In Barcelona, okay. In Dortmund vielleicht auch. Aber in Freiberg am Neckar? Geht es nach dem Willen der schwäbischen Kleinstadt, ist das erste Puppenbordell im Südwesten eine kurzfristige Erscheinung.
Freiberg a.N. (lsw) - Peter Müller traute seinen Augen nicht. «Ich war mehr als baff», erinnert sich der Chef des Freiberger Ordnungsamtes an den Moment, als er im Internet entdeckt, was sich da im Gewerbegebiet der Stadt breitgemacht hat. Ein Sexpuppen-Bordell? «Traumfrauen aus medizinischem Silikon»? In Freiberg am Neckar? Dass er sowas hier nicht haben möchte, war ihm rasch klar. Jetzt weiß er aber, wie er das durchsetzen kann: Vergnügungsstätten sind laut Bebauungsplan ausgeschlossen. Schon immer. Heißt: Kann der Betreiber nicht belegen, dass sein Geschäft nicht auf Vergnügen abzielt, muss er weg. «Wenn nötig im Sofortvollzug», betont Müller.
Schwaben sind erfinderisch. Die Idee, Sexpuppen gegen Bezahlung anzubieten, stammt aber nicht aus dem Land der Tüftler. Das vor zwei Jahren in Dortmund eröffnete «BorDoll» soll inzwischen sogar männliche Puppen im Angebot haben. Als «absolut realistisch gearbeitete Silikon-Liebespuppen» werden die Angestellten dort beworben - mit angeblich bildhübschem Gesicht, mit allem drum und dran sowie mit den Topmodel-Maßen 90-60-90. Vorreiter war Barcelona.
Mit dem Neuling im Freiberger Gewerbegebiet ist das «BorDoll» aber nicht zu vergleichen, schließlich hat Dortmund dem Puppenpuff eine Konzession als reguläre Prostitutionsstätte erteilt. Im Gewerbegebiet in Freiberg hingegen sind nicht mal Spielhallen oder Diskotheken erlaubt. Eine Ausnahme zu machen, da der schräge Sex-Betrieb in dem unscheinbaren Bürogebäude quasi gar nicht auffällt, lehnt Müller ab. Er scheut den Präzedenzfall und das Abrutschen des ganzen Gebiets in die Schmuddelecke. Rund herum ist produzierendes Gewerbe angesiedelt. Lack und Metall werden hier verarbeitet, Fahrradhelme hergestellt.
Die Vorstellung, sowas wie Sex mit einer Puppe oder einem Roboter zu haben, scheint für weniger Menschen abwegig zu sein, als man denkt. Laut der Zukunftsstudie «Homo Digitalis» von BR, Arte, ORF und dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) würde ungefähr jeder fünfte Deutsche gerne einmal mit einem Sexroboter schlafen. Über die Hälfte würde es nicht oder nur vielleicht stören, wenn ihr Partner Sex mit einem Sexroboter hätte. Doch nur rund sechs Prozent könnten sich vorstellen, sich in einen Roboter zu verlieben. «Das deutet darauf hin, dass Sexroboter vor allem als Spielzeug und nicht als Menschen-Ersatz wahrgenommen werden», sagt Kathrin Pollmann vom IAO.
Sabine Constabel vom Stuttgarter Verein Sisters, der sich bundesweit für den Ausstieg aus der Prostitution einsetzt, hingegen warnt vor dem Geschäft mit den Puppen: Frauen würden entmenschlicht, würden aus Sicht der Freier noch mehr zu einem Objekt, das man benutzen könne. Der Missbrauch an Frauen werde simuliert, so Constabel. Ein Entgegenkommen, ein Eingehen auf ihr Gegenüber, werde den Freiern geradezu abgewöhnt. Kinderpuppen seien inzwischen verboten, damit sich Männern mit pädophilen Neigungen nicht daran die Hemmungen nehmen, ein Kind zu missbrauchen.
«Wir haben kein Interesse», heißt es beim Inhaber der Firma, beziehungsweise bei jemandem, der die im Internet angegebene Handynummer der Firma bedient. «Nochmal: Wir haben kein Interesse», wird jede Nachfrage abgeblockt. «Die Adresse gibt es bei Terminbestätigung, da wir keine Laufkundschaft erwünschen», heißt es im Internet. «Ein Besuch ist immer ganz privat und findet in diskreter Atmosphäre statt.»
Auch wenn Sexpuppen oder -roboter eine Nische bleiben, wird das Thema breit diskutiert. Eine «Kampagne gegen Sexroboter» führt unter anderem an, Frauen und Kinder könnten zu Lustobjekten degradiert werden. Der Wirtschaftsinformatiker Oliver Bendel wirft eine ganze Reihe von Problemen und Fragen auf: So müssten Sexroboter beispielsweise gründlich geputzt werden, um Krankheiten vorzubeugen. «Sexdolls werden nach jeder Begutachtung des Kunden gereinigt und desinfiziert», verspricht die Firma.