Die CDU mit ihrer Fraktionsspitze Tim Hauser und Aglaia Handler – hier am 12. Mai im Verwaltungsausschuss – bekommen Zweifel, ob das Rathaus in der Reorganisation der Verwaltung die richtigen Schritte geht. Foto: Roberto Bulgrin

Esslingen wollte sich eine fünfte Bürgermeisterstelle genehmigen – und dafür andere Stellen auf der Arbeitsebene streichen. Doch eine sicher geglaubte Mehrheit gerät ins Wanken.

Seit etwa zwei Monate wird ein personalpolitisches Ansinnen der Rathausspitze und mehrerer Fraktionen im Gemeinderat in der Stadt Esslingen und in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert, aber jetzt bröckelt offenbar die Mehrheit. Sang- und klanglos wurde der Tagesordnungspunkt „Änderung der Dezernatsstruktur“ von der Tagesordnung des wichtigsten Ausschusses der Stadt, dem Verwaltungsausschuss, gestrichen.

Warum, wurde von Oberbürgermeister Matthias Klopfer nicht erläutert. Besucher, die womöglich genau wegen dieses Punktes gekommen waren, blieben ratlos zurück. Unsere Zeitung erklärt, was geschah.

Die Vorgeschichte: Esslingen will sich so viele Bürgermeister leisten wie sonst kaum eine andere Stadt in Deutschland mit rund 100 000 Einwohnern. Zur Finanzierung sollten andere Stellen auf unteren Ebenen gestrichen werden.

Die CDU, die die wichtigste Nutznießerin des Vorhabens hätte werden können, weil sie ein Vorschlagsrecht auf diese Stelle eingeräumt bekäme, hinterfragte im Vorfeld der Ausschusssitzung am Montagabend das Vorhaben und sorgte damit offenbar dafür, dass Oberbürgermeister Matthias Klopfer den Punkt von der Tagesordnung nahm.

CDU wird im Streit um Bürgermeisterstelle zum entscheidenden Faktor

Damit gerät die Mehrheit für eine Aufstockung der Spitzenverdiener im Rathaus ins Wanken. Die Freien Wähler waren bereits im Vorfeld nicht einig, ob die Aufstockung der Bürgermeisterriege eine gute Idee ist. Komplett dagegen waren die Fraktionsgemeinschaften FDP/Volt und Linke/FÜR, die AfD und die Ratsgruppe WIR/Sportplätze. Geschlossen dafür waren bis zum Sonntag die CDU, außerdem die Grünen und die SPD. Sollte die CDU im Verlauf der weiteren Diskussion Abstand nehmen von dem Plan, ist er hinfällig.

Begründet wurde das Vorhaben damit, dass „mit der Einführung eines zusätzlichen Dezernats zukunftsweisende Impulse für eine leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung“ gesetzt werden. Zudem „wollen wir mit der neuen Struktur auch darstellen, dass nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr die CDU die stärkste Fraktion ist, aktuell jedoch keinen Beigeordneten hat“, hieß es in der Begründung der Stadtverwaltung. Der Begriff Beigeordneter steht in diesem Fall synonym für die Bürgermeisterstelle.

Kritik an fünfter Bürgermeisterstelle: Haushaltsdisziplin gefährdet

Die Kritik daran ließ nicht lange auf sich warten. Die Einrichtung einer fünften Bürgermeisterstelle stünde im Widerspruch zu den Prinzipien der Haushaltsdisziplin und einer effizienten Verwaltungsstruktur, fand beispielsweise die FDP. Die Linke hatte den Eindruck, dass die Verwaltungsspitze eine Art Eigenversorgung betreibe. Volt-Stadträtin Anita Maticevic erklärte, Es dürfe nicht zugelassen werden, „dass die Stadtpolitik zu einem Selbstbedienungsladen für Posten wird“.

Nicolas Fink (SPD) sowie Carmen Tittel, Gabriele Kienlin und Marco Bertazzoni (Grüne) – hier in einer Ausschusssitzung – gehören zu den Befürwortern, die Rathausspitze aufzustocken. Foto: Roberto Bulgrin

Auch die AfD sprach sich dagegen aus und sprach von einer „Unverfrorenheit“. Hermann Beck von der Ratsgruppe WIR/Sportplätze erklärte, Oberbürgermeister Matthias Klopfer solle seine Hausaufgaben machen, „statt das Geld der Steuerzahler zum Rathausfenster rauszuwerfen.“

Die neue Stelle im Rathaus kostet die Esslinger fast drei Millionen Euro

Sollte die Stelle doch noch geschaffen werden, kostet sie, nachgeordnete Stellen mit einbegriffen, im Laufe der achtjährigen Dienstzeit fast drei Millionen Euro. Nun also die Kehrtwende bei der CDU. Fraktionschef Tim Hauser, den einige Rathaus-Insider bereits als Favoriten auf die fünfte Bürgermeisterstelle gesehen haben, forderte„eine breite Analyse, in welchen Bereichen Verbesserungspotenzial und im Zweifel auch Handlungsbedarf besteht.“ Dann müsse man in einem weiteren Schritt darüber nachdenken, welche Probleme strukturell begründet seien und wo veränderte Strukturen helfen können, die Verwaltung effizienter und bürgerfreundlicher aufzustellen. „Wir schließen nicht aus, dass am Ende die Erkenntnis stehen könnte, dass ein weiteres Dezernat in einer neuen Struktur die nötigen Verbesserungen bringen kann“, so Hauser. „Aber wir sollten die Diskussion nicht vom falschen Ende her aufziehen.“

Die Stadt Esslingen

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Esslingen hat rund 97 000 Einwohner und gilt damit nicht als Großstadt. Davon haben fast 45 000 Menschen einen Migrationshintergrund. Esslingen ist schon seit vielen Jahrzehnten auch eine Einwandererstadt.

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Die Stadt vermarktet sich selbst als ein Ort mit langer Geschichte. 2027 feiert sie mit seiner touristisch attraktiven Altstadt ihren 1250. Geburtstag. Die Stadt hat aber auch noch andere Gesichter: So ist Esslingen auch eine Weinstadt und vor allem eine Industriestadt. Sie gilt im deutschlandweiten Vergleich als wohlhabend.