Ob im fernen Sierra Leone oder im heimischen Denkendorf: Dan Siebold kümmert sich intensiv um Menschen, die eigentlich keine Chance haben. Foto: /Ulrike Rapp-Hirrlinger

Er will nicht nur fremde Länder bereisen, sondern sich auch ehrenamtlich engagieren. So ist der Denkendorfer Dan Siebold in der Entwicklungshilfe gelandet.

Denkendorf - Fremde Länder haben Dan Siebold schon immer fasziniert. Doch anstatt diese nur zu bereisen, hat der 65-Jährige sich entschlossen, sich ehrenamtlich zu engagieren – in der Entwicklungshilfe, aber auch in der Arbeit mit Geflüchteten. Nicht selten macht er sich ein Bild vor Ort, in Sierra Leone ebenso wie jüngst in Gambia.

„Eigentlich wollte ich soziale Arbeit studieren, doch nach der Ausbildung hätte mir das zu lange gedauert“, verrät der gelernte Elektrotechniker. Über seine Stelle bei einem Stuttgarter Energieversorger kam er in Kontakt mit dem Ausland. Da sei es naheliegend gewesen, sich auf diesem Feld auch ehrenamtlich zu engagieren. „Mit Menschen aus fremden Ländern zu arbeiten, hat mich schon immer gereizt“, sagt er.

Als er mit seiner Familie nach Denkendorf zog, brachte er sich zunächst jedoch in die evangelische Kirchengemeinde ein und rief unter anderem gemeinsam mit dem damaligen Pfarrer Frieder Grau einen Jugendgottesdienst ins Leben. Zwei Jahre lang war Siebold auch Kirchengemeinderat. 2012 ging er in den Vorruhestand. Der Plan, dann gemeinsam mit seiner Frau einige Zeit im Ausland zu verbringen, zerschlug sich durch deren Tod. Doch Siebold verkroch sich nicht, brachte sich weiter in der Gemeinde ein. „Ich könnte mir nicht vorstellen, einfach nichts zu tun“, sagt er. Seit Jahren gibt es eine Partnerschaft zwischen der Denkendorfer Ludwig-Uhland-Schule und Rotifunk in Sierra Leone. Die Fäden laufen im Verein „Schritt für Schritt“ zusammen. Dank der Unterstützung aus Denkendorf konnte in Rotifunk unter anderem eine Schule aufgebaut werden. Siebold ist Kontaktperson zu den Partnern vor Ort, reist immer wieder nach Sierra Leone – auf eigene Kosten, wie alle im Projekt Engagierten.

Als 2015 die ersten Geflüchteten nach Denkendorf kamen, packte Dan Siebold auch hier ganz selbstverständlich an. Er begleitete die Neuankömmlinge, die fast alle krank gewesen seien, zu Ärzten oder ins Krankenhaus. „Ich habe ganze Nächte dort verbracht“, erinnert er sich. Auch Behördengänge oder die Wohnungs- und Arbeitssuche unterstützte er. „Zeitweise war dies ein Vollzeitjob.“ Dass allein 60 Geflüchtete in Denkendorf privat untergekommen seien und 40 weitere, die ursprünglich in Denkendorf lebten, in umliegenden Gemeinden, macht ihn froh. „Es gibt kaum Konflikte mit Vermietern.“ Zwei junge Männer aus Syrien und Afghanistan hat er selbst bei sich aufgenommen. Die Männer-WG funktioniere gut, versichert er. Und Siebold erfährt über den intensiven Kontakt viel über die Kulturen und die Lebensverhältnisse in den verschiedenen Herkunftsländern.

Geflüchtete im Alltag begleiten

Heute begleitet er nur noch einzelne Geflüchtete im Alltag. Doch wenn nötig, fährt er dann auch mit einem seiner Schützlinge ins afghanische Generalkonsulat nach München. Um Geburtsurkunden zu bekommen oder Pässe zu beantragen, müssen diese dort persönlich erscheinen. Siebolds Schwerpunkt ist derzeit jedoch die strategische Arbeit, obwohl ihm eigentlich der direkte Kontakt mit den Menschen wichtiger ist. „Aber ich merkte, dass man mehr erreicht, wenn man strategisch vorgeht und sich vernetzt.“ Deshalb sitzt er heute häufiger in seinem Büro, als ihm lieb ist. An der Wand hängen Ausdrucke mit Gerichtsurteilen, Zeitungsartikeln und anderen politischen Informationen. Sein Hauptaugenmerk liege derzeit auf Afghanistan, erklärt er. Gerade formiere sich eine regionale Gruppe. „Auf diesem Gebiet geht es sehr ungerecht zu“, kritisiert er die Abschiebungen politisch Verfolgter oder von Menschen, die sich integrieren wollten – zumal in Gebiete, die alles andere als sicher seien. Ziel sei ein Abschiebestopp, solange im Land Krieg herrsche. „Mein Wunsch wäre zudem, dass wer sich integriert, hierbleiben darf.“

In Siebolds Augen wäre es ein „Riesengewinn, wenn wir das Geld und die Energie, die wir in Abschiebungen stecken, auf die Integration verwenden“. Ihm ist es wichtig, auch politisch zu wirken: „Egal wie die Gesetzeslage ist. Ich kann nicht damit einverstanden sein, dass im Mittelmeer Menschen ertrinken.“

In Baden-Württemberg leben mehrere Tausend aus Gambia Geflüchtete. Sie haben kaum eine Chance auf Anerkennung. „Deshalb wollte ich sehen, was sich im Land getan hat, seit ich in den 1990er-Jahren zuletzt dort war“, begründet er seine jüngste Reise. Es habe sich einiges positiv verändert, doch habe das Land noch viel Nachholbedarf, stellt er fest. Deshalb könnte Baden-Württemberg durch eine Partnerschaft Aufbauhilfe leisten und durch Hilfe zur Selbsthilfe auch Fluchtursachen beseitigen.

Die Arbeit in der Flüchtlingsarbeit macht für Siebold viel Sinn: „Ich sehe im Menschen immer das Positive. Man kann viel bewegen, wenn man sich intensiv um jemanden kümmert. Und man bekommt viel zurück. Es macht mich zufrieden, wenn ich sehe, wie sich jemand entwickelt, der eigentlich keine Chance hat.“