In Freiberg am Neckar haben Markus Canz und seine Frau Susanne einen Acker in eine blühende Wiese umgewandelt – inklusive Eidechsenburgen. Plötzlich kreucht und fleucht es auf dem Feld.
Die alarmierender werdenden Nachrichten zum Rückgang der Artenvielfalt haben mittlerweile bei etlichen Grundstücksbesitzern zu einem Umdenken geführt. Zwischen sattgrünen Grashalmen im Rasen darf ruhig auch mal ein Blümchen hervorlugen, man lässt Hecken aus heimischen Hölzern am Rand des Gartens anlegen. Insektenhotels sieht man auch immer öfter. Noch mal andere Dimensionen hat aber, was Markus Canz und seine Frau Susanne Zeltwanger-Canz auf Tuchfühlung zu ihrem Aussiedlerhof in Freiberg geschaffen haben, um Bienen, Grashüpfern und Konsorten eine Heimat und Futterquellen zu bieten.
Die Eheleute, die beide keine Landwirte sind, haben im vergangenen Jahr begonnen, ein früheres Maisfeld in eine Insektenwiese umzuwandeln. Die Fläche hatten sie zuvor an einen Nachbarn verpachtet, der den Acker aber zurückgeben wollte. Eine Gelegenheit, die die Familie beim Schopfe packte. „Wir wollten schon länger eine Pufferzone zur Landwirtschaft direkt vor unserer Haustür schaffen“, sagt Marcus Canz. Denn ganz wohl war ihm bei dem Gedanken nicht, die eigenen Kirschen und Erdbeeren zu pflücken, wenn in unmittelbarer Nähe Spritzmittel eingesetzt werden. Außerdem habe man den Naturschutzgedanken im Kopf gehabt. Zumal die jetzt achtjährige Tochter Marlene just in jener Zeit gefragt habe, was es mit dem Insektensterben und der Diskussion um den Klimaschutz auf sich habe, sagt Susanne Zeltwanger-Canz. Und im Endeffekt habe man auch für sich selbst einen Rückzugsort aus der Taufe heben wollen, erklärt ihr Mann.
Also machte die Familie Canz Nägel mit Köpfen: 2022 wurde letztmals auf dem Feld ein paar Meter vom eigenen Haus entfernt Mais geerntet. Dann bereitete Markus Canz den Boden für eine Mischung aus Gräsern, Kräutern und Hülsenfrüchten vor, die ein Nachbar mit einer Maschine im Frühjahr 2023 auf einem 1,3 Hektar großen Areal einsäte. „Im Mai hat es angefangen zu wachsen. Und das war schon schön“, erinnert sich der 43-jährige Erzieher zurück.
Wobei der Weg dahin komplizierter war, als man vielleicht meinen könnte. Denn die Ämter sprachen auch in Wörtchen mit. „Auf einer Fläche, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt ist, darf man zum Beispiel nur gebietsheimisches Saatgut und gebietsheimische Pflanzen verwenden“, erklärt Canz. Er und seine Frau konnten folglich also keine x-beliebigen Mischungen aus dem Markt um die Ecke auf das Feld streuen. Stattdessen brauchten sie einen zertifizierten Mix. Statt 120 Euro mussten sie rund 2500 Euro in die Hand nehmen – was sie sich gar nicht hätten leisten können, wie Markus Canz betont. Der Nabu Ludwigsburg sprang jedoch ein und übernahm die Kosten.
So konnte die Familie ein exakt auf die örtlichen Gegebenheiten zugeschnittenes Saatgut bestellen. Dieses umfasste 31 Sorten wie:
- Hopfenklee
- Wilde Möhren
- Weißes Labkraut
- Klatsch-Mohn
- Wiesen-Salbei
Im ersten Jahr habe anfangs vor allem ein rotes Blütenmeer aus Mohn dominiert, dann sprießten viele Wilde Möhren, sagt Markus Canz. „Dieses Jahr ist es gänzlich anders, weil auch die Witterungsbedingungen anders sind“, berichtet er. „Es ist auch für uns spannend zu sehen, wie es sich verändert“, ergänzt Susanne Zeltwanger-Canz. Zumal in den Äckern auch alte Schätze aus Samen schlummerten, die jetzt ihre Chancen nutzten und aufgingen.
Das Erscheinungsbild des Biotops dürfte sich weiter sukzessive verändern, zumal der Boden wegen der jahrelangen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung aktuell sehr nährstoffreich sei, wie Markus Canz erläutert. Deshalb gedeiht auf dem Feld zunächst auch eine Fettwiese. „Das Endziel wäre, das Ganze in eine Magerwiese umzudrehen, wo Gräser keine Chance mehr haben, weil es zu wenig Nährstoffe gibt und dafür ganz viele einheimische Pflanzen wachsen können“, sagt er. Allerdings arbeitet die Familie darauf nicht krampfhaft hin. Es darf kommen, was will, lautet ihr Motto. Und das ist bereits eine ganze Menge, auch im Hinblick auf tierische Gäste, die hier eine neue Heimat finden.
Burgen für Eidechsen aufgeschichtet
Heuschrecken hüpfen durch die Gegend, Maskenbienen surren durch die Luft, weil sie hier jetzt Pollen von der Färber-Resede, ihrer Leibspeise, sammeln können. Etliche Wespenspinnen haben in dem bunten Dickicht Netze ausgespannt. Schmetterlinge flattern über die Wiese, während Hausrotschwänze, Finken und Meisen munter zwitschern und Greifvögel nach Beute suchen. Gut möglich, dass in Zukunft auch Eidechsen heimisch werden. Für die Reptilien hat Markus Canz große Burgen als Rückzugsort angelegt. Dazu grub er jeweils ein großes Loch, schichtete Holz und Steine darin übereinander, damit Spalten bleiben und füllte die Senke dann wieder auf. Totholzhaufen, Steinformationen, ein frisch gepflanzter Gehölzstreifen, alte Baumstümpfe und eine Schlammpfütze auf dem Gelände sollen Tieren das Verweilen ebenfalls schmackhaft machen. „Es soll keine homogene Fläche bleiben, sondern ein Platz sein, auf dem es verschiedene Lebensräume gibt“, fasst Canz zusammen.
Fläche wird in Handarbeit gemäht
Sense
Die Insektenwiese am Rande des Freiberger Aussiedlerhofs von Susanne Zeltwanger-Canz und Markus Canz ist 1,3 Hektar groß. Sie wird zweimal pro Jahr per Sense gemäht, allerdings abschnittsweise, damit die Tiere immer ein Ausweichquartier haben. Die Familie steht Anfragen zum Beispiel von Schulen, die sich die Fläche anschauen mögen, offen gegenüber. Auch Studenten, die sich damit wissenschaftlich auseinander setzen mögen, sind willkommen. Der BUND Freiberg und der Nabu Ludwigsburg haben das Projekt beratend und finanziell unterstützt.
Social Media
Weitere Informationen zu der Wiese findet man im Internet unter www.artenschutz-salzmann.de und in den sozialen Medien unter www.instagram.com/artenschutz_salzmann/.