sich reden gemacht. Männer und Frauen betreuen da Menschen, die rasch die deutsche Sprache lernen. Diese Begleitung ist langfristig gedacht. „Meist entstehen da Freundschaften“, lobt Zitzler das Konzept. Für sie ist dies ein wichtiger Bausteine für eine nachhaltige Flüchtlingsarbeit.

Der Ehrenamtspreis

Initiatoren
 Der Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ wird von der Stiftung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen in Zusammenarbeit mit der Eßlinger Zeitung ausgeschrieben. Mit der Auszeichnung für das Engagement sollen der Gedanke der Wertschätzung und Unterstützung ehrenamtlich Tätiger gefördert werden. Die Preisträger werden von einer Jury aus Vertretern der Kreissparkasse und der Redaktion ermittelt.

Preisträger
 Die Stiftung der Sparkasse stellt ein Preisgeld von insgesamt 20 000 Euro zur Verfügung. Die Gewinner des Ehrenamtspreises werden zu einer Abschlussveranstaltung im Herbst eingeladen, sofern die Pandemie dies zulässt.

Freundeskreis Asyl
 Der Freundeskreis Asyl ist 2014 von engagierten Bürgerinnen und Bürgern in Ostfildern gegründet worden. Der Verein versteht sich als Netzwerk von Menschen aus unterschiedlichen Berufen, die Geflüchteten helfen, Fuß zu fassen. Dabei kooperieren die Ehrenamtlichen eng mit der Stadt Ostfildern und mit Institutionen.