Die Kapazitäten in den Flüchtlingsunterkünften des Landes,wie hier in Heumaden, sind weitgehend ausgeschöpft. Foto: Caroline Holowiecki

Baden-Württemberg hat in diesem Jahr 142 000 Ukrainer und 24 000 Asylbewerbende aufgenommen, Plätze in Unterkünften sind rar. Der Städtetag wendet sich in einem Hilferuf an Bundestagsabgeordnete.

Der baden-württembergische Städtetag schlägt in einem Brief an die baden-württembergischen Innenpolitiker des Deutschen Bundestages, der unserer Zeitung vorliegt, Alarm. Unter der Überschrift „Herausforderungen der gegenwärtigen Zuwanderungslage“ stellt die Organisation fest, dass Baden-Württemberg in diesem Jahr bereits 142 000 Geflüchtete aus der Ukraine und 24 000 Asylbewerbende aufgenommen habe. Alle diese Menschen seien früher oder später auf regulären Wohnraum und auf Kinderbetreuungsangebote angewiesen, schreibt das geschäftsführende Vorstandsmitglied Ralf Broß an die Parlamentarier. Die mit der Registrierung, Unterbringung und Betreuung verbundenen Aufgaben zwängen die Städte immer wieder zu unvorhergesehenen Anpassungen innerhalb der Verwaltung. In Verbindung mit den anstehenden Rechtsänderungen wie der Wohngeldreform und dem deutlich zu spürenden Personalnotstand stellten diese Anpassungen eine enorme Herausforderung für die Städte dar.

Bund soll Standards beim Bau- und Vergaberecht absenken

Vor diesem Hintergrund wendet sich der Städtetag mit vier konkreten Forderungen an die Politik. Der Bund müsse „einen sichtbaren, unbürokratischen und insbesondere finanziellen Beitrag“ zur Stärkung des Wohnungsmarktes leisten. Der Städtetag weist darauf hin, dass die von der Bundesinnenministerin angekündigte Bereitstellung zusätzlicher Bundesimmobilien in Baden-Württemberg wohl keine kurzfristige Entlastung schaffen werde, „da die vom Bund gemeldeten Liegenschaften überwiegend unbebaut“ und zum Teil nicht erschlossen seien. Ferner wird gefordert, dass der Bund rasch eine Diskussion zur besseren Steuerung und solidarischen Verteilung von Geflüchteten innerhalb Europas anstoße. Der dritte Forderung bezieht sich auf das Bauplanungs- und Vergaberecht. Der Bund, so der Wunsch des Städtetags, solle dringend die zu hohen Standards absenken. Das betreffe „wegen des Aufbaus von Unterbringungskapazitäten“ auch Vorgaben zu Schulen, Kindertageseinrichtungen und Hilfsangeboten.

Ukrainischer Außenminister erwartet keine neue Flüchtlingswelle

Die vierte Forderung ist überraschend. Der Bund, heißt es in dem Schreiben, müsse „die Ukraine unterstützen, Maßnahmen zur Binnenmigration von Geflüchteten innerhalb der Ukraine zu intensivieren“. Diese Binnenmigration findet allerdings in der Ukraine längst statt. Darauf hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba gerade ausdrücklich aufmerksam gemacht. „Wer die Ukraine jetzt noch nicht verlassen hat, wird auch in Zukunft nicht die Absicht haben, für längere Zeit ins Ausland zu flüchten“, sagte Kuleba in einem Pressegespräch. Die Menschen würden in erster Linie versuchen, in der Ukraine zu bleiben und womöglich aufs Land oder in westliche Regionen der Ukraine zu ziehen. Allerdings rechnet Kuleba durchaus mit einer neuen russischen Angriffswelle, die auch gezielte Attacken auf die Energieversorgung einschließe.

Derweil hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gemeinsam mit dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) einen Spendenaufruf zur Sammlung von technischen Geräten zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung in der Ukraine gestartet. Besonders gefragt sind dabei Generatoren für Wasserpumpen.