Reisende am Frankfurter Flughafen Foto: dpa/Boris Roessler

Viele Lufthansa-Kunden haben kein Verständnis für den Arbeitskampf der Piloten. Nach der Absage von 800 Flügen stranden in Frankfurt viele Umsteiger.

„Fünf Jahre haben wir für diesen Urlaub gespart“, sagt Daniel Schorn. Statt im Flieger nach Mallorca sitzt er nun mit seiner Frau und den drei kleinen Töchtern am Frankfurter Flughafen. Es ist kurz vor 9 Uhr am Freitagmorgen, in einer Viertelstunde hätte ihre Maschine abheben sollen – eigentlich. Dass der Flug gestrichen werden muss wegen des Streiks der Lufthansa-Piloten, hat die Familie aus dem rheinland-pfälzischen Wattenheim am Vorabend erfahren. Ihr Reiseanbieter habe aber empfohlen, trotzdem zum Flughafen zu fahren, um auf Abhilfe zu pochen, sagt Schorn.

Tatsächlich konnte die Familie umbuchen: Mittags soll sie nach Münster fliegen und von da aus dann um 18 Uhr mit der Lufthansa-Tochter Eurowings nach Mallorca. „Wir müssen froh sein, wenn wir vor Mitternacht im Hotel ankommen“, sagt Schorn. Noch sind die Kinder, zwischen eineinhalb und fünf Jahren alt, fit – sie haben auf dem Weg zum Flughafen im Auto geschlafen. Für ihren Vater aber, der sich um 5 Uhr ans Steuer gesetzt hat, steht fest: „Wir fliegen nie wieder mit Lufthansa.“

Die Fluggesellschaft wurde mit Staatshilfen gestützt

Für den Streik der Piloten, denen die Fluggesellschaft eine Gehaltserhöhung von 900 Euro im Monat angeboten hatte, hat Schorn kein Verständnis. „Piloten geht es nicht schlecht, und denen der Lufthansa schon gar nicht“, sagt der 37-Jährige, der als Monteur arbeitet. Jetzt ärgere es ihn, dass der Staat die Lufthansa in der Coronakrise mit Steuergeldern stützte.

Noch deutlicher wird Thomas Degenhard. „Wenn die Bodendienstleister streiken, weil sie wirklich nicht viel verdienen, da bin ich solidarisch. Aber das hier ist ein Luxusscheiß“, sagt der Heilbronner. Er selbst sei in der Autobranche tätig und verdiene auch nicht schlecht, aber: „Ich hätte die 900 Euro im Monat genommen.“

Umweg über Kanada

Degenhards Ärger ist auch deshalb so groß, weil sein wegen des Streiks gestrichener Flug nach Los Angeles schon seit zweieinhalb Jahren geplant ist. Zweimal wurde er wegen der Coronabeschränkungen gestrichen, nun sollte er endlich nachgeholt werden. Zwar hat die Lufthansa Degenhard, seinen Sohn und einen Freund, der mit in die USA reist, auf einen Condor-Flug umgebucht. Das bedeutet aber einen Umweg über Kanada – und obwohl die drei dort nur umsteigen, müssen sie dafür nun noch schnell eine Einreisegenehmigung beantragen, genannt ETA.

Degenhards Kumpel Andi Möller sitzt gerade am Laptop und füllt die nötigen Online-Formulare aus. „Wenn die Anträge bis 12 nicht gebilligt werden, kommen wir gar nicht erst an Bord“, schimpft Degenhard. „Wir hatten extra Lufthansa gebucht wegen des damit verbundenen Qualitäts- und Sicherheitsversprechens. Was hier läuft, wird die Marke schwer beschädigen.“

Der zweite Streik in sechs Wochen

Mehr als 800 Flüge sagte die Lufthansa vorsorglich ab, nachdem die Piloten-Gewerkschaft Cockpit in der Nacht zum Donnerstag ihren Streik angekündigt hatte. Schon Ende Juli hatte nach einem Streikaufruf der Gewerkschaft Verdi das Bodenpersonal einen Tag lang die Arbeit niedergelegt, damals fielen über 1000 Flüge aus.

Gleich von beiden Streiks betroffen war eine Großfamilie aus Großbritannien, die am Freitag in Frankfurt gestrandet ist: Ende Juli sei ihr Flug in die alte Heimat Algerien um zwei Tage verschoben und auf Turkish Airlines umgebucht worden, berichtet Sarah, eines der älteren Kinder. Kurz vor dem Rückflug hätten sie dann erfahren, dass es nach dem Zwischenstopp in Frankfurt erst einmal nicht weitergeht. Die aus 15 Personen bestehende Gruppe soll nun mit der Bahn nach München fahren, dort in einem Hotel am Flughafen untergebracht werden und am Samstag nach Manchester weiterreisen.

Nervennahrung für frustrierte Reisende

„Es sind schon einige gestrandet“, sagt ein Lufthansa-Mitarbeiter an einem Stand, den die Fluggesellschaft im Abflugterminal eingerichtet hat. Hier gibt es Wasser, Saft und Nervennahrung – also Süßkram und Chips. Ein kleiner Trost für alle, die nun in Frankfurt ausharren müssen.

Den Ärger der betroffenen Passagiere könne er gut nachvollziehen, sagt Marcel Gröls, bei Cockpit Vorsitzender für die Tarifpolitik. „Wir hätten das sehr gerne vermieden.“ Aber derzeit forderten alle Gewerkschaften einen Inflationsausgleich – so eben auch Cockpit.

Große Spreizung bei den Gehältern

Das Angebot der Lufthansa, die Pilotengehälter in zwei Stufen um insgesamt 900 Euro monatlich zu erhöhen, hätte für Berufseinsteiger mit einem Jahresgehalt von 69 000 Euro brutto am Ende ein Plus von 18 Prozent bedeutet. Für erfahrene Flugkapitäne der höchsten Gehaltsstufe hätte der Zuwachs in der zweiten Stufe fünf Prozent betragen, bei einer Laufzeit von 18 Monaten. Sie kommen aktuell auf 275 000 Euro brutto im Jahr.

Die Piloten fordern 5,5 Prozent mehr Lohn bis Ende des Jahres und 2023 einen Nachschlag zum Ausgleich der Inflation. In den Krisenjahren 2020 und 2021 hätten sie einen „erheblichen Beitrag“ zu den Einsparungen geleistet, sagte Gröls. Einige hätten beim Gehalt „Einschnitte von bis zu 50 Prozent“ hingenommen.