20 000 Menschen sollen am 7. November auf dem Augustusplatz in Leipzig gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert haben. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Welchen Einfluss haben Corona-Demos auf das Infektionsgeschehen? Einen gewaltigen, haben Mannheimer und Berliner Forscher jetzt herausgefunden.

Mannheim/Berlin - Die Bilder aus dem November 2020 haben viele verärgert: „Querdenken“-Demonstranten ziehen durch Leipzig und Berlin. Am Abend wird auf der Straße Polonaise getanzt und gefeiert – meist ohne Abstand und Maske. Dass diese beiden Ereignisse auch zu zahlreichen zusätzlichen Infektionen mit dem Coronavirus geführt haben, belegt jetzt eine Studie, die das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und die Berliner Humboldt-Universität vorgelegt haben.

Bis zu 20 000 Infektionen, so zeigen die Forscher in ihrer Studie, hätten verhindert werden können, wenn die beiden Großdemonstrationen nicht stattgefunden hätten. Sie hätten damit enorme Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen der Gesellschaft gehabt, sagte der ZEW-Wissenschaftler und Co-Autor Martin Lange.

Von wo kamen die Busse?

Untersucht hatten die Forscher das Infektionsgeschehen in den Landkreisen, aus denen zehntausende Demonstranten zu den Kundgebungen am 7. November 2020 in Leipzig und am 18. November 2020 in Berlin angereist waren. Um diese Orte zu bestimmen, nutzten die Autoren Informationen über das Angebot von Busreisen von Honk for Europe, eines Netzwerks von Busunternehmen, das sich seit Sommer 2020 auf die Beförderung von Demonstranten zu den „Querdenken“-Kundgebungen spezialisiert hat.

Demnach sei die Sieben-Tages-Inzidenz nach den Demonstrationen deutlich stärker in Landkreisen angestiegen, die Städte mit einer solchen Busverbindung beinhalten, als in Landkreisen ohne solche Busverbindungen. Dies hatte bis Weihnachten einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz um 40 in den betroffenen Landkreisen zur Folge.

Die Forscher sehen einen Zielkonflikt

Die Wissenschaftler schätzen, dass bis Weihnachten zwischen 16 000 und 21 000 Covid-19-Infektionen hätten verhindert werden können, wenn diese beiden großen „Querdenker“-Kundgebungen abgesagt worden wären. Die Analyse von ZEW und Humboldt-Universität quantifiziere somit erstmals den Zielkonflikt zwischen der Einschränkung von Freiheitsrechten und gesundheitspolitischen Maßnahmen zum Infektionsschutz, heißt es in einer Mitteilung des ZEW.

Das individuelle Verhalten – wenn Personen beispielsweise entgegen der geltenden Regeln keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen oder Abstandsregeln missachten – kann laut ZEW-Analyse große Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben. „Eine mobile Minderheit, die sich nicht an geltende Hygieneregeln hält, kann so ein erhebliches Risiko für andere Personen darstellen“, betonte Lange.