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Inmitten von Wald und Feld im Schwarzwald werden Motorräder zu immer größeren Lärmquellen. Nicht mit uns, warnen jetzt fast 80 Kommunen - gemeinsam.

Stuttgart (dpa/lsw)Der Hochschwarzwald. Eine Bilderbuchidylle, grüne Höhen, satte Wiesen, kleine Weiler, die kurvige Straßen miteinander verbinden. Wo Kurven sind, sind Motorradfahrer allerdings meist nicht weit entfernt. Kaum kommt die Sonne heraus, sind einige von ihnen im Schwarzwald schon aus der Ferne zu hören. Bis zum Ortschild drehen sie den Hahn ihrer Maschinen auf, sie bremsen vor scharfen Kurven kurz ab, drehen wieder auf, sobald es aus dem Ort herausgeht - und kehren wenig später um, damit sie dieselbe Strecke erneut entlangrasen können.

«Die wollen sich hier austoben» - davon ist Sonja Schuchter überzeugt. Der Bürgermeisterin von Sasbachwalden reicht es mit der vollen Dröhnung mitten in der Natur. Sie hat deshalb zahlreiche Kommunen aus dem ganzen Land überzeugt, mehr Druck auf die Politik in Berlin und Brüssel auszuüben. Die mehr als 80 Städte, Gemeinden und Landkreise wollen Tempolimits einführen, sie fordern Fahrverbote, höhere Bußgelder und verstärkte Polizeikontrollen, ein Verbot für Auspuffklappen und schärfere Zulassungsregeln sowie drastischere Strafen für Manipulationen.

Schwarzwald ein Magnet für Biker

«Gerade an sonnigen Wochenenden, wenn die Menschen Ruhe und Erholung suchen, fahren unzählige Motorräder bei uns durch», ärgert sich Schuchter. «Wenn nur Einzelne dieser Fahrer den "Sound und die Geschwindigkeit" als Fahrvergnügen sehen, ist das ein echter Konflikt, dann beschwere sich etliche.»

Das ist die Krux am Schwarzwald: Gerade weil er so idyllisch ist, ist er ein Magnet für Biker. «Das Kurvenangebot ist traumhaft, alle denkbaren Schräglagen-Erlebnisse sind hier möglich», schwärmt das Magazin «Motorrad» bei einem Tourentipp. «Dazu immer Fernblick und Pausenstopps in malerischen Orten.» Landschaftlich reizvolle und kurvige Strecken gibt es auch auf der Schwäbischen Alb, in den Löwensteiner Bergen, im Odenwald und an der Bergstraße - und überall dort liegen nach Angaben des Landesverkehrsministeriums auch die Lärmhotspots.

Lautstärke eines Düsenjägers

In Schuchters Gemeinde Sasbachwalden im Ortenaukreis werden Motorradfahrer vor allem von der Landstraße L86 und der Schönbüchstraße angezogen, auch die Strecke von Geschwend über Präg nach Bernau weiter südlich ist sehr beliebt. Mit dem Nürburgring vergleichen Anwohner dort schon die Lautstärke des einen oder anderen Bikers, mit tief fliegenden Düsenjägern oder einem Laubsauger direkt vor dem Haus. Das seien keine Genussfahrer, wie sie auch als Wirtschaftsfaktor gern gesehen werden von den Gemeinden. «Nur fünf bis zehn Prozent der Motorradfahrer halten sich nicht an die Regeln – aber genau diese wirken besonders störend», sagt Schuchter.

Das Umweltbundesamt und die Umweltschutz-Organisation BUND schätzen dagegen, dass etwa jeder dritte Motorradfahrer zu laut ist. Peter Lercher, Medizinprofessor an der Technischen Universität Graz, ging zuletzt in einem Vortrag sogar von 40 Prozent manipulierten Motorrädern aus. Besonders populär sind elektronisch steuerbare Klappenauspuffanlagen, mit denen Biker den «Sound» im Handumdrehen steuern können. Gegner dieser Fahrer kritisieren vor allem, die Reform der Verkehrssünderkartei habe die Strafen für Lärm-Vergehen kassiert. Still und leise, könnte man sagen.

Lärm-Displays sollen helfen

Motorradlärm-Displays am Straßenrand sollen nun unter anderem helfen, den Lärm zu senken. Das Gerät erkennt zu laute Motorräder durch Sensoren, die rund 70 Meter vor dem Display am Streckenleitpfosten angebracht sind. Es misst sowohl die Geschwindigkeit als auch den Lärmpegel und fordert Krachmacher per Digital-Anzeige auf, leiser zu fahren. Die Displays sind der Renner bei den Gemeinden: Fast zwei Dutzend Kommunen, darunter auch Sasbachwalden, erhalten bereits Geld für die rund 15.000 Euro teuren Geräte.

«Vielen Motorradfahrern ist häufig nicht bewusst, wie viel Lärm von ihren Maschinen ausgeht und wie stark dieser die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen kann», hatte der Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, Thomas Marwein (Grüne), bei der Einführung der Elektrotafeln im vergangenen Sommer gesagt. Es gebe «schwarze Schafe», aber die überwiegende Mehrheit sei vernünftig.

Bildung von Bürgerinitiativen

Die Erfahrung hat auch Michael Wilczynski vom Bundesverband der Deutschen Motorradfahrer (BVDM) gemacht. «Wir wollen den Fahrern deshalb auf der nächsten Motorradmesse in Dortmund mit Hilfe von Kopfhörern simulieren, wie laut ihre Maschinen werden können», erklärt er. Die meisten Biker wüssten das nicht, weil sie Helme und Ohrstöpsel trügen. Natürlich liebt Wilczynski die Ausfahrt mit dem Motorrad - auch wenn er bedauert, sich die Strecke meist mit den stampfenden Einzylindern und hochdrehenden Vierzylindern der anderen teilen zu müssen. «Über die Navis bekommen ja alle dieselben Kurvenstrecken angeboten», sagt er.

Die Vereinigten Arbeitskreise gegen Motorradlärm (VAGM) listen mehr als 100 Regionen auf, in denen Motorradlärm zur Bildung von Bürgerinitiativen geführt haben. Der BDVM unterstützt unter anderem die Initiative «Silent Rider» aus der Eifel, die ähnlich wie Schuchters neue «Initiative Motorradlärm» Forderungen für die Politik aufstellt. Die Bürgermeisterin und der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wollen den neuen Katalog am Donnerstag um 11 Uhr in Stuttgart vorstellen.