Die Stadt Leinfelden-Echterdingen will den Auftritt von Daniele Ganser nicht absagen. Derweil formiert sich Protest, und auch im Gemeinderat ist manchem unwohl.
Die Stadtverwaltung Leinfelden-Echterdingen hat sich entschieden. Der Auftritt des umstrittenen Historikers und Publizisten Daniele Ganser in der kommunalen Filderhalle darf stattfinden. „Der Ältestenrat hat einstimmig und ohne lange Diskussion empfohlen, die Veranstaltung mit Daniele Ganser in der Filderhalle nicht abzusagen“, teilt der Verwaltungssprecher Thomas Krämer mit.
Beraten wurde nicht öffentlich. Das Gremium sei der Auffassung der Stadtverwaltung gefolgt, die – wie andere Kommunen auch – nach gründlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass „Herr Ganser zwar Verschwörungstheorien zugewandt ist, das jedoch unter die Meinungsfreiheit fällt“. Die Meinungsfreiheit sei in einer Demokratie ein hohes Gut. Auch Erkundigungen bei den Ordnungsbehörden hätten kein anderes Ergebnis gebracht. „Antisemitische Äußerungen konnten wir in dem von uns begutachteten Material nicht feststellen. Das wäre für die Stadtverwaltung ein Grund gewesen, die Veranstaltung absagen zu lassen“, teilt Thomas Krämer mit.
Am 12. Mai will Daniele Ganser in der Filderhalle den Vortrag „Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?“ halten. Der Schweizer ist mehrfach im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien aufgefallen, etwa rund um den 11. September oder die Impfkampagne. In der Doku „Pandamned“ vergleicht er Geimpfte und Ungeimpfte mit Nazis und Juden.
Eine Tatsache, die den Filderstädter Michael Blume als Landesbeauftragten gegen Antisemitismus auf den Plan gerufen hat. „Leider ist Daniele Ganser kein harmloser Verschwörungsunterhalter, sondern hat sich mehr und mehr ins gesellschaftliche Abseits manövriert“, etwa auch, indem er schon zu Beginn der Pandemie die inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtete Querdenkerbewegung unterstützt habe, sagte er jüngst gegenüber unserer Zeitung. Gansers Suggerieren, Ungeimpfte würden wie Juden im Nationalsozialismus behandelt, verharmlose die Verbrechen der Nazis, relativiere den Holocaust und verhöhne die Opfer. „Leider müssen wir davon ausgehen, dass Ganser auch in Leinfelden-Echterdingen seine teilweise gefährlichen Verschwörungsmythen verbreiten wird.“
Nicht in allen Städten darf Daniele Ganser auftreten
Daniele Ganser tourt derzeit durch den deutschsprachigen Raum. Nicht immer trifft er auf offene Arme. In Innsbruck etwa hat der Bürgermeister den Auftritt laut Medienberichten absagen lassen, in Dortmund fordern demnach Politiker die Stornierung des Termins. Derweil formiert sich auch in Leinfelden-Echterdingen Widerstand. Auf Facebook werden Gegendemonstration und lauter Protest angekündigt. „Wenn im Rahmen der freien Meinungsäußerung Verschwörungstheoretiker in städtischen Gebäuden auftreten dürfen, dann darf die ‚Meinung’ von Herrn Ganser nicht unwidersprochen bleiben“, liest man.
Auch das Kollektiv „Filder Nazifrei“ twittert, nun sei eine „starke zivilgesellschaftliche Antwort inklusive Gegenprotest dringend geboten“. Für das Bündnis „Solidarität statt Hetze“ ist offenbar schon eine Kundgebung angemeldet worden.
Im Gemeinderat gibt es ebenfalls kritische Stimmen. Eberhard Wächter, der Fraktionsvorsitzende Freie Wähler/FDP, spricht von „vielen Gegnern“ im Gremium. „Auch wir haben Schmerzen, dass der hier auftritt.“ Gleichwohl gibt er zu bedenken, ob ein Verbot Ganser nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschafft hätte.
Sabine Onayli, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von L.E. Bürger/DiB, ist enttäuscht. „Ich hätte mir mehr Zivilcourage gewünscht“, sagt sie. „Peinlich und nicht akzeptabel“ für die Partnerstadt Poltawas sei es, Ganser zum Thema Krieg in der Ukraine sprechen zu lassen. Sie werde sich an Protesten beteiligen.
Erich Klauser, der Fraktionsvorsitzende der SPD, stellt klar: „Man muss aus dem Fall lernen.“ Daniele Ganser selbst dürfte die Diskussion vermutlich egal sein. Die Karten für seinen Auftritt in Leinfelden-Echterdingen sind ausverkauft.