Frank Elstner hat mit seinem Youtube-Format „Wetten, das war’s . . .“ gezeigt, wie spannend eine Talkshow sein kann. Nun präsentiert er auf Netflix die neue und leider wohl letzte Staffel.
Baden-Baden - Es gibt zwei Sorten von Talkshows. Die einen werden moderiert von Anne Will, Frank Plasberg oder Maybritt Illner und verhandeln möglichst scharf zugespitzt ein aktuelles Thema. Die anwesenden Gäste spielen verteilte Rollen, das Ganze ist wie ein Theaterstück komponiert. Der eine ist dafür, der andere dagegen, der dritte ein Experte, der vierte ein Betroffener, der fünfte ein Scharfmacher, der sechste prominent. Schlauer wird der Zuschauer dadurch nicht. Aber er kann sich aufregen.
Die andere Sorte von Talkshows stellt Gäste vor, die an und für sich als bemerkenswert gelten, zum Beispiel aufgrund eines abwechslungsreichen Lebens. Ob die Sendung mit ihnen interessant wird, hängt ganz davon ab, wie gut die Fragekärtchen sind, die der Moderator von seiner Redaktion bekommen hat. Jedenfalls ist auch hier der Zuschauer vor Überraschungen relativ sicher.
Netflix kauft das Format von Youtube
Und dann gibt es überraschenderweise noch eine dritte Sorte von Talkshow: Frank Elstners „Wetten, das war’s . . .?“ Vor einem Jahr hat der große deutsche Fernsehshow-Erfinder und Moderator diese Reihe auf Youtube aus der Taufe gehoben: ein jeweils gut einstündiges Gespräch mit einem prominenten Gast, frei im Netz verfügbar, produziert von Elstners Sohn Thomas und dessen Unternehmen Zoo Agency. Das Format erregte so viel Aufsehen und Klickinteresse, dass kurz darauf Netflix zulangte und eine zweite Staffel der Talk-Reihe in Auftrag gegeben hat, die nun seit diesem Wochenende verfügbar ist – jetzt aber natürlich nur noch für Netflix-Abonnenten.
Besonders intensiv ist das Gespräch mit Charlotte Roche
In der Youtube-Staffel konnte man hoch spannende Gespräche mit Helene Fischer und Herbert Grönemeyer erleben – zwei Bühnenstars, die ansonsten kaum große Medien-Interviews geben, außer bezeichnenderweise bei Elstner. Großartig auch seine Stunde mit Jan Böhmermann – nirgendwo sonst hatte man zuvor ein besseres TV-Gespräch mit dem Satiriker erlebt; vor allem deswegen, weil offenbar sonst kaum jemand die Zeit findet, sich vorab beispielsweise in die Feinheiten der berühmten Böhmermann-Attacke gegen den türkischen Präsidenten Recep Erdogan zu vertiefen. Elstner hatte das offenbar getan – so etwas dient einfach einem Gespräch auf Augenhöhe.
Dieses echte Interesse, diese exzellente Vorbereitung beweist Elstner nun auch in der Netflix-Staffel von „Wetten, das war’s . . .“; seinen eigenen Angaben zufolge soll es nun wirklich die letzte sein. Zu Gast sind unter anderem Lena Meyer-Landrut, der Schauspieler Daniel Brühl, die Moderatorenkollegen Joko und Klaas und die Autorin Charlotte Roche. Ein bisschen hat das Format beim Umzug leider Federn lassen müssen: die Gespräche sind kürzer geworden, die Kulisse ist unnötig aufgestylt. Doch der Zuschauer wird entschädigt durch erneut äußerst intensive Momente – vor allem in der Folge mit Charlotte Roche. Sagt das nicht alles?
Er würde den Betrieb nur stören
Die einzige Frage, die nun noch offen bleibt: Warum um alles in der Welt ist offenbar kein öffentlich-rechtlicher Sender in diesem Land daran interessiert gewesen, Frank Elstners Format ins eigene Haus zu holen? Ist es die Sorge, der an Parkinson erkrankte Elstner sei vor großem Publikum nicht mehr präsentabel? Die Wahrheit ist: Ja, Elstner spricht langsamer als früher und sonst üblich im TV, und man sieht manchmal das Zittern seiner Hände. Aber wen um Himmels Willen stört das? Er ist absolut konzentriert auf sein Gegenüber – eine Wohltat für Atmosphäre und Zuschauer.
Nein, wir vermuten einen anderen Grund, warum „Wetten, das war’s…“ weder im WDR, SWR, noch im ZDF zu sehen ist. Eine Stunde Gespräch an einem Tisch mit nur einem Gast, ohne Filmeinspielungen, ohne Extragedöns, ohne nervige Interventionen aus den sozialen Netzwerken – das kann sich kein Programmchef dieses Landes noch ernsthaft vorstellen. Außer offenbar bei Netflix.
Frank Elstner zeigt, wie gut Talk sein kann, wenn er sich für seine Themen wirklich interessiert. Und damit sind wir beim Kern: Anderswo würde das den üblichen Betrieb nur stören. Bitter, aber wahr.